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Die Stadt war in den letzten Jahrhunderten um einiges gewachsen. An Stelle der mir bekannten Kutschen waren neue Kutschen getreten. Autos nannten die Menschen diese. Laute, monströse Teile, die die Luft verpesteten und höllischen Lärm verursachten. Selbst nach ein paar Tagen, verstand ich noch nicht so recht, wie diese ohne Pferde funktionieren sollten. Doch ich durfte mich nicht abschrecken lassen, ich musste dieses göttliche Geschöpf finden. Sie wollte mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Ihr Geruch hing mir in der Nase und meine Sinne täuschten mich. Ständig hatte ich das Gefühl, dass sie gleich um die nächste Ecke biegen und ich sie wiedersehen würde. Ich sah sie vor mir, wie ihre langen, roten Haare im Wind tanzten, um sich dann auf ihrer Schulter niederzulegen ... Was hatte sie nur an sich, dass sie mich so sehr faszinierte?

Völlig in meinen Gedanken versunken, bemerkte ich gar nicht, wie die Sonne bereits untergegangen war. Auf dem Friedhof, der Gruft, die ich als vorläufiges Versteck auserkoren hatte, lag die Dunkelheit bereits. Schnell sprang ich auf, schnappte mir meine Waffen und legte meine Kette um den Hals, man wusste ja nie, was passieren würde. Wieder einmal verfluchte ich das, was ich war. Es wäre so viel einfacher, wenn ich selbst bei Tageslicht raus könnte. Doch nein, das war Vampiren dritten Ranges verwehrt.

Ich ging, wie so oft in den letzten Tagen, wieder in die Stadt. Die elektronischen Kerzen, brannten bereits und tauchten die Straßen in orangenes Licht. Schnell zog ich meine Kapuze tiefer, so dass es das Gesicht meines letzten Opfers verdeckte. Ich durfte es nicht riskieren aufzufallen. Viel zu groß, wäre die Chance, dass die Menschen Angst vor mir bekämen. Zum Glück hatte ich meinen Blutdurst soweit unter Kontrolle, dass ich keinen Unschuldigen mehr anfallen würde. Ich würde mich umbringen, würde es wieder passieren. Lieber ging ich in den Wald und trank dort Tierblut, was, bei aller Liebe, nicht sehr gut schmeckte.

Ich hoffte inständig, dass dieses elendige Versteckspiel bald zu Ende sein würde, ich konnte es nicht mehr ertragen, nicht Ich selbst zu sein. Jedes Mal, wenn ich mich irgendwo spiegelte, hasste ich mich ein kleines Stückchen mehr. Die Lust, mich selbst zu bestrafen wuchs und ich war fast versucht, mir ein Messer in mein Herz zu rammen.

Mich wunderte es eh, dass die Menschen keine Angst hatten. Sie liefen unbeschwert durch die Stadt und sahen sich nicht einmal nach dem, der hinter ihnen ging, um. Wahrscheinlich hatten sie noch nie etwas von dem gehört, was sich in der Dunkelheit verbarg. Auch wenn die meisten Vampire damals ausgelöscht worden waren, war ich mir sicher, dass es einige überlebt hatten. So wie auch ich.

Inzwischen hatte es angefangen in Strömen zu regnen und der Gang der Menschen verschnellerte sich, auf der Flucht vor dem Nass. Viele gingen in die nächstgelegene Taverne oder Bar, wie so etwas heutzutage genannt wurde, und warteten, bis alles vorüber war. Ich beschloss ihnen zu folgen.

Wieder einmal war ich von den ganzen Eindrücken, die in der Bar auf mich einströmten, etwas überfordert. Inzwischen wusste ich, was die Kiste mit den bewegten Bildern an der Wand war. Oder dass heutzutage keine Musikgruppe mehr nötig war, um Musik zu machen, dennoch überraschte mich die ganze Technik immer wieder aufs Neue. Täglich entdeckte ich neue Geräte, die ich nicht kannte, doch ich lernte recht schnell, was es um einiges einfacher machte.

Eine junge Frau, die ich als Bedienung identifizieren konnte, kam auf mich zu.

„Alles okay bei Ihnen?" fragte sie mich. Sie war kaum älter als zwanzig und sie sah zum Anbeißen aus. Mir lief leicht das Wasser im Mund zusammen, doch ich riss mich zusammen und verdrängte meine Gedanken schnell. Ich durfte nicht schon wieder schwach werden, deshalb sagte ich schnell,

„Ja, alles Okay, danke der Nachfrage." Sie lächelte mich leicht an, „Möchten Sie etwas trinken?"

Ich nickte leicht, ein Glas Wasser dürfte nicht schaden, doch dann fiel mir ein, dass ich gar kein Geld hatte und antwortete dann schnell, „Nein danke, ich habe leider kein Geld bei mir. Ich wollte nur vom Regen flüchten."

Lillith (im Moment pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt