38. Kapitel

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»Adrenalin!«

Laut schreit mich eine weibliche Stimme an. Ich kenne diese Stimme. Aber ich kann sie nicht zuordnen. Meine Gedanken sind schwer wie Blei, ich verstehe nicht, was hier vor sich geht. Erneut höre ich, wie dieses Wort geschrien wird, das für mich gerade keinerlei Bedeutung hat. 

Ich bin tot. Oder? 

Ich versuche, meine Augen zu öffnen, diese Dunkelheit zu vertreiben, aber es geht nicht. Mein Körper gehorcht mir nicht. Ich kann nicht atmen. 

Jemand schlägt mir auf die Brust. Kurz darauf schießt ein elektrischer Schock durch meinen Körper. Er krampft sich zusammen, in meinem Arm wird es erneut ganz kalt. Dann plötzlich spüre ich den ersten, zaghaften Schlag meines Herzens in meiner Brust. Es stolpert, setzt aus und nach einer Pause erneut ein. Es schlägt unregelmäßig, sorgt für ein dumpfes Schmerzgefühl, bis es seinen Takt wiederfindet. Jeder einzelne Schlag wird mit einem Piepen belohnt, das neben meinem Ohr entsteht. 

»Los, atme!« Die Stimme scheint keinen Widerstand zu dulden, also versuche ich probehalber, wirklich Luft zu holen. Mein Körper reagiert reflexartig auf die Befehle, aber es geht nicht. Dieses Gewicht auf meiner Brust ist nicht verschwunden, sondern immer noch da. Egal wie sehr ich mich anstrenge, es geht nicht. Ich atme wie gegen einen Widerstand, als ob ein Unterdruck herrscht, gegen den ich machtlos bin. 

Panik bricht in mir aus, was dazu führt, dass auch mein Herz wieder aus seinem gerade wiedergewonnenen Takt ausbricht. Ein mir nur allzu bekannter Schmerz zieht durch meine Brust, das Piepen wird unregelmäßig. 

Keuchend bäume ich mich auf, werde von den Fesseln aber zurückgerissen. So langsam kehrt mein Bewusstsein zurück. Wieso spüre ich mein Herz überhaupt wieder schlagen?

Bisher habe ich das einfach hingenommen, ohne es zu hinterfragen. Aber irgendwas stimmt hier doch nicht. 

Die Dunkelheit scheint sich langsam zu lichten, ich sehe Schatten vor meinen geschlossenen Augenlidern tanzen. Dieses Stimmgewirr, das so unreal wirkt. Aber es ist real.

»Verdammt Steve, komm schon. Ein verdammtes Mal noch!« Die Stimme schnauzt mich wieder an. Jetzt erst erkenne ich sie. Es ist Sadie.

Nachdem sie mir erneut etwas in den Arm gespritzt hat, normalisiert sich mein Herzschlag wieder, der Schmerz ebbt langsam ab. 

Verzweifelt versuche ich zum zweiten Mal, meine Lungen mit Luft zu füllen. Ich kann es selbst gar nicht glauben, als es mir unter einem starken, ziehenden Schmerz gelingt. Erleichtert schnappe ich nach Luft, huste, als mein Körper sie nicht aufzunehmen scheint. Dann aber regeneriert sich mein Körper langsam, ich werde ruhiger, obwohl mein Herz sich in meiner Brust überschlägt.

Der ziehende Schmerz in meinem Oberkörper bleibt bestehen, aber ich spüre, wie sich meine Brust zitternd hebt und senkt. Es kostet mich viel Kraft, jeder einzelne Atemzug ist anstrengend. Aber ich gebe nicht auf, sondern versuche den Schmerz zu ignorieren. Ich konzentriere mich auf den frischen Sauerstoff, der meinen Körper erreicht und ihn aus diesem grausamen Nichts zurückzieht. 

Ich reiße meine Augen auf und starre auf die graue Betondecke. Sadies Gesicht schiebt sich in mein Sichtfeld und ich blinzle verwirrt. Nur ganz langsam wird mir bewusst, was hier gerade passiert ist. 

»Herzlich Willkommen zurück.« Sadie grinst mich erleichtert an. Verwundert runzle ich meine Stirn und fahre mir mit einer Hand über meine brennenden Augen. Sehr zu meinem Erstaunen, kann ich meine Arme jetzt bewegen, sie sind nicht mehr festgebunden. 

Irritiert sehe ich an meinem Körper herunter, auch der Gurt um meinen Bauch ist verschwunden. 

Alles kommt mir so hell und viel zu laut vor. Und unwirklich. Es kann nicht sein, dass ich hier liege. Ich bin gestorben. Ich war schuldig, sie haben mich verurteilt. Wieso bin ich wieder hier?

Sentenced - The last dayМесто, где живут истории. Откройте их для себя