Kapitel 2 - Feuer und Flamme

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Wie angewurzelt starrte ich auf die gewaltige Flammenwut, die unser Haus vollkommen verzerrte. Lodernde Arme streckten sich nach allen Wänden aus. Schwere Rauchwolken lagen in der Luft. Alarmgeräusche brannten sich in meinen Schädel und lähmten meinen Körper. Für den Hauch einer Sekunde schien ich in einem Albtraum gefangen zu sein. Der Geruch von verkohltem Holz warf mich zurück in die Realität.

Mit geweiteten Augen betrachtete ich die Feuerwehrautos, die die Straße blockieren. Mehrere Tonnen Wasser strömten aus den Schläuchen und kämpften gegen die heftigen Feuermassen. Aber jede Hilfe kam zu spät. Die Villa, welche sechs Jahre lang mein zu Hause gewesen war, war nicht mehr zu retten.

Tausend Fragen. Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf, der das Geschehene nicht wahrhaben wollte. Angst stieg in mir auf und versetzte jede Faser meines Körpers mit Panik. Von den tausend Fragen, die mich drohten umzuhauen, war nur eine wirklich von Bedeutung. Wo waren Mom und Max?

Schreckliche Bilder überfluteten meinen Kopf. Bilder, die mir Schauder über den Rücken laufen ließen. Bilder, die mir die Kehle zuschnürten.

»Nein, nein, nein«, ein anderes Wort kam mir nicht über die Lippen. Die Hysterie übernahm mich und im nächsten Moment fand ich mich zwischen einer aufgeschreckten Menge von Nachbarn wieder.

Ich kämpfte mich durch die Traube und versuchte zu unserem Haus zu gelangen. Oder zu dem, was davon übrig war.

Ich musste wissen, was mit Mom und Max war. Allein dieser Gedanke war es, der mich auf Beinen hielt.

Eine Hand bekam mich zu fassen, ehe ich eins der Feuerwehrautos erreichen konnte. Ruckartig riss sie mich zurück.

Ich starrte in die dunklen Augen des Polizisten, der mich im Griff hatte. »Was soll das werden, Fräulein?«

Plötzlich war mein Hals ganz trocken. »Ich... meine Mutter... mein Bruder.« Die Worte, die ich hervorbrachte waren zusammenhangslos. Mein Gehirn schaltete auf Durchlauf. Stattdessen spürte ich nur Schmerz. Nadeln gruben sich in mein Herz. Sie stachen zu und ließen mich Höllenqualen durchleben. »Ich wohne hier«, stieß ich hervor und spürte, wie meine Augen zu Brennen begannen.

Die Augen des Polizisten leuchteten auf. Ich sah Mitgefühl. Aber das stellte mich nicht ruhiger, sondern brachte mich nur mehr um meinen Verstand. Mitgefühl war sehr schlecht. Mom und Max musste Furchtbares passiert sein. Mein Herz stand bei diesem Gedanken fast still.

Der hochgewachsene Police Officer drückte mich behutsam zurück. »Keine Sorge«, sprach er, »Dein Bruder war nicht im Haus und deiner Mutter geht es den Umständen entsprechend gut. Sie ist bereits auf den Weg ins Krankenhaus.«

Ich schnappte nach Luft. »Krankenhaus?«

Der blonde Mann musste mich an den Schultern packen, damit ich nicht umfiel. »Ja, Krankenhaus«, bestätigte er meine Frage, »Sie konnte sich zwar rechtzeitig retten, aber der Qualm hat ihr zu schaffen gemacht. Sie hat eine Rauchvergiftung.«

* * *

Immer wieder strich ich mir die feuchten Hände an meiner Hose ab und beobachtete den Polizisten dabei, wie er vor mir in den Dienstwagen stieg. Er hatte sich bereit erklärt, mich ins Krankenhaus zu fahren. Im Angesicht der Tatsache, dass ich bargeldlos war, war das gut. Dass ich überhaupt ins Krankenhaus fahren musste war aber schlecht.

Während der Motor startete, warf ich unserer Villa einen letzten Blick zu. Die Feuerwehr hatte das Feuer zwar gebändigt, aber was zurückgeblieben war, konnte einen nur traurig machen. Angebrannte Dachstege ragten unsicher in den Himmel, die Wände bröckelten auseinander, Rauch und Qualm stiegen aus den zerbrochenen Fenstern.

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