Kapitel 44 - Kleine Notlüge

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Ich stocherte in meinen Nudeln herum, die zwar appetitlich aussahen, aber irgendwie nicht in meinen Mund wollten. Mein Blick wanderte immer wieder zu Onkel Harry, der heute noch kein Wort mit mir gewechselt hatte. Da niemand, nicht einmal Max, etwas sagen wollte, entstand eine unangenehme Stille am Esstisch.

Schließlich überwand ich mich die Stille zu brechen. »Onkel, bist du immer noch sauer?« Ich ließ den Blick auf meinen Teller gesenkt.

Onkel Harry brummte.

Damit begann meine Rechtfertigung, die Routine geworden zu sein schien. »Ich hab echt nichts mit Josh! Wirklich! Ich kann diesen Typen nicht ausstehen! All die Dinge, die er gesagt oder getan hat, waren nur, um dich zu provozieren!«

Onkel Harry schüttelte den Kopf. »Du brauchst du mir nicht jeden Tag dies selbe Lüge zu erzählen«, murmelnd wandte sich wieder seinem Essen zu.

Ich hätte am liebsten geschrien! Wie konnte Onkel Harry nur glauben, dass ich ernsthaft etwas mit Josh am Laufen hatte? Lieber sprang ich vor einen fahrenden Wagen als auch nur daran zu denken, wie es sich anfühlen könnte, Josh zu küssen.

Dann stellte ich die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Seele brannte. »Wieso hasst du Josh denn so sehr?«

Onkel Harry ließ beinahe seine Gabel fallen. Er ballte die Hände zu Fäusten. Erneut hatte ich den Hass in ihm geweckt. Seine Augen leuchteten verachtend auf. »Ich hasse Josh, weil er der Teufel auf Erden ist! Seitdem er eingezogen ist, habe ich keine Ruhe! Ich will nicht, dass meine Nichte mit so einem Kerl zusammen ist. Er wird dir das Herz brechen, Allyson!«

Ich verharrte auf meinem Platz. Also ging es die ganze Zeit darum, dass Josh mich verletzen könnte? Um mein Wohnbefinden.

»Onkel, Josh kann mir nicht das Herz brechen, weil wir wirklich nichts miteinander haben«, versuchte ich ihm ruhig zu erklären, »Wenn ich dir so viel bedeute, musst du mir das doch glauben.«

Er wandte den Blick ab. »Ich will dir ja glauben, aber das, was ich gesehen habe, war eindeutig.«

Erst behaupten, ich wäre stur, aber dann selbst so sein. Ich raufte mir das Haar. Was zum Teufel konnte ich tun, damit Onkel Harry mir endlich glaubte?

Plötzlich klingelte es an der Tür. »Ich geh schon...« Ich erhob mich von meinem Platz.

Irgendetwas in mir erwartete Josh zu sehen, da er immer im ungünstigsten Momenten aufkreuzte, doch es war jemand anderes.

»Jayden!« Meine Miene erhellte sich, als ich ihn vor der Haustür stehen sah.

»Hey«, lächelte er, »Ich wollte dir einen kleinen Besuch abstatten und sehen, wie es dir geht.«

»Ja, klar! Komm rein! Mein Onkel hat bestimmt nichts dagegen!«

Mit diesen Worten kam mir plötzlich eine geniale Idee, um Onkel Harry davon zu überzeugen, dass ich wirklich nichts mit Josh hatte.

Wie eine Verrückte zerrte ich Jayden in die Wohnung. »Jayden!«, flüsterte ich aufgeregt, »Du bist genau perfekt gekommen! Du musst mir helfen!«

Er zog fragend die Augenbrauen zusammen.

Ich schloss die Tür und legte mich dagegen. Ich atmete tief ein. »Du musst vor meinem Onkel so tun, als wärst du mein Freund!«

Wenn es einen Weg gab, um Onkel Harry davon zu überzeugen, dass ich nichts mit Joshs hatte, dann war es dieser hier.

Jayden starrte mich so an, als hätte ich gerade das Dümmste auf Erden gesagt. »Nicht, dass ich etwas dagegen habe, aber wieso das denn?« Ratlosigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben.

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