14.Kapitel

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Cole

Es war jetzt etwa eine Woche her, dass Charlie und Jonathan den Brief und den Stick gefunden hatten. Wie gewüscht hatten wir uns darum gekümmert, dass ihr Zeug nicht irgendwo vergammelt. Die Ghosts waren sich sicher, dass Kyla bald zurückkommen würde. Zumindest Dave und Olivia. Im Gegensatz zu den Erwachsenen, die alle dachten das Kyla aus Angst vor Jonathans Onkel abgehauen war, wussten wir jüngeren was wirklich los war. Ich hatte meiner Gang von der Sache erzählt und sie gebeten, uns bei der Suche zu helfen. Zuerst waren einige dagegen, da Kyla sich anscheinend mit einem ziemlich einflussreichen Typen angelegt hatte, doch am Ende konnte ich sie überzeugen. Wann immer wir konnten hörten wir uns unauffällig nach Kyla um oder versuchten sie übers Internet zu finden. Aber es gab nichts. Alle Bilder, die vielleicht mal existiert hatten, waren weg. Es gab nichts im Netz über ihre Familie oder sie selbst. Es war zum Kotzen. Seufzend starrte ich hinab auf die Straße, die sich unter mir erstreckte. Die schnellen Lichtkegel, die über den Asphalt flogen, das vereinzelte aufblitzen von Metall und das leise Surren der über den Boden flitzenden Reifen. Es beruhigte mich, hier oben zu stehen. Ich konnte hier, mitten in der Nacht auf einer verlassenen Brücke über der Autobahn, am besten nachdenken. Sonst schienen meine Gedanken umher zu wirbeln wie in einem Sturm, doch jetzt war alles klar. Ich ging noch einmal alles durch, was ich über Kyla wusste. Sie war eher klein, recht intelligent, hübsch und sprach mit niemandem. Außerdem war sie eine Waise, da ihre Eltern vor etwa vier Jahren gestorben waren. Ihr Bruder wurde vermisst und, trotz fehlender Leiche, für Tot erklärt. Das hatte Olivia mir erzählt als ich heute mal wieder meinen Vater hatte begleiten müssen. Mit einem Kopfschütteln verdrängte ich die unliebsamen Gedanken an meinen Dad und überlegte weiter. Doch auch nach zehn Minuten intensiven Nachdenkens viel mir nichts ein... oder doch? Schnell ging ich einige Sachen, die ich bisher für unwichtig gehalten hatte, durch. Kylas Laptop hatte gefehlt, was bedeutete das der wichtig für sie war. Mit einem Laptop konnte man sich, je nachdem was für einer es war, in Accounts und so reinhacken. Kyla hatte in der Datei am Stick geschrieben, dass sie einen Mafioso beklaut hatte. Vielleicht war sie eine Hackerin? Sie hätte zwar auch normal einbrechen können, aber weshalb sollte sie sonst ihren Laptop mitnehmen? Vielleicht war sie auch diejenige, die alle Bilder von sich gelöscht hatte. Ja, das musste es sein. Zufrieden machte ich mir eine Zigarette an, doch mein Hochgefühl trübte sich schnell wieder. Es brachte nichts das zu wissen. Es änderte nichts daran, dass ich keine Ahnung hatte wo sie war. Wieder am Boden der Tatsachen fiel mir auf, dass ich rauchen eigentlich hasste. Seufzend zerdrückte ich die Kippe am Geländer und ließ sie dann auf den Boden fallen. Entmutigt hing ich meinen Gedanken nach und starrte auf die Autos, die unter mir über die Straße zischten. Erst mein Handy, welches in meiner Hosentasche vibrierte, riss mich aus meiner Nostalgie. Schnell holte ich mein Smartphone hervor und nahm den Anruf an.

<Cole, du musst so schnell es geht von der Brücke verschwinden. Geh am besten zum Hauptquartier oder so, aber verschwinde.>

So schnell der Anruf gekommen war, war er wieder zu Ende. Es war meine Schwester gewesen. Warum sollte ich verschwinden? Diese Frage erledigte sich, als ich Scheinwerfer durch die Bäume sah, die schnell näher kamen. Drei Paar. Oh Schei*e... Innerhalb von Sekunden war ich bei meinem Wagen. Ich schloss ihn auf, stieg ein, schnallte mich an und fuhr los. Dabei hatte ich meine Scheinwerfer aus, damit man mich nicht sofort sah. Mein Weg führte mich in die entgegengesetzte Richtung der anderen Scheinwerfer. Mein Wagen tat mir zwar leid, dass er über einen unebenen Waldweg fahren musste, doch anders ging es nicht. Besorgt stellte ich fest, dass die anderen Autos immer näher kamen. Ich löste meinen Blick aus dem Rückspiegel um mich wieder auf den dunklen, unbeleuchteten Waldweg zu konzentrieren. Ein Knall, wie aus einer Pistole, brachte mich dazu wieder in den Rückspiegel zu sehen. Die anderen Autos waren bis auf vielleicht 20 Meter herangekommen. Aus dem ersten Auto beugte sich ein Typ aus dem Fenster, der auf meinen Wagen zielte. Ich konnte wohl von Glück reden, dass er wegen des unebenen Bodens nicht getroffen hatte. Als der nächste Schuss knallte und fast meinen linken Außenspiegel traf, fiel alle zurückhaltung über Bord. Ich machte die Scheinwerfer an und beschleunigte. Schnell wurde ich schneller, doch meine Verfolger gewannen weiterhin an Boden. Was hatten die für Autos? Ein schneller Blick in den Rückspiegel bestätigte meine Vermutung. Wenn mich nicht alles täuschte waren das hinter mir Bugattis. Der Schnelligkeit und der Form nach Veyrons. Ein Bugatti veyron war eines der schnellsten Autos der Welt. Fluchend beschleunigte ich weiter. Bald hatte der Wagen seine Grenze erreicht. Die anderen Wägen waren jetzt bis auf 10 Meter herangekommen. Eins war klar. Sie durfte mich nicht einholen. Da half nur noch eins. Ein Trick. Tief atmete ich ein, dann machte ich eine 180 Grad Wende und blieb stehen. Die anderen konnten nicht mehr Bremsen und wurden hektisch, doch ich handelte. Ich stieß die Tür auf und warf mich im letzten Moment aus dem Fahrerhaus. Ich rollte in den Wald, während ein lauter Rumms, dicht gefolgt von zwei weiteren, die friedliche Stille um mich herum erschütterte. Ich rappelte mich auf und warf einen Blick auf mein Autowrack. Im selben moment wurde ich beinah von einer Explosion umgeworfen, doch ich schaffte es statt zu fallen nach vorne zu torkeln. Ohne einen weiteren Blick zurück lief ich in den Wald. Ich zog mein Handy aus der Tasche und stellte erleichtert fest, dass ich empfang hatte. Dann wählte ich eine Nummer und wartete ungeduldig darauf, dass mein Gesprächspartner ranging. Das tat er auch kurz nach dem zweiten klingeln.

<Cole, ist alles...?>

<Stell jetzt bitte keine Fragen, Kleines. Du musst meinen Wagen als gestohlen melden, sofort. Und unseren Eltern musst du sagen, dass ich bei einem Freund übernachte. Ich bin gleich am Hauptquartier.>

Mit diesen Worten legte ich auf und öffnete Google Maps. Dann tippte ich mein Ziel ein. Zum Glück war ich schon auf dem richtigen Weg. 5 Minuten später traf ich an einer alten Fabrikhalle ein. Das Gebäude wirkte alt und verlassen, nur das Licht hinter den großen, dreckigen Fenstern ließ das Gebäude benutzt wirken. Ich lief auf eine kleine Tür neben einem riesigen Rolltor zu und schlüpfte in dss Gebäude. Das erste was ich sah, waren jede Menge geile Karren, alle ordentlich aufgereiht. Dann kam ich an einer kleinen Werkstatt vorbei. Schließlich endete die Halle in einer großen Ansammlung von Sofas. Auf fast jedem saßen irgendwelche Jungs oder Mädchen. Die meisten wirkten angespannt und müde. Kein Wunder, es war ja schon halb drei in der Frühe. Bei meinen leisen Schritten hoben einige die Köpfe und ich erkannte meine Schwester etwas am Rand. Sobald sie mich sah sprintete sie auf mich zu und umarmte mich stürmisch.

<Oh Gott, Cole. Ich habe mir so Sorgen gemacht. Wie siehst du überhaupt aus? Und wo ist dein Auto? Übrigens, ich hab deinen Wagen gestohlen gemeldet wie du es wolltest. Warum eigentlich?>

Ich seufzte auf und setzte mich, mit meiner kleinen Schwester im Arm, auf ein Sofa.

<Wo soll ich da anfangen? Na gut, es war so...>

Schnell gab ich die Story zum Besten und als ich geendet hatte herschte Stille. Ich rappelte mich auf und sagte dann:

<Ich weiß ja nicht was ihr macht, aber ich brauche erstmal eine Dusche und frische Klamotten. Jase, kann ich mit zu dir? Ich will so nicht meinen Eltern unter die Augen treten.>

Jase nickte verständnissvoll und brachte mich dann zu seinen Auto. Dann fuhr er zu sich. Dort duschte ich, zog mir was von meinem Besten Freund an und kippte dann total erledigt auf Jase' Couch. Kaum berührte mein Gesicht das kühle Leder des Sofas war ich schon eingeschlafen.

Das Schweigen der Gebrochenen *Pausiert*Where stories live. Discover now