Kapitel 87 - Bloß nicht aufgeben

5.8K 415 54
                                    

Wie ich mich fühlte? Dumm? Verrückt? Oder vielleicht doch geisteskrank?

Josh seufzte unzufrieden auf. »Es tut mir Leid, Miss«, entschuldigte er sich bei der Frau, der der schwarze Van gehörte und Mitarbeiterin einer Pizzakette war, was man deutlich an ihrem Hut erkennen konnte

Die Frau nickte verwirrt.

Josh schloss die Wagentür wieder und zog mich sofort hinter sich her in den Schatten eines anderen Autos. »Also langsam drehst du völlig durch, oder?«, fragte er gereizt und spannte den Kiefer an.

Ich schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Ich dachte echt, das wäre er! Ich wusste nicht, dass es nur diese Frau ist!«

Verzweifelt raufte ich mir das Haar. Das konnte doch nicht wahr sein!

Josh stieß einen Seufzer aus. »Ich hätte mir etwas Besseres einfallen sollen, was das Thema Ablenkung angeht. Soll ich dich wieder nach Hause fahren?« Seine braunen Augen musterten mich forschend.

Unsicher starrte ich auf den Boden und nickte.

»Warte hier«, meinte er, »Ich hole meine Schlüssel.« Schon war er verschwunden.

Beschämt sah ich zur Frau, die im Lieferwagen saß. Peinlicher ging es nun wirklich nicht. Aber was konnte ich denn dafür? Collin hatte mich paranoid gemacht! Nur wegen ihm musste ich mich zu jeder Zeit beobachtet fühlen und wurde von der Angst regelrecht in den Wahnsinn getrieben. Es war kaum auszuhalten!

Ich lehnte mich gegen den Wagen hinter mir. Wenn das so weiter ging, würde ich noch vollkommen durchdrehen. Oder sollte vielleicht genau das geschehen?

Ich runzelte die Stirn. Wann war das letzte Mal, dass der Mann im schwarzen Van zuschlagen wollte?

Vor ungefähr zwei Wochen, als Josh und ich auf dem Weg nach Hause waren. Zwei Wochen lang hatte der unbekannte Mann sich nicht blicken lassen. War das Absicht? Wollte er, dass ich wahnsinnig wurde? Oder wollte er, dass ich dachte, es wäre vorbei, damit er dann erneut zuschlagen könnte?

Als ich am nächsten Morgen aus dem Bett stieg, hatte ich unglaubliche Kopfschmerzen. Mein ganzer Körper fühlte sich schwach und träge an. Nachdem Josh mich gestern nach Hause gebracht hatte, war ich direkt in mein Bett gefallen. Heute musste ich aber wieder in die Schule, obwohl mir überhaupt nicht danach war.

Meine Stimmung war sowieso schon im Keller, aber als ich die Zeitung las, erreichte sie einen neuen Tiefpunkt. Mein Vater wurde gestern Abend wieder entlassen. Da es keine Beweise gegen ihn gab, durfte er gehen. Mom dagegen war immer noch im Gefängnis. Trotz ihres Geständnisses war sie immer noch die Hauptverdächtige im Mordfall und Juwelierraub. Ich wusste, dass sie unschuldig war. Daran gab es keinen Zweifel, aber die Beweise belasteten sie noch immer. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, um ihr zu helfen. Ich war so enttäuscht von ihr, dass ich nicht einmal wusste, ob ich ihr überhaupt helfen wollte. Wahrscheinlich hatte sie deshalb erst so spät gestanden. Sie wusste, dass es mich zu Tiefst verletzen würde.

Als ich das Schulgelände betrat, fühlte ich mich von allen Schülern beobachtet. Jedes einzelne Augenpaar war auf mich gerichtet. Jeder Blick brannte auf meiner Haut. Der Haut, die so viele Narben zierten. Jeder wusste nun von meiner Vergangenheit. Jeder wusste, was mein Vater getan hatte. Alle.

Ich ging auf meinen Spind zu und packte meine Bücher aus.

»Bestimmt ist das schrecklich für sie«, hörte ich plötzlich ein Mädchen sagen.

Ich hielt inne.

»Jetzt fühle ich mich schlecht für sie...«, seufzte ihre beste Freundin, »...ich denke, dass ihre Mom den Mord wirklich nicht begangen hat.«

UnderratedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt