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Alasdair, alles gut bei dir?", schrie mir James zu. Einer der Möchtegernvampire aus der Kneipe hatte mich erwischt und ich blutete stark. Mit schmerzverzerrtem Gesicht presste ich ein kurzes „Ja" heraus.

Ich schleppte mich schwerfällig zu den Anderen und zog mein verletztes Bein hinter mir her.

Kommst du klar?", wollte er wissen. Er starrte mich ängstlich an, denn er war noch neu bei den Kultisten und war an so etwas nicht gewöhnt. Ich nickte ein weiteres Mal.

Brauchst du Hilfe?", fragte er schon wieder und ich verdrehte genervt meine Augen. Konnte er denn nicht sehen, dass ich einfach nur in Ruhe gelassen werden wollte? Es war schon schwer genug, mit den ganzen Verletzungen klar zu kommen, da brauchte ich sein dummes Geschwätz einfach nicht.

Und auch durch den ganzen Blutverlust spürte ich, wie ich langsam aber sicher Hunger bekam, meine Selbstbeherrschung konnte ich gerade noch so aufrecht erhalten. Denn auch die anderen Jäger waren verletzt und ihr Blut hing in der Luft.

Geht schon vor, ich komme dann nach!", sagte ich entschlossen. James wollte protestieren, doch die Anderen zogen ihn mit sich, sodass ich endlich meine Ruhe hatte.

Kurz atmete ich tief durch, bevor ich mich meinem Bein widmete. Ich entfernte vorsichtig die zerrissene Hose von meiner Haut und inspizierte die Wunde. Es steckten einige Glassplitter darin, die ich mit einem kurzen Ruck heraus zog. Es begann zu bluten, doch das war mir egal, es würde eh verheilen, sobald ich etwas Blut zu mir genommen hatte.

Blut, das war so eine Sache. Klar brauchte ich es zum Überleben, trotzdem sträubte sich etwas in mir. Ich war keine Bestie, ich durfte dieser Lust einfach nicht nachgeben. Zumal ich dann, durch meine Eigenschaften als Gestaltwandler, auffallen würde und zum anderen konnte ich es einfach nicht ertragen, das Gesicht meines Opfers ständig vor mir zu sehen.

Ich war eine Weile so da gesessen und hatte etwas nachgedacht, als meine Hände plötzlich zu zittern begannen. Meine Atmung ging flach und kalter Schweiß trat mir aus den Poren.

Verfluchter Mist", murmelte ich leise vor mich hin. Diese Zeichen kannte ich nur zu gut. Ich brauchte Blut und zwar dringend. Schnell blickte ich mich nach etwas Brauchbarem um, da fiel mein Blick auf die Kneipe, die wir gesäubert hatten. Vielleicht gab es ja dort irgendetwas, das mir half.

Mit letzter Kraft schleppte ich mich durch die Tür und wieder durchzuckte mich ein kalter Schauer. Der Anblick, den mir die Kneipe bot, war schrecklich und das hatten alles wir angerichtet. Es waren keine Vampire gewesen, das hätten wir gemerkt. Doch die meisten Menschen, die dort gewesen waren, waren vollgepumpt mit diesem Serum, welches sie selbst zu Monstern gemacht hatte. Ich hatte ein ziemlich schlechtes Gewissen, immerhin wollte ich nie Unschuldige töten, doch sie hatten es geradezu herausgefordert...

Plötzlich lag Blutgeruch in der Luft und das Serum, das man riechen konnte, war nicht dabei. Mein Hunger übernahm meinen Körper und ohne darüber nachzudenken stürmte ich auf die Ursache zu.

Jedoch war alles was ich vorfand, nur eine dunkelrote Pfütze auf dem Boden.

Schnell blickte ich mich um, das Blut war noch nicht getrocknet, also konnte dessen Besitzer noch nicht so weit entfernt sein. Doch ich konnte ihn nicht entdecken und meine Kraft würde auch nicht mehr ausreichen um ihn zu suchen.


Frustriert stöhnte ich auf. Meine Knie gaben nach und ich sank zu Boden. Mit letzter Kraft und zitternden Händen stützte ich mich ab, um nicht auch noch mit dem Kopf auf den Boden zu fallen.

Ich spürte, wie die noch warme Flüssigkeit meine Finger benetzte. Sofort führte ich sie zu meinen Lippen und leckte den köstlichen Saft ab. Das übliche Gefühl überkam mich, ich dachte nur noch an meinen Hunger. Es war mir egal, dass ich mich wie ein Tier verhielt, das unbedingt etwas zu fressen haben musste, deshalb senkte ich meinen Kopf und leckte den Lebenssaft vom Boden auf. Es musste wohl sehr unwürdig ausgesehen haben, doch in diesem Moment zählte für mich nur noch eines: Überleben. Ich ignorierte sogar die Tatsache, dass ich mich dieses Mal gar nicht in mein Opfer verwandelt hatte. Vielleicht lag es daran, dass ich es gar nicht getötet hatte?

Nach ein paar Minuten spürte ich, wie ich langsam wieder zu Kräften kam, doch ich wollte mehr. Mein Hunger war noch nicht gestillt. Schnell rappelte ich mich auf und folgte den Blutstropfen auf dem Boden, diese führten nach draußen auf den Parkplatz und verschwanden dann im Nichts.

Wahrscheinlich war der verletzte Mensch in ein Auto gestiegen und zum nächsten Arzt gefahren. Fluchend drehte ich mich um und begab mich ein weiteres Mal in die Kneipe. Doch dort fand ich nur noch verseuchtes Blut vor. Ich wollte es nicht riskieren davon zu trinken, denn wer wusste schon, was es mit meinem Körper anstellen würde.

Nachdem ich meinen Blick ein letztes Mal schweifen ließ und ein paar Phiolen des Serums eingepackt hatte, entschloss ich mich dazu, mich nach einer anderen Möglichkeit umzuschauen. Allerdings war ich inzwischen wieder so klar im Kopf, dass ich mir schwor, keine Menschen anzufallen ...

Lillith (im Moment pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt