Kapitel 26~

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"Umm...Reyk?"

"Hmm...?". schnurrte er mir in mein Ohr und drückte mich an sich, sodass mir ganz warm wurde.

"Was machst du da...", murmelte ich gegen seine Schulter und mied jeglichen Augenkontakt.

"Na, ich umarme dich, meine liebe Evi. Immerhin ist es schon eine kleine Weile her, dass ich dich das letzte Mal sehen durfte.", erklärte er amüsiert und ich wies ihn von mir ab.

"Ha-ha! Sehr witzig. Ich wusste ja nicht mal, wo du dich herumgetrieben hattest...", Ich schaute wieder zu ihm auf und betrachtete sein von schwarzen Haaren umrahmtes Gesicht. Dunkle Haare, dunkle Augen und dunkle Klamotten, obwohl es draußen so kühl war, trug er ein schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt. Seine Jacke lag unordentlich auf der Couch.

Reyk zuckte mit den Schultern und ließ sich wieder auf der Couch nieder. Die Beine übereinander gelegt und sein Kopf ruhte seitlich auf seiner Hand. "Sag mal...", begann er. "Seit wann bist du mit Jared befreundet?", fragte er ohne jede Regung in seiner Stimme.

Dieses Mal war ich es, die mit den Schultern zuckte und setzte mich gegenüber von ihm. "Evi...", ermahnte er mich und ich bekam es mit der Angst. Wenn er jetzt wieder wütend werden sollte, dann wäre es um mich geschieden...

"Schon gut, schon gut", sagte ich abwehrend. "Ich habe ihn in der Stadt getroffen und angesprochen. Ganz einfach, dann hat er mich begleitet. Ende der Geschichte. Aber...etwas ganz anderes: Warum hast du mir nicht gesagt, dass die Polizei mal wieder nach mir sucht? Oder dass sie eine Vermisstenanzeige aufgegeben haben?", fragte ich ihn fordernd  auf. So langsam überkam mich die ganze Enttäuschung, die sich in mir aufstaute, während er sich irgendwo herumtrieb und mich allein ließ.

Er antwortete mir nicht.

"Warum lässt du mich immer alleine..." Bumm. Bumm. Bumm. Alles, was ich hörte. war mein Herzschlagen und ich schluckte hart. Er machte mir zur gleichen Zeit Angst und doch war ich unbeschreiblich sauer auf ihn gewesen. Einige Sekunden kam nichts und es fühlte sich an wie ein Jahrzehnt.

"Ich wollte dir unnötigen Kummer ersparen. Solange du hier bleibst, ist alles in Ordnung. Du solltest dir Gedanken um andere Dinge machen.", sagte er dann.

"Ach ja? Und worüber?"

"Deinen Schulabschluss. Deine Zukunft. Was hast du vor, Evilein? Zwar kannst du dich hier für den Rest deines Lebens verstecken, aber ist es das, was du willst?"

Ich stockte. Recht hatte der Soziopath. Wollte ich hier für den Rest meines Lebens bleiben? Ich konnte es ja nicht einmal! Ich hatte zwar den Wunsch, wieder zur Schule gehen zu können, Freunde finden zu können und ein normales Leben führen zu können, doch diesem kindischen Wunsch konnte ich vor Reyk nicht äußern. Er würde mich doch nur wieder aufziehen und damit nerven.

"Du willst zur Schule, nicht wahr? Deinen Abschluss machen und dir einen anständigen Job suchen?", hakte er nach.

Stimmt ja, hatte ich ihn etwa so lange nicht mehr gesehen, dass ich vergessen hatte, dass er durch mich und meine Fassade hindurch schauen konnte? Durch die eines jeden Menschen?

Tief seufzend faltete ich meine Hände zusammen und starrte auf den Tisch vor mir. Was sollte ich antworten, wie könnte ich aus der Nummer herauskommen und warum überforderte mich das alles viel zu sehr?

"Ev-"

"Nein!", unterbrach ich ihn. "Hör auf, meinen Namen so zu sagen, als ob ich dir etwas bedeuten würde, du blöder Lügner! Lass mich einfach in Ruhe, dein Besuch ist voll und ganz ohne Nutzen! Ich brauche deine dummen Kommentare nicht mehr", sagte ich barsch und legte meinen Kopf in die Hände. "Unsere Gespräche - wenn man das so nennen kann - lassen mich jedes mal verzweifeln und müde werden..."

"Nun gut", seufzte er und ich schaute auf. Er holte aus seiner Hosentasche ein kleines Gerät, das sich als Handy entpuppte. Er legte es auf den Tisch zwischen uns und lehnte sich wieder zurück. "Ich habe dir ein Telefon besorgt. Meine Nummer, sowie die von Marty und Julie ist bereits eingespeichert. Du kannst mich anrufen, wann immer du willst. Falls du in Schwierigkeiten steckst, oder einfach nur meine wunderbare Stimme vermisst." Mit offenem Mund schaute ich vom Handy zu ihm. 

Er stand auf, streckte sich und holte sich seine Jacke. "Ach ja, übrigens...", sagte er beiläufig. "Ich habe mich etwas umgehört und ein paar Kontakte spielen lassen."

"Huh?"

"Du hast vier Möglichkeiten was deine missliche Situation betrifft.", erklärte er. "Nicht, dass es mich etwas angehen sollte, oder gar interessieren würde, was mit dir passiert..." Autsch. Das tat weh. Mein Herz zog sich bei seinen Worten zusammen.

"Aber ich habe dir ein paar Optionen mitgebracht. Also...Nummer Eins, du versteckst dich weiterhin, Evi, aber lass dir eins gesagt sein. Wenn du vor hast, für den Rest deines Lebens zu fliehen und dich zu verstecken, dann musst du dich stetig weiter entwickeln. Klüger, vorausschauender, all das, was du - hier und jetzt - nicht bist." Er machte eine Pause und sah mich an.

Müde lehnte ich mich zurück. Wie kam er auf sowas? Und wann?

"Nummer Zwei, du stellst dich Ophelia und schaust weiter, ich könnte dich natürlich zu ihr bringen. Was dann passiert liegt in den Händen Ophelias. Oder deinen. Könnte aber sehr wahrscheinlich deinen Tod bedeuten", lächelte er. "Oder du wanderst aus und fängst irgendwo ein neues Leben an, allerdings hast du weder den nötigen Schulabschluss noch das Geld. Die meiner Meinung nach beste und effizienteste Lösung wäre, dass du sie tötest, bevor sie dich. Oder ob du jemanden dazu anheuern lässt, ist natürlich dir überlassen."

Mit offenem Mund starrte ich ihn an. "S-sie töten? Spinnst du? Ich verliere zwar Stück für Stück meinen Verstand, aber das bisschen Menschlichkeit werde ich mir ja wohl bewahren!"

Abwehrend hob er die Hände. "Das war auch nur eine der Optionen. Warum bist du denn überhaupt so zickig drauf, hm?", beugte er sich zu mir runter. Seine Augen hypnotisierten mich regelrecht, während ich sein regelmäßiges Atmen hörte.

Hilfe! Abstand! Warum kam dieser Großkotz mir jedes Mal so nah? Da war doch definitiv etwas falsch mit ihm!

Dann jedoch fiel mir eine Frage ein, die mir aus dem Mund rutschte, ohne dass ich wirklich groß drüber nachdachte. Warum ich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt kam, war mir ein Rätsel.

"He Reyk, du liebst doch Menschen, nicht wahr?" Er stockte und erhob sich wieder. Langsam nickte er und setzte dann ein arrogantes Lächeln auf. "Ja, weiter?"

"Warst du schonmal verliebt gewesen? So richtig? In ein Mädchen, oder gar einen Jungen? Und das meine ich im Sinne von richtiger Liebe. Der Drang diesen Menschen vielleicht sogar zu küssen...Umarmen, all das.", sagte ich, ohne mir Gedanken zu machen.

Zu erst schaute er mich verblüfft an, ehe er dann in einem lauten Gelächter ausbrach. Und dieses Gelächter wollte nicht mehr aufhören. Er lachte und lachte, so lange, dass ich mir in der Zwischenzeit einen Tee hätte kochen können. "Hahaha~ Ich kann nicht mehr! Haha!", kicherte er und hielt sich seinen Bauch, nachdem er einige Minuten lang lachte.

"Genau das liebe ich an dir Evi", sagte er grinsend und wischte sich die Tränen aus den Augen. Binnen Sekunden wurde ich Purpurrot und schaute ihn entsetzt an. "Du sagst manchmal Dinge, die ich wirklich niemals hervorsehen könnte, das ist so unglaublich!"

"Äh..."

"Du redest manchmal zu viel und denkst zu wenig", zwinkerte er mir zu. "Wen versuchst du hier zu überraschen? Immerhin bin ich ein Gott. Und mit Göttern, Evi...", er schenkte mir ein fieses Grinsen. "...legt man sich nicht an."

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ChangedWhere stories live. Discover now