2. Kapitel

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Das warme Wasser prasselt auf mich herunter. Es tut gut, es fühlt sich angenehm und irgendwie auch beruhigend an.
Ich schließe meine Augen und strecke meinen Kopf direkt unter den Wasserstrahl. Das Wasser prasselt direkt auf mein Gesicht. Automatisch halte ich die Luft an. Ich bin von einer unglaublichen Stille umgeben, da mir das Wasser bis in die Ohren läuft.

Irgendwie so wird es sich anfühlen. Der Tod. Still, dunkel und unabwendbar. Gar nicht mehr so weit von mir entfernt.

Mein Herz fängt wieder an, schneller zu schlagen. Diese Stille ist auf einmal unangenehm, erdrückend, genauso wie in meiner Zelle. Das Wasser hat seine beruhigende Wirkung verloren.

Schnell trete ich einen Schritt zurück und reiße meine Augen auf. Ein paar Mal muss ich blinzeln, um das Wasser aus meinen Augen zu bekommen, dann kann ich meine Umgebung klar erkennen. Der trostlose, leere Duschraum mit den weißen Fliesen ist eine willkommene Abwechslung zu meiner dunklen Zelle.
Auch hier bin ich allein. Einzig der Dampf, der durch das warme, fließende Wasser meiner Dusche entsteht und durch den Raum zieht, ist meine Begleitung. Vor der Tür steht Connor, der Wärter, aber er lässt mir heute Zeit.

Noch einmal stelle ich mich unter die Dusche, dann drehe ich das Wasser ab. Die Tropfen, die von meinem Körper bis auf den Boden fallen, klingen ungewöhnlich laut.

Einen Vorteil hat es, dass sie mich für einen Schwerverbrecher halten: Sie isolieren mich von den wirklichen Verbrechern, die in diesem Gefängnis sind. Die sind nämlich eindeutig viel gefährlicher als ich es bin.

Seufzend trockne ich mich mit einem Handtuch ab. Der kratzige Stoff führt dazu, dass meine Haut rot wird. Wie gerne würde ich sie einfach mit einer Bodylotion eincremen, aber so etwas gibt es hier nicht.
Ich quäle meine Haut weiter, bis sie trocken ist und ziehe mir einen Satz frischer Kleidung an.

Es ist erstaunlich, aber ich fühle mich ein bisschen besser als vorher. Ich rieche mich nicht mehr selbst und meine Haare fühlen sich nicht so unangenehm strähnig an. Mit dem Handtuch rubble ich mir über den Kopf, dann kämme ich mir provisorisch mit den Fingern durch die Haare.

Ich bin froh darüber, dass sie mir wenigstens meine Haare gelassen haben. Normalerweise werden diese den Häftlingen abrasiert. Aber da ich keinen Kontakt zu den anderen habe und es somit ziemlich unwahrscheinlich ist, dass ich Läuse verteilen könnte, haben sie meine Haare nicht angerührt. Mittlerweile sind sie lang, reichen mir bis über die Ohren. Ich streiche sie nach hinten und seufze, als ich feststelle, wie weit mein Haaransatz nach hinten gerückt ist. Ich bin außerdem der Meinung, schon einmal mehr Haare auf dem Kopf gehabt zu haben als jetzt. Sie sind dünn geworden. Aber wenigstens sind sie überhaupt noch da. Man freut sich ja irgendwann über die kleinen Dinge.

Nachdem ich mir noch schnell die Zähne geputzt habe, klopfe ich an die Tür. Es dauert nicht lange, dann höre ich das Klacken und werde von Connor wieder raus auf den Gang gelassen.

Dieser mustert mich kurz. Er rümpft nicht mehr seine Nase, also scheint sich das Duschen wirklich gelohnt zu haben.
Aber ich bin mir sicher, dass ich in ein paar Stunden wieder durchgeschwitzt sein werde.

Wortlos greift er nach meinem Arm und zieht mich mit sich durch die Gänge. Die Luft ist muffig, aber ich bin dankbar dafür, sie überhaupt noch einatmen zu können. Mein Blick ist gesenkt, ich sehe auf den alten, grauen Betonboden herab, über welchen ich schon so oft gelaufen bin. Wir biegen einmal ab, dann wird eine weitere Tür geöffnet.

Helles Licht schlägt mir entgegen und blendet mich. Ich kneife meine Augen zusammen, bis sie sich an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt haben.
»30 Minuten.« Ich höre die Stimme des Wärters hinter mir, nehme sie aber gar nicht mehr wirklich wahr.
Wie automatisiert tragen mich meine Füße nach draußen. Der Betonboden verwandelt sich in einen Lehmboden. Es hat schon lange nicht geregnet, deswegen staubt er um meine Füße leicht.

Sentenced - The last dayWhere stories live. Discover now