72|Pisslauer Kaffee

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Clive P.o.V.

"Was machst du jetzt?", fragt mich Stan und sieht mich von der Seite an. Ich zucke nur mit den Schultern.
"Ihn ignorieren. Er wollte doch nie mehr als eine Nacht. Die hat er ja jetzt bekommen und damit scheint die Sache gegessen zu sein."

Ich kaue auf meiner Unterlippe rum und muss noch einmal schlucken als ich ein weiteres Mal höre, wie die Wahrheit aussieht.
"Willst du noch eine Weile hier bleiben?"
"Klar. Ich habe heute noch nicht mal was gegessen oder meinen Kaffee... Wird langsam Zeit oder nicht?", frage ich und versuche zu grinsen. Leider bleibt es nur bei dem Versuch.

"Okay, ich mache dir jetzt deinen geliebten Kaffee und bis dahin wirst du dich mal wieder zusammen reißen, deinen süßen Arsch zusammen kneifen und wieder die selbe Verrückte werden, die normalerweise ankommt und jedem so dermaßen in die Fresse scheißt, dass sich niemand mehr an sie ran traut.", kommandiert Stan und steht verkrüppelt auf.

Mein Gehirn schaltet nun doch endlich um und ich grinse meinen Freund an.
"Na dann... wehe du verschüttest auch nur einen Tropfen Kaffee. Und wenn der Typ mit der Kaffeekanne die Tasse nicht bis oben hin füllt, ruf mich an und ich komme mit deinen Schuhen an um einen extra großen Fußabdruck im Arsch der Kaffeetante hinterlassen zu können."

"Das ist mein Mädchen", lacht Stan begeistert und verschwindet nach einem kleinen Augenzwinkern hinter der grauen Tür. Hatschi klettert zwischen den weichen Kissen hin und her und kugelt durch die Gegend, was mich zum Grinsen bringt und ich dem Wuschel durch das Fell streiche.

"Du hast es gut meine Kleine", murmel ich und lächle leicht. Im nächsten Moment werde ich durch ein lautes Klingeln verschreckt, was sich im Nachhinein als mein Handyklingelton entpuppt. Ich hole es ein weiteres Mal aus meiner Tasche und schaue auf das Display. Mit großen Buchstaben steht dort MUM.

Ich runzel verwirrt die Stirn und zögere einen Moment, bevor ich dann doch den grünen Button zur Seite schiebe und den Anruf entgegen nehme.
"Mum?"
"Schatz? Wo bist du denn? Dein Vater und ich warten beim Direktor", kommt sofort die tadelnde Stimme meiner Mutter durch die Leitung. Ich verziehe verwirrt mein Gesicht.
"Was macht ihr denn auf dem Internat? Seid ihr gar nicht in Italien bei der Gala?"
"Ach Schätzchen, die war doch schon am Mittwoch gewesen"

"Natürlich, weil konnte ich so etwas wichtiges nur vergessen?", entgegne ich sarkastisch und verdrehe die Augen.
"Nicht in diesem Ton Fräulein. Wir haben dich auf das Internat gesteckt, damit du Manieren lernst und nicht, damit du dir einen noch schärferen Ton aneignest!"
Wahrscheinlich hat sich meine Mum versprochen, denn in das Internat gesteckt ist etwas anderes, als wenn man dorthin abgeschoben wird, so wie es bei mir der Fall ist.

"Was macht ihr denn jetzt im Internat?", frage ich und versuche den genervten Unterton zu vermeiden.
"Wir warten. Habe ich doch bereits gesagt. Das ist auch der Grund, wieso du schleunigst her kommen solltest."
"Okay... ich ehm... Ich komme.", murmel ich verwirrt und rappel mich mühsam auf.
"Okay Schatz, bis gleich. Beeile dich aber, ich muss noch einiges erledigen!", kommandiert mich das Muttertier und legt im nächsten Moment auf.

Ich stecke das Handy wieder zurück und sehe Hatschi an.
"Ich muss leider los du Scheißer. Ärger Staniboo nicht zu sehr.", grinse ich und drücke der Wurst einen Kuss zwischen die Ohren. Hatschi quietscht nur vergnügt und wedelt mit den Schwänzchen, dann lässt sich die Kleine in die Kissen fallen.

Ich lächle noch, stehe ganz auf und gehe den selben Weg zur grauen Tür, wie Stan. Ich trete auf den Gang und werfe Hatschi noch einen letzten Blick zu, bevor ich die Tür schließe und los gehe. Als ich am Empfang ankomme renne ich fast mit einer Person zusammen, die lauthals flucht und mich im nächsten Moment ankeift.

"Wenn dieser verdammte Kaffee verschüttet wird, werde ich geköpft, was bedeutet, dass kein Tröpfchen verloren gehen darf!"

Amüsiert sehe ich den unwissenden Stan an, der sich weiter aufregt und in Rage schimpft. Dabei bemerkt er nicht, dass ich die Kaffeebedürftige bin. Kurzerhand schnappe ich die Tasse aus Stans Hand und schlürfe ein wenig an dem heißen Getränk. Zumindest sollte es heiß sein, allerdings scheint der Kaffee im Kühlschrank gelagert worden zu sein.

Stan sieht mich geschockt an und scheint erst nach zehn Sekunden zu merken, wer ich bin, denn sein Blick wird noch verwirrter.
"Was... du hier? Ich dachte du bist oben-"
"Meine Mum hat mich angerufen. Sie ist mit Dad im Internat beim Direx. Keine Ahnung, was sie dort wollen, aber ich soll schleunigst meinen Arsch rüber schwingen.", erkläre ich knapp und drücke ihm die Tasse wieder in die Hand.

"Ich hatte keinen Es Kaffee bestellt. Wenn du nochmal versuchst, mich mit Kaffee zu vergiften, der so kalt ist wie Pisse, dann vergrabe ich dich! Hab dich lieb"
Ich drücke ihm noch einen Kuss auf die Wange und winke ihm zu, während ich schon die Tür in Angriff nehme.

"Wenn was ist, ich bin immer für dich da", ruft Stan mir noch nach und schiebt somit ein Lächeln auf meine Lippen. Ich überlege einen Moment wie ich zurück zum Internat komme, da mein Orientierungssinn ja nicht wirklich ausgeprägt ist. Nach ein paar Minuten des Nachdenkens ergreife ich meine einzige Möglichkeit, die besteht, ohne dass ich extra einen Fremden ansprechen muss. Mein Handy.

Und da sagen immer alle, man sollte unabhängiger vom Handy leben... Da würde ich schon zehnmal umfallen wegen meiner Unfähigkeit.

Ich gebe schnell die Adresse in die Such-Leiste ein und schon spuckt das Ding mir den Weg aus, den ich, nachdem ich erstmal meine aktuelle Lage gecheckt habe, haargenau so lang laufe, wie mir gesagt wird. Zum Schluss komme ich am Tor des Internats an, merke aber ziemlich schnell, dass eine halbe Stunde Laufzeit ziemlich lange war und ich somit zum Ergebnis komme, dass ich wahrscheinlich den größten Umweg gelaufen bin, den man überhaupt gehen kann.

Ich sehe das Gebäude misstrauisch an und habe nicht mal ansatzweise Lust da wieder rein zu gehen, denn die Gefahr, dass ich entdeckt werde, besonders von einigen Personen, die ich im Moment nicht sehen will, ist da drin zu groß. Trotzdem habe ich keine andere Wahl, denn meine Eltern werden ganz sicher nicht hier draußen auf mich warten oder mit mir reden wollen.

Noch einmal tief einatmen und dann geht es wieder ab in die Hölle, allerdings besteht dieses Mal weniger die Möglichkeit über einen Stein zu fliegen, denn mein Blick ist stur auf den Boden gerichtet. Ich will vermeiden, dass man mich sofort erkennt und alle sofort nach Adam schreien. jetzt kann ich verstehen, wie sich Promis vergeblich versuchen zu schützen und es doch nicht klappt.

Natürlich folgen einige Deppen jeder meiner Bewegungen und ich warte nur auf den Moment, bis einer vor mich springt und mich nach einem Autogramm fragt. Hat es sich etwa rum gesprochen, wie die Wahrheit aussieht? Oder wieso starren schon wieder alle so behindert?

Ich gehe weiter bis ins Innere des Gebäudes. Heute haben sich wohl alle gedacht: 'Heute geh ich nur draußen Leuten auf den Sack und versuche meine Spanner Kräfte zu perfektionieren und jeden Idioten aus zu lachen, der sich auf die Fresse legt.' Anstatt sich in den Fluren zu positionieren und allen Fremden den Anschein geben, dass es hier nur so von Pennern wimmelt.

Ich laufe schnell weiter Richtung Sekretariat. Zum Glück ist wenigstens etwas in dem Internat ausgeschildert, sodass ich eine faire Chance habe, den Raum zu finden.

Ich blicke kurz auf und sehe schon die alte Holztür m Ende des Ganges, doch bevor ich ankommen kann und mir sicher sein kann, dass mir kein verlogener Kotzbrocken über den Weg läuft, stellt sich jemand vor mich hin. Dass ich allerdings keine im Moment benötigte Notbremse habe, scheint der Idiot nicht bedacht zu haben, denn anstatt stehen zu bleiben, rase ich direkt gegen die Brust des, anscheinend männlichen Wesens.

"Ist es normal hier, dass man andauernd in die Situation kommt, gegen andere Leute zu rennen? Oder sind hier bestimmte Menschen einfach nur zu blöd um mich zu sehen?"

"Clive ich-"

Irgendwo zwischen Liebe und HassWhere stories live. Discover now