Kapitel 53 - Die Halloweenparty

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Entschlossen schnappte ich mir mein Handy und ließ es in die kleine Seitentasche gleiten, die sich im Saum des Kleides versteckt hielt. Ich griff zu meiner Einladung und stolzierte die Treppen herunter.

Bevor ich die letzte Stufe erreichen konnte, sprang mir ein kleiner Pirat entgegen. »Aargh!«, schrie Max und fletschte die Zähne. In seiner Hand hielt er ein Plastikschwert, mit dem er hektisch in der Luft herumwedelte.

Ich musste mir ein Lachen verkneifen, als hinter ihm Onkel Harry zum Vorschein, der ebenfalls ein Piratenkostüm trug. Sein rechtes Auge zierte eine Augenklappe. Bei Max sah das Kostüm unglaublich süß aus. Seine blauen Augen strahlten nur so. Aber Onkel Harry sah in dem Aufzug irgendwie gruselig aus. Eigentlich perfekt zu Halloween.

Ich prustete los. Onkel Harry erhob genauso wie Max sein Schwert gegen mich. »Was gibt es da zu Lachen, Weib?«, fragte er und funkelte mich mit böser Miene an.

»Oh, mein Gott«, brachte ich hervor und hielt mir den Bauch. Im nächstem Moment fing auch Onkel Harry an zu lachen.

Max begann aufgeregt herumzuhüpfen. »Wann geht es endlich los?«, fragte er und zeigte mir seinen Süßigkeiteneimer, der noch leer war.

Ich sah auf die Uhr. 21:23 Uhr. Onkel Harry hatte Max bis jetzt zurückgehalten, da ich ihn gebeten hatte, mich bis zum Haus der McAllens zu begleiten. Denn ich hatte vor einen kleinen Umweg zu nehmen, um sicher stellen zu können, dass niemand mich sah. Ich brauchte nicht einmal eine Ausrede. Onkel Harry hatte sogar darauf bestanden zu warten, bis ich los müsste und mich dann zusammen mit Max zu begleiten.

Wir nahmen den Hinterausgang des Hauses und gingen dann durch das Gartentor, welches direkt in den Wald führte.

Ich sah mich um und achtete besonders auf Joshs Haus. Alle Lichter waren aus. Er war nicht zu Hause. Die Luft war rein.

Hastig schloss ich das Tor hinter mir und ging weiter. Für die letzte Oktobernacht war es recht angenehm. Der Vollmond und die hell strahlenden Sterne erfüllten den Nachthimmel. Wir folgten einem abgetretenem Waldpfad. Max lief aufgeregt an der Spitze und hopste die ganze Zeit herum. Er konnte es kaum erwarten mit Onkel Harry auf Süßigkeitenjagd zu gehen.

Plötzlich vibrierte wieder mein Handy. Ich zog es aus der Seitentasche.

Jayden. Schon wieder.

Dieses Mal war es ein Anruf. Langsam ging er mir auf die Nerven. Ich hatte ihm doch gesagt, dass ich Zeit zum Nachdenken brauchte. Warum verstand er das nicht?

Ich drückte den Anruf weg.

»Läuft's mit Jayden nicht gut?«, wollte Onkel Harry auf einmal wissen.

Ich lies mein Handy wieder in die Seitentasche rutschen und sah ihn durch meine Maske hindurch an. Seine Miene wirkte etwas besorgt. Er dachte ja immer noch, dass ich mit Jayden zusammen war.

»Nein«, murrte ich, »Momentan läuft so Einiges schief.«

Onkel Harry nickte. Er wusste, dass die Sache mit meinem Vater mich belastete. Besonders Nachts, wenn ich von diesen verfluchten Albträume gequält wurde.

»Bitte versprich mir, dass du dich heute ablenkst und mal so richtig Party machst, ja?«, bat er mich mit einem aufmunternden Grinsen, »Aber nicht zu viel Alkohol!«

Ich lachte verbittert auf. Das letzte Mal, als ich Alkohol getrunken hatte, war mein Bauch plötzlich von einer Wunde gekennzeichnet und ich hatte den totalen Filmriss. Die Erinnerungen waren immer noch nicht zurück, was mich wahnsinnig machte. Eins stand für mich klar: Nie wieder auch nur einen Schluck Alkohol!

Nach fünfzehn Minuten erreichten wir die Downing Street. Überall liefen lauter kleiner Schreckgestalten herum und klingelten an den Haustüren von Häusern, die mit gruseliger Dekoration verziert waren. Schnell verabschiedete ich mich von Onkel Harry und Max und lief die Straße weiter herunter.

Downing Street 13. Genau diese Hausnummer suchte ich.

19.

Ich begegnete zwei Geistern, die mich interessiert musterten.

17.

Eine Zombiegestalt bewegte sich auf mich zu.

15.

Ein Kind im Zauberergewand bewunderte mein Kostüm.

13.

Ich blieb stehen und starrte auf die Villa, die sich vor mir erstreckte. Mir blieb vor Begeisterung die Luft weg. Das ganze Haus ist dekoriert worden. Überall hingen Girlanden und Lichterketten, die das Haus in ein mysteriöses Leuchten tauchten. Der Eingang war der Hingucker ohnehin. Auf den Stufen standen unzählige Kürbisse mit eingeschnittenen Fratzen. Die Tür zierten Spinnweben.

Leise Musik drang von drinnen nach draußen. Im Vorgarten standen ebenfalls verkleidete Jugendliche, die die Villa mit derselben Vorfreude musterten. Anscheinend wurde bis vor zehn Uhr niemand reingelassen. Ich sah auf mein Handy. Noch acht Minuten.

Ich stellte mich zu einer Gruppe Geister und sah mich weiter um. Manche hatten sich mit ihren Kostümen echt viel Mühe gegeben, andere hingegen schienen nicht besonders einfallsreich gewesen zu sein. Neben gruseligen Vampiren, Hexen, Werwölfen, Zombies und Mumien gab es auch weniger gruselige Gestalten wie Feen, Meerjungfrauen, Prinzessinnen, Cowboys und Superhelden.

Mich beruhigte es, dass ich nicht die Einzige war, die man in ihrem Kostüm nicht erkannte. Bei vielen stellte ich mir echt die Frage, wer sich hinter dieser Maske versteckte. Insgesamt waren exakt hundert Leute aus ganz Brulestown eingeladen. Es wäre also nicht ganz uninteressant zu wissen, wer alles eingeladen war.

Plötzlich sah ich eine schwarze Ritterrüstung in der Menge aufblitzen. Ich stockte.

Jayden.

Den Sichtschutz an seinem Helm hatte er hochgeklappt. Man sah ihm deutlich an, dass er nach jemandem suchte. Dass er nach mir suchte.

Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Ich sah woanders hin. Ich fühlte mich schlecht dafür, dass ich ihm nicht auf seine Nachrichten antwortete und ihn ignorierte. Aber es musste sein. Ich konnte heute sowieso nicht mit ihm sprechen. Jayden trug das Kostüm vom letzten Jahr und war in der Schule der einzige Mensch, der noch mit mir sprach. Vielleicht würden die Leute dann erraten können, dass ich hinter dieser Maske steckte. Ich wollte auf keinen Fall riskieren aufzufliegen.

Die Tür der alten McAllen-Villa öffnete sich. Ein Mann mit schwarzem Anzug trat heraus. Sofort bildete sich eine Schlange, die bis zur Straße ging. Der Türsteher nahm die ersten Einladungen an.

Ich beobachtete Jayden unauffällig. Er stand ein paar Meter vor mir in der Schlange stand und sah sich um.

Ich biss mir auf die Lippe. Wieder hatte ich unheimliche Schuldgefühle.

Nach ein paar Minuten musste ich meine Einladung vorzeigen. Der Türsteher gab mir ein rotes Band, welches ich mir um das Handgelenk legen musste. Erst dann durfte ich die Villa betreten. Ich war fasziniert, wie viel Wert darauf gelegt wurde, dass wirklich nur die reinkamen, die auch eingeladen worden sind. Man fühlte sich irgendwie besonders. Kein Wunder, dass Meggie mich letztes Jahr so vollgeschwärmt hat. Ich fragte mich, ob der edle Ritter sie dieses Jahr erneut eingeladen hatte?

Als erstes fiel mir die gigantische Tanzfläche und die Bühne auf. Überall standen Kürbisse oder Skelette an den dunklen Wänden. Spinnweben hingen von der Decke herab. In der Küche standen alle möglichen Getränke und Snacks bereit. Laute Partymusik erfüllte das ganze Haus.

Neben Kuschelecken und Nischen zum Sitzen, gab es sogar ein Zelt, in dem man sich die Zukunft hervorsagen lassen konnte. Der edle Ritter hatte wirklich eine Wahrsagerin engagiert. Ich nickte schwer begeistert. Das nannte ich mal eine Halloweenparty. Alles war perfekt dekoriert.

Ich war nicht die Einzige, die so dachte. Alle waren begeistert. Kein Wunder, dass jeder wissen wollte, wer sich hinter der Rüstung des edlen Ritters versteckte.

Apropos edler Ritter. Wo steckte der überhaupt? Ich sah mich interessiert um. Doch ehe ich richtig suchen konnte, ging plötzlich das Licht aus.

Die Musik verstummte.

Unruhe machte sich breit.

Was war denn jetzt los?

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