37. Kapitel

132 41 10
                                    

Die graue Betondecke über mir scheint mich fast zu erschlagen. Die Gurte an meinen Gliedmaßen halten mich auf der Liege gefesselt, machen jede noch so kleine Bewegung unmöglich. 

Meine Hände sind zu Fäusten geballt. Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich wieder hier gelandet bin. Dabei habe ich mit all meinen Kräften dafür gekämpft, dieses Mal endlich meine Unschuld zu beweisen. 

Die notwendigen Informationen hat der Richter, aber er hat parteiisch entschieden. Gegen mich und für seinen Ruf. Er würde seine komplette Karriere ruinieren, wenn im Nachhinein herauskäme, dass jahrelang die falsche Person im Gefängnis saß. Das kann er nicht zulassen. Für ihn ist es doch viel einfacher, die Dinge laufen zu lassen. Was ist schon ein einzelnes Menschenleben wert?

Was ist mein eigenes Leben wert?

Außer für mich selbst und für meine Familie nichts.

Ich bin nur einer von vielen Milliarden Menschen auf dieser Welt. Jemand, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Dem das Schicksal übel in die Karten gespielt hat. Und das Schicksal mischt die Karten immer noch selbst, gibt sie nicht aus der Hand. Ich kann nichts daran ändern, wie woanders über mich entschieden wird. Ich bin nur ein ganz kleines Licht, welches nun in ein paar Minuten für immer erlischt.

Dann passiert das, was alle wollten. Und ich werde nicht nochmal zurückkehren. Sadie weiß Bescheid, dass ich es nicht mehr möchte. Ich habe ihr gesagt, dass sie die alten, klassischen Medikamente verwenden soll. Denn ich habe die immer stärker werdende Vermutung, dass ihre neue Mischung dazu beigetragen hat, dass ich von den Toten zurückgekehrt bin. Aber mehr als heute, kann ich nicht für mein Leben kämpfen. Mehr Möglichkeiten, um die Wahrheit zu erfahren und an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, gibt es nicht. Ich habe alles versucht, was in meiner Macht stand. Es hat nicht gereicht. Nun kann ich mit meinem Leben abschließen. 

Jeder höheren Macht werde ich genau das erzählen. Sollte diese überhaupt existieren und hier ihre Hände im Spiel gehabt haben. Ich möchte nicht mehr leben. Ich möchte endlich sterben und in Ruhe gelassen werden. 

Denn diesen Tag möchte ich nie wieder erleben. Es ist grausam, ständig den eigenen Tod vor Augen zu haben und es nicht aufhalten zu können. Es wird immer wieder so enden und das halte ich nicht noch einmal aus. 

Ich habe immer weitergekämpft, weil ich dachte, dass es mir gelingen würde, diese Zeitschleife zu durchbrechen. Aber das ist unmöglich. Einen weiteren Versuch brauche ich nicht, der mir nur dieses unabwendbare Ende wieder bestätigt. 

Die Wärter unterhalten sich darüber, dass die Presse von den neuen Geschehnissen in diesem Fall berichtet. Dass der Mann, der in ein paar Minuten hingerichtet wird, nicht allein für den Tod von Jason Burne verantwortlich war. Dass Jason vorher ein junges Mädchen misshandeln wollte und dieses sich verteidigt hat. Dass irgendwer ihr geholfen hat und auch, dass es einen Augenzeugen geben muss, der diese Tat gesehen haben muss. Aber sowohl der wahre Täter als auch der Augenzeuge, schweigen. 

Und solange kein anderer gefunden wird, der für die Verletzungen mit der Eisenstange verantwortlich gemacht werden kann, bleibe ich es. Die Hinrichtung wird stattfinden. Das hat anscheinend der Richter in den letzten Minuten höchstpersönlich den Reportern erzählt, um alle Unsicherheiten und Spekulationen aus dem Weg zu räumen. Diese Information habe ich bereits von Marina bekommen, aber die Wärter geben mir die Bestätigung, dass nun wirklich nichts mehr an dieser Hinrichtung vorbeiführt. 

Es hat viele neue Aspekte über diesen Fall gegeben, aber da es sich um meine Tochter handelt, die angegriffen wurde, ist es nur selbsterklärend, dass ich Burne dafür getötet habe. Es ist so offensichtlich und gleichzeitig auch so falsch.

Sentenced - The last dayWhere stories live. Discover now