Kapitel 60 - Die Zeit rennt

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Klopf... Klopf... Klopf...

Klopf.. Klopf.. Klopf..

Klopf. Klopf. Klopf.

Ich zuckte zusammen und riss die Augenlider auf. Mein Herz schlug so schnell gegen meine Rippen, dass mein Brustkorb sich in heftigen Bewegungen hob und senkte. Mein Atem war unregelmäßig. Schweiß rannte mir den Rücken herunter.

Mit trockenem Mund wandte ich den Kopf nach links und rechts. Wo war ich? Das Einzige, was ich sah, war Finsternis. Und dann waren da plötzlich diese unheimlichen Schmerzen. Entsetzt stöhnte ich auf und presste die Zähne aufeinander. Mein Kopf dröhnte wie verrückt. Was war mit mir geschehen?

Plötzlich überkam es mich wie ein Blitz.

Die Treppe! Ich war gestürzt.

Mein Magen verkrampfte sich. Der Sensenmann.

Auf einmal fühlte es sich so an, als hätte er erneut die Sense über den Arm gezogen. Ich fröstelte. Wo war ich? Wohin hatte er mich gebracht?

Ich nahm den Geruch von Blut wahr. Ein eiskalter Schauder lief mir über den Rücken, als mir klar wurde, dass es mein eigenes Blut war. Ich musste hier weg. Sofort.

Ich versuchte mich zu bewegen. Irgendetwas behinderte jedoch meine Hände. Meine Finger ertasteten ein Tau. Ich stieß einen entsetzten Schrei aus. Sie waren mir auf dem Rücken verbunden worden.

Panisch versuchte ich mich aus dem Seil zu befreien, das sich mehrmals um meine Handgelenke gewunden hatte. Doch es war viel zu fest. Meine Haut brannte, mein Arm schmerzte noch immer. Der Gestank von Blut wurde heftiger. Ich kniff die Augen zusammen. Wie konnte ich nur in so eine Situation geraten? War ich wirklich so ein schlechter Mensch gewesen?

Ich musste mich beherrschen nicht loszuweinen. Ich versuchte mich zu bewegen. Zentimeter für Zentimeter.

Ich erkannte Umrisse. Der Mondschein bot mir ein wenig Licht. Ich saß auf den hinterem Sitz eines Wagens. Aber es war nicht der schwarze Van. Das wäre auch viel zu auffällig gewesen. Der Sensenmann hatte alles bis auf das kleinste Detail geplant und ich hatte keine Ahnung gehabt. Ich war ihm direkt in die Falle gelaufen.

Zitternd lehnte ich mich an die Scheibe und starrte nach draußen. Ich sah nur dichtes Gestrüpp, Bäume und Tannen. Wo war ich? Im Wald? Wo hatte mich mein Verfolger hingebracht? Wollte er mich hier etwa... loswerden? Bei diesem Gedanken verdoppelte sich mein Puls. Mir wurde schlagartig unglaublich heiß. Die Schmerzen brannten mir wie Feuer auf meiner Seele.

Wo war er? Schaufelte er mir gerade ein Grab? Sollte diese Halloweennacht mein letzter Abend sein? Ich starrte auf den leeren Fahrersitz. Er war zwar nicht hier im Auto, aber ich wusste, dass er ganz in der Nähe war. Ich versuchte mich zu beruhigen, aber ich konnte nicht. Er wollte mich verletzen!

Wieder.

Alle Erinnerungen waren zurück.

Die Wunde.

Alle Erinnerungen waren zurück. Ich wusste, wer mir die Wunde zugefügt hatte. Ich wusste, was sich in jener Partynacht ereignet hatte. Auf einmal war alles so klar wie nie zuvor. Es erfüllte mich mit Entsetzen zu wissen, was wirklich geschehen war.

Die Szenen spielten sich wie ein schlecht gemachter Film immer wieder vor meinem geistigen Auge ab: Jayden hatte mich im betrunkenen Zustand geküsst und obwohl ich mich gewehrt hatte, hatte er nicht aufgehört. Dann war da plötzlich dieser Mann.

Mein Verfolger.

Er hatte Jayden Schmerzen zugefügt und so getan, als würde er mir helfen. Der modrige Geruch von Gebrochenem stieg wieder in meine Nase, als ich daran zurückdachte, wie heftig er mich über seine Schulter geworfen hatte, dass ich mich übergeben musste.

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