110. Zu Blind für die Wahrheit

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»Ok, rede...«, hörte ich Harrys Stimme sagen. Er hörte sich gefasst an, kein bisschen weinerlich. Mein Rücken war ihm zugekehrt und ich lief einfach weiter, denn was sollte es jetzt noch bringen? Er war doch sowieso schon von unserem Scheitern überzeugt gewesen und hatte sich bereits damit abgefunden, dass wir von nun an wieder getrennte Wege gingen, doch er kam mir hinterher gelaufen. »Erklär es mir«, forderte er.

Seine unmittelbare Nähe zwang mich dazu, stehen zu bleiben. »Harry, ich habe Niall nicht geküsst. Eine andere Erklärung habe ich nicht«, sagte ich leise und hatte mich währenddessen zu ihm gedreht, um direkt in seine traurigen Augen zu blicken. Er war mir gerade so nah wie schon lange nicht mehr. Nicht körperlich, wir berührten uns nicht, aber ich sah die Sehnsucht sachte in seinen Augen durchscheinen. Er ließ mich wieder etwas in sich hineinsehen, mehr aber auch nicht.

»Rede Angelina«, forderte er erneut. »Ich werde dir zuhören.«

»Was willst du denn von mir hören, Harry? Das ist nur ein Bild, und du weißt wie Bilder lügen können. Wenn nicht du, wer dann? Und wenn du diesem Bild mehr Glauben schenken willst als mir, dann habe ich dir nichts mehr zu sagen«, sagte ich ganz ruhig. Wir standen uns gegenüber. Und irgendwie packte mich nun der Drang, mich vor ihm zu rechtfertigen, weil ich nichts Unrechtes getan hatte. Weil ich nicht wollte, dass er so schlecht über mich dachte. Auch wenn es nichts brachte, solange er mir nicht glauben wollte. Er war so stur, weil er sich verletzt fühlte. Wegen nichts. Aber er wollte die Wahrheit gar nicht sehen, weil sich sein Selbstmitleid wahrscheinlich an ihm festgefressen hatte.

»Das Bild, schau es dir doch bitte genauer an. Das war, als ich in Niall rein gerannt bin, kurz vor unserem Messestand. Ich hatte dir doch davon erzählt... Und das, was du da auf dem Bild siehst, war nachdem wir alle Sachen wieder aufgehoben und zum Stand gebracht hatten. Niall hatte mich am Arm fest gehalten, als er mich nochmal gefragt hat, ob mir wirklich nichts passiert ist. Mit der anderen Hand hat er meine Haare zur Seite geschoben, um zu schauen, ob ich auch wirklich keine Beule hab. Das Bild ist einfach aus einem blöden Blickwinkel entstanden. Unsere Köpfe haben sich gar nicht berührt. Geschweige denn, dass das ein Kuss war! Der Idiot hat mir da gerade was von Einhörnern erzählt und sich dabei über mich lustig gemacht, obwohl es meinem Kopf blendend ging.«

Harry schaute mich grimmig an. »Angelina, warum redest du dich raus! Ich dachte du sagst mir jetzt vielleicht die Wahrheit und entschuldigst dich bei mir, damit wir nicht so in Hass auseinander gehen.«

Ich konnte es nicht fassen. »Mich entschuldigen Harry?!! Ich soll mich entschuldigen?! Wofür??? Ich habe nichts Unrechtes getan! Ich dachte, du fängst deiner Freundin vielleicht mal an zu glauben!«, schrie ich. »Sorry Ex-Freundin!«, fügte ich hinzu, denn für ihn war die Sache ja bereits beschlossen. Und für mich machte es keinen Sinn, hier noch weiter zu diskutieren. Ich drehte mich um und ging.

Gerade als ich die Türe, die zu seinem Schlafzimmer führte, einen spaltbreit geöffnet hatte, um meine Sachen packen zu gehen, griff Harry über mich drüber und drückte die Türe wieder zu. »Wir können streiten, aber nicht da drin Angelina«, erklärte er seine Tat.

Ich hatte mich wieder umgedreht und erinnerte mich nun an unseren allerersten, kleinen Kuss im Hotelgang, an meiner Türe. Unsere Position war ungefähr gleich, mein Herz schlug genauso wild, doch damals was es ein Anfang, heute war es unser Ende und mein Herz pochte jetzt vor Angst und Verzweiflung. Ich wusste, dass er mich jetzt nicht küssen wollte, so gerne ich seine Lippen trotz allem gerne gespürt hätte, wenn auch nur zum Abschied, ein letztes Mal. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mich einfach nicht mehr liebte. Meine Gefühle für ihn waren so stark, da konnten seine doch nicht einfach weg sein.

Vielleicht hätte ihn ein Kuss zur Vernunft gebracht, aber er nahm seinen Arm nach unten. Ich zuckte dabei kurz zusammen, weil er mich dabei ein wenig gestreift hatte. Meine Angst vor Sandros Gewalttat saß wohl doch tiefer in mir als ich dachte. Aber Harry war nicht so. Er war nicht Sandro. »Wie soll ich dir denn glauben?! Ich hab Niall gehört, wie er mit dir telefoniert hat, bevor wir nach London wollten! Von wegen, er freut sich dich zu sehen und dass er es deiner Cousine sagen wird, was zwischen euch läuft. Wie findet sie denn das Ganze?! Hatten ihr vielleicht sogar schon einen Dreier? Du, Niall und sie?«, warf er mir respektlos an den Kopf. »Sowas wäre ja immerhin keine neue Erfahrung für dich«, sagte er und bekam ein Doppelkinn, wegen seiner Angewiderten Haltung und seinem abwertenden Blick, den er mir kurz zuwarf. »Und schön, dass er mir nichts von euch verraten wollte. Zu dumm nur, dass ich das Gespräch zwischen euch mitbekommen hab, was? War er etwa dein wichtiger Termin, weshalb du für mich keine Zeit hattest? Gib es zu! Du hattest überhaupt nicht vorgehabt, nach Köln zu fahren, und hast das nur als Vorwand benutzt, damit ich nicht misstrauisch werde und keine Ansprüche drauf stelle, dich zu sehen. Oder hast du für all das auch so eine tolle Erklärung wie für das Bild?«

The Story Of Our Life - Fata Viam Invenient | Harry StylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt