Kapitel 15 - Neue Kräfte

8.1K 502 19
                                    

Auch am Mittwoch blieb ich zu Hause und versank in Selbstmitleid. Am Donnerstag sah alles wieder anders aus. Ich schämte mich für meine Schwäche, die ich in den letzten zwei Tagen gezeigt hatte. Ich wollte nicht schwach sein. Also sammelte ich all meine Kraft. Schluss mit dem Selbstmitleid. Der Heulerei. Den negativen Gedanken.

Onkel Harry war äußerst verwundert, als ich morgens voller Energie die letzten Stufen heruntersprang und mich auf den Weg zur Schule machte. Innerlich war ich Josh sogar ein bisschen dankbar. Denn durch seine miese Aktion konnte ich erst wieder neue Kräfte sammeln und eine wichtige Erkenntnis machen. Das hieß aber nicht, dass ich ihm verzieh. Bei meinen Rachegedanken huschte mir ein Lächeln über die Lippen. Der wird es sowas von bereuen sich mit Allyson Parker angelegt zu haben.

Ich hatte genug Zeit zum Nachdenken gehabt, vor allem über die Aufgabe, Moms Unschuld zu beweisen. Die Pläne, die ich mir dazu ausgemalt hatte, waren nahezu perfekt. Jetzt dachten alle noch, dass Mom dieses Verbrechen begangen hatte, aber sobald ich ihre Unschuld bewiesen hatte, würden sie alle wie winselnde Hunde angekrochen kommen und uns um Verzeihung bitten. Mit diesen positiven Gedanken betrat ich das Schulgebäude.

Im Biounterricht steckte ich Meggie heimlich einen Zettel zu. Da sie direkt vor mir saß, stellte das kein Problem dar. Zufrieden ging ich nach Unterrichtsschluss zum Basketballtraining. Dieses Mal machte ich meine Teamkollegen wortwörtlich fertig und gestaltete das Training so hart, das kaum jemand mithalten konnte. Meine Körbe warf ich mit unglaublicher Kraft und Energie. Der Coach war besonders beeindruckt, weshalb er vor versammelter Mannschaft nochmals betonte, dass ich mir meinen Platz als Teamkapitän mehr als verdient hatte.

Nachdem Training schlenderte ich unauffällig zum Hinterausgang der Schule. Ich achtete darauf, dass niemand mich beobachtete. Dies stellte sich als sehr einfach heraus, da sich nur noch die Schüler in der Schule auffanden, die wie ich an irgendwelchen Aktivitäten teilnahmen. Und selbst diese Leute stürmten jetzt nach Hause, um noch die letzten Stunden ihrer Freizeit retten zu können.

Mit Schwung öffnete ich die Tür des Hinterausgangs, wo mich auch schon mein Treffen erwartete. Hastig fiel ich Meggie um den Hals und drückte sie fest an mich.

»Warum warst du die letzten zwei Tage nicht in der Schule? Ich habe mir solche Sorgen gemacht!« Meine beste Freundin löste sich von mir.

»Ich hatte mir etwas Kleines eingefangen. Keine große Sache.«

Meggie musterte mich misstrauisch.

Ich belog meine beste Freundin nicht. Das, was ich da gesagt hatte, diente allein zum Eigenschutz. Meine Tiefphase wollte ich nämlich so schnell wie nur möglich vergessen.

»Konntest du dir denn schon Gedanken machen, wie wir die Unschuld deiner Mutter beweisen?«, fragte sie daraufhin.

Ich nickte eifrig. »Ich habe da so eine Idee, die uns etwas weiterbringen könnte!« Hastig kramte einen Zettel mit Telefonnummern, die ich aus dem örtlichen Telefonbuch herausgeschrieben hatte, aus meiner Tasche.

»Das sind die Nummern von Moms engsten Freundinnen und Kollegen«, erklärte ich ihr, »Wenn wir unter einem falschen Vorwand anrufen, kriegen wir bestimmt etwas Brauchbares raus!«

Die Idee schien mir doch sinnvoll, als ich länger darüber nachgedacht hatte. Irgendwelche wertvollen Informationen musste es doch geben.

Meggie fand meine Idee auch gut. Also tippte ich die erste Nummer in mein Handy ein. Mrs. Cooper war unsere erste Kandidatin. Sie war eine von Moms engsten Freundinnen und hatte sich am Dienstag, dem Tag vor dem Juwelierüberfall, mit Mom zu Kaffee und Kuchen verabredet.

Meine Nummer hielt ich natürlich unterdrückt. Ich wusste schon ganz genau, unter welchem Vorwand ich anrufen würde. Nach drei Mal Piepen wurde abgenommen.

UnderratedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt