14. Kapitel

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Abgehetzt bleibt Marina vor uns stehen. Ihr Atem geht viel zu schnell und ihre Wangen sehen leicht gerötet aus. Der Direktor zieht fragend seine Augenbrauen hoch, als Marina ihm den Zettel hinhält, den sie fest umklammert in der Hand hielt. Mit spitzen Fingern nimmt der Direktor den Zettel und liest ihn sich durch. Währenddessen breitet sich in mir ein Gefühl aus, welches ich am liebsten unterdrücken würde. Denn es ist nicht gut. Es ist Hoffnung. 

Ein Gefühl, das in dieser ganzen Situation einfach nur unangebracht ist. Mein Tod ist unabwendbar, ich werde sterben müssen. Das weiß ich. Marina wird es nicht geschafft haben, ein Wunder zu vollbringen und mich vor der Hinrichtung zu retten. Aber dennoch steht sie hier vor mir. Mit irgendeinem amtlichen Zettel in der Hand. 

Fragend sehe ich den Zettel an und dann in ihre dunklen Augen. Marina spitzt leicht ihre Lippen und erwidert meinen Blick. Mittlerweile hat sich ihr Atem wieder beruhigt. 
»Ich habe mit dem Richter geredet, ich habe ihm etwas Neues vorgelegt, was diesen Fall betrifft. Er berät sich gerade, ob die Hinrichtung aufgeschoben werden kann.« Sie erklärt sie mir kurz den Inhalt des Zettels. 

Der Direktor sieht nicht sonderlich begeistert aus, während mein Atem kurz aussetzt. Die Hoffnung in meinem Körper breitet sich weiter aus, sie durchfährt meine Gliedmaßen, führt dazu, dass diese leicht anfangen zu kribbeln. Der Druck auf meiner Brust ist weg, ich kann auf einmal wieder viel leichter atmen. Ist es vielleicht wirklich möglich, dass ich nicht sterben muss? 

»Was hast du ihm vorgelegt?«, frage ich mit leiser Stimme. Ich höre mich seltsam fremd an, aber das scheint sie nicht zu stören. Stattdessen sieht sie mich nun fast schon schuldbewusst an.

»Ich habe mit deiner Tochter geredet, wie du mir gesagt hast. Ich habe sie gefragt, wo sie an dem Tag des Mordes war. Sie hat mir ihr altes Alibi bestätigt, dass sie auf der Party ihrer Freundin Annie war«, erzählt sie und ich runzele meine Stirn. 

Das schlechte Gewissen kommt wieder in mir hoch, weil ich meine eigene Tochter verdächtigt habe. Aber anscheinend scheint Marina irgendetwas gefunden zu haben, sonst wäre sie nicht erneut zum Richter gegangen. 

Marina bemerkt meinen ratlosen Blick und fährt fort. »Ich habe versucht, mit so vielen Leuten wie möglich zu sprechen, die auf der Party waren. Leider habe ich in der kurzen Zeit nur Annie selbst und einen weiteren Besucher, Liam erreichen können. Annie hat ausgesagt, dass Liv ihr am Anfang der Party geholfen hat, die restlichen Vorbereitungen zu erledigen. Und Liam hat sie nach Mitternacht gesehen«, führt sie ihre Erläuterung weiter. Mich verwirrt sie mit jedem Wort nur noch weiter. Ich weiß, dass Liv an dem Abend auf einer Party war. Was übersehe ich hier? Wenn sie am Anfang und am Ende der Party gesehen wurde, beweist es doch, dass sie von Anfang an und bis zum Ende dort war? 

»Keiner der beiden kann sich erinnern, sie im Laufe des Abends dort gesehen zu haben. Zwischen den Vorbereitungen und Mitternacht wurde sie nicht gesehen. Sie kann überall gewesen sein. Das ist bis jetzt nur eine Vermutung, mir fehlt ein Beweis. Den würde ich erst bekommen, wenn ich noch jemand anderen von der Party sprechen kann. Aber dazu brauche ich mehr Zeit. Und um diese habe ich den Richter gebeten.« Ihre Worte bleiben unbehaglich in dem Raum hängen. 

Ich verfluche mich innerlich dafür, dass sich nun zu dem Gefühl der Hoffnung, auch ein bisschen Erleichterung dazu mischt. Und ich hasse mich dafür. Es geht hier schließlich um meine Tochter, die gerade verdächtigt wird, einen Mord begangen zu haben. Aber andererseits steht hier auch mein Leben auf dem Spiel. 

Mein Leben, das durch Marinas Nachforschungen vielleicht wirklich noch gerettet werden kann. Wenn der Richter die Notwendigkeit dieser Aufschiebung versteht und sie erlaubt. Ich bete, dass er sich darauf einlassen wird. Dann hätte Marina die Chance, noch weitere Besucher der Party zu befragen.

Sentenced - The last dayजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें