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Sie war weg! Einfach verschwunden, wo konnte sie nur hin sein? Im Gebäude, das inzwischen lichterloh brannte, war sie nicht mehr. Erst als die Sirenen ertönten, gaben wir die Suche auf. Immerhin durften sie uns nicht erwischen, weil wir das Feuer gelegt hatten. Plötzlich entdeckte ich die leichte Blutspur, die in den Wald führte.

Teilt euch auf, sucht die Straßen ab. Ich nehme den Wald!", schrie ich meinen Männern zu und schon schwärmten sie aus. Jeder von ihnen hatte die Kutte über das Gesicht gezogen und der Rauch vernebelte noch immer die Straßen.

Ich wollte nicht, dass sie das Mädchen fanden, denn ich wollte sie unbedingt zuerst für mich haben. Außerdem wollte ich, dass sie nicht noch mehr Verletzungen erleiden musste. Immerhin hatte sie etwas Besonderes an sich und ich musste unbedingt herausfinden, was es war.

Die Spur führte tief in den Wald und wurde immer stärker. Es war mir wirklich ein Rätsel, wie sie es so weit schaffen konnte, ohne vorher zu kollabieren. Jeder normale Vampir und auch Mensch wäre bei dieser Menge sofort in Ohnmacht gefallen und die Tatsache, dass James seine Pfähle grundsätzlich immer mit Knoblauch einrieb, machte es noch beeindruckender.

Nach einer Weile hatte ich sie endlich gefunden. Sie lag an einen Baum gelehnt und hatte die Augen geschlossen, sie atmete nicht mehr, jedoch ließ mich das Gefühl nicht los, dass sie noch lebte.

Ich legte ihre Hände in Fesseln, sodass sie sich nicht wehren konnte, falls sie aufwachte, bevor wir angekommen waren. Sanft, so als wäre sie zerbrechlich, hob ich sie auf meine Arme. Ihre Wunde blutete immer noch leicht und ich machte mir etwas Sorgen um sie. Dieser Blutverlust war nicht gut und ich hoffte, sie starb mir nicht weg, bevor ich sie befragen konnte.

Im Gebäude angekommen, umschwärmten mich sofort die Kultisten und nahmen sie mir ab.

Bringt sie ins Verlies", gab ich die Anweisung und ging mich duschen und umziehen, denn auch an meiner Kleidung klebte Blut.

Danach ging ich in das Überwachungszimmer. Dort waren viele Bildschirme, die die Gänge und auch die Verliese zeigten. Ich stellte die Kamera in Verlies neun so ein, dass sie genau auf Lillith zeigte, sodass ich auch wirklich mitbekam, wenn sie aufwachte.

Nach ein paar Stunden war es dann so weit. Sie bewegte sich leicht und ich beeilte mich, zu ihr zu kommen.

Guten Morgen, Sonnenschein!", schnurrte ich, als sie endlich die Augen aufschlug. Sofort riss sie vor Schreck die Augen auf und versuchte etwas nach hinten zu rücken, doch das klappte nicht, denn sie war am Stuhl gefesselt.

Sanft strich ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Ich wollte ihr nicht wehtun und das sollte sie merken.

Keine Angst, ich werde dir nichts tun, solange du tust, was ich von dir verlange", versuchte ich ihr zu erklären, aber sie kniff nur die Augen zusammen.

Ha! Wieso sollte ich so einem wie dir vertrauen. Du bist ein Vampir und hast tausende von uns getötet!", zischte sie und sah mich verachtend an.

Nun, das hat andere Gründe, die du nicht verstehen wirst. Ich möchte nur, dass du mir ein paar Fragen beantwortest." Meine Stimme war immer noch sanft.

Darauf kannst du lange warten!", schrie sie und spuckte mir ins Gesicht. Ich wischte die Spucke mit der Hand weg und danach war es mit meiner Sanftheit auch vorbei. Sie wollte die harte Tour, die konnte sie haben. Schnell drehte ich mich zu meiner Ledertasche um und suchte darin nach einem Fläschchen Knoblauchessenz und einer Spritze. Langsam zog ich die milchige Flüssigkeit in die Spritze und klopfte ein paar Mal mit dem Zeigefinger auf das Glas, damit die Luftbläschen verschwanden.

Hast du deine Meinung geändert?", fragte ich ein letztes Mal sanft und zwang mir ein falsches Lächeln auf die Lippen.

Niemals würde ich einem Verräter wie dir etwas sagen!", sagte sie und schüttelte stur den Kopf.

Mit etwas Gewalt packte ich ihren Kopf, sodass mir der Weg freigelegt wurde zu ihrer Halsschlagader. Mit einer Bewegung wischte ich ihre Haare nach hinten und setzte die Spritze an.

Letzte Chance", flüsterte ich ihr ins Ohr und sah, wie sich ihre Härchen leicht aufstellten.

Sie sagte nichts und blickte stur auf einen Punkt am Boden. Ich führte die Nadel in ihre Haut ein und drückte die Flüssigkeit hinein.

Allein schon bei dem Anblick spürte ich die Schmerzen auch selbst. Ich wusste genau, wie sich die brennende Flüssigkeit in den Adern anfühlte und dass es fast unerträglich war.

Allerdings, und das wunderte mich, verzog sie keine Miene. Sie ertrug die Qualen ohne einen Laut von sich zu geben. Ungläubig starrte ich sie an.

Änderst du deine Meinung?", fragte ich sie ein weiteres Mal und wieder dieses dumme Kopfschütteln. Sie war stur. Das gefiel mir und in mir wuchs der Wunsch, sie an ihre Grenzen zu bringen. Sie winselnd vor mir zu sehen.

Mit einem sicheren Griff holte ich den Dolch aus meinem Gürtel und zog mir dann Handschuhe an.

Ich öffnete ein weiteres Fläschchen mit der milchigen Flüssigkeit und strich die Klinge damit ein, bevor ich ihn an ihr Fleisch setzte.

Fick dich!", fluchte sie. Sanft hielt ich ihr einen Finger an die Lippen.

Na, na, wer wird denn fluchen!", flüsterte ich, „Wenn du deine Meinung änderst, höre ich sofort auf. Ich will nur von dir wissen, wer dich verwandelt hat und warum du nicht gestorben bist."

Wieder strich ich ihr sanft über die Haare, eigentlich wollte ich ja gar nicht so grob zu ihr sein und ihren perfekten Körper so verletzen. Sie sollte mir nur die Fragen beantworten und sie wäre frei. Irgendwie würde ich es schaffen, sie hier herauszubekommen.

Diese Gefühle in mir waren wirklich komisch. Ich fühlte mich irgendwie verbunden mit ihr. Das hatte ich schon seit Jahren nicht mehr gehabt. Ich wollte sie doch nur beschützen und doch konnte ich es nicht, wenn sie nicht mitarbeitete.

Auch nach einem etwas längeren Augenblick antwortete sie nicht, sodass ich mit schweren Herzens die Schneide ein weiteres Mal ansetzte und dieses Mal wirklich in ihr Fleisch schnitt.

Sofort zuckte sie zusammen, doch sie zeigte keine Schwäche. Ich war wirklich erstaunt. Die Schmerzen mussten inzwischen unerträglich sein. Mir tat das im Herzen weh, das mitanzusehen.

Doch ich brauchte diese Antworten und wenn sie sie mir nicht freiwillig geben wollte, dann musste ich es mit Gewalt aus ihr herausbringen.

Ich hob ihren Kopf an und stellte mich rittlings über sie.

Lillith ...", sagte ich und mein Herz zog sich bei ihrem Anblick schmerzhaft zusammen. Sanft wischte ich ihr die Tränen aus den Augen. Sie starrte mich nur an. Spürte sie denn nicht, dass uns etwas verband?

Die beiden Fragen, mehr will ich nicht!", murmelte ich. Mein Blick fiel auf ihre Lippen, die leicht geöffnet waren.

Ich kann sie dir nicht beantworten", ihre Stimme war nur ein leises Wispern. Kurz seufzte ich auf.

Wieso?", hakte ich nach, doch wieder schüttelte sie nur den Kopf. Plötzlich ließ sie ihren Tränen freien Lauf und ich musste mich wirklich zusammenreißen, sie nicht in die Arme zu nehmen und zu trösten.

Nur die verdammten Fragen, Lillith!", sagte ich mit etwas Nachdruck in der Stimme und drehte mich abrupt um, denn ich brauchte etwas Abstand zu ihr. Ich atmete kurz tief ein und aus. Ein paar Sekunden später hatte ich meine Gefühle wieder unter Kontrolle und ging zu ihr.

Auch sie hatte sich soweit wieder im Griff. Nur die verräterischen nassen Spuren auf ihren Wangen zeigten, was zuvor geschehen war.

Ich frage dich ein letztes Mal!", drohte ich ihr, doch plötzlich wurde sie ganz weiß im Gesicht und zitterte am ganzen Körper, bevor sie sich geräuschvoll übergab.

Wahrscheinlich war es doch etwas zu viel für sie gewesen ...

Lillith (im Moment pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt