Kapitel 16~

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Meine Eltern kamen erst in der Nacht, da sie in letzter Zeit eine Menge zu tun hatten. Mucksmäuschenstill kamen sie ins Wohnzimmer, damit sie mich nicht weckten, doch einen ruhigen Schlaf konnte ich schon lange nicht mehr kriegen. Sie mussten wohl denken, dass ich schlafen würde, aber ich hörte und sah sie durch die Augenwinkel.

"Es kommt mir so vor, als hätte ich sie seit Monaten nicht mehr schlafen gesehen", hörte ich meine Mama flüstern.

"Mhm, ich weiß", entgegnete mein Papa. "Sie hat seither so viele Albträume. Ich bin einfach froh, dass sie wieder schlafen kann."

Es herrschte eine kleine Pause, in der ich versuchte meine Atmung zu kontrollieren, damit es auch so wirkte, als ob ich schlafen würde. Es stimmte zwar, dass ich in letzter Zeit ein paar komische Träume hatte, aber dass sie mich dann gleich permanent kontrollieren mussten? Das wirkte mehr als eigenartig auf mich. Vielleicht sollte es zwar nicht so sein, aber ich nahm es nunmal so auf.

"Ich hab total vergessen, wie süß sie sein kann", kicherte sie und mein Papa lachte ihr, immer noch leise, zustimmend zu.

"Naja, sie ist eine junge Frau geworden", seufzte er. "Sie wachsen schnell, nicht wahr?"

"Das tuen sie wirklich...", ich hörte ihre sanften Schritte, die mir entgegenkamen, also schloss ich meine Augen, als sie sich zu mir beugte und mir das Haar aus dem Gesicht strich. Sanfte küsste sie meine Wange, ehe sie sich seufzend erhob. "Gute Nacht, Evi-Schatz."

XXX

"Ohh, ich dachte du wolltest über Nacht bleiben", beschwerte sich Lens Mutter schmollend. Ich lachte. Okay, seine Eltern waren definitiv seltsam, aber ich mochte sie. Sie kümmerten sich um Len und das war alles, was zählte oder etwa nicht?

"Tut mir leid. Mir ist eingefallen, dass meine Eltern mich noch um einen Gefallen baten", sagte ich ehrlich geknickt. Len warf mir einen wütenden Blick zu und ich wusste auch genau warum. Er war sauer, dass ich zurück zu Reyk ging, aber ehrlich gesagt blieb mir nichts anderes übrig. Außerdem, warum sollte ich ihm vertrauen? Woher weiß ich, dass Ophelia Nease nicht versuchte über ihn an mich ranzukommen? Ich wusste ja kaum etwas über ihn - bis heute hatte ich keine Ahnung davon, dass er in einer Art von Gang tätig war und ich bezweifelte, dass es Alec -sein ach so guter Freund- auch wusste.

Ich winkte ihnen nochmal zum Abschied und verließ sie zum Teil erleichtert. Es war schon seltsamerweise lustig, dass ich Len misstraute - derjenige der mich offensichtlich von Unheil bewahren wollte - statt Reyk Baskin, dem Typen der mich nicht in Ruhe ließ. Lächelnd ging ich durch die dunklen Straßen von Brooklyn. Diese Ironie brachte mich zum Lachen, so verdreht war das alles.

Lens Eltern erinnerten mich ein wenig an meine eigenen Eltern und wie sie mich behandelten, als sie noch da waren. Sie zogen mich ebenfalls andauernd vor meinen Freunden auf und stellten mich in jeder möglichen Situation bloß. Jedoch zwangen sie mich nicht das Abendessen zu kochen, um mich dann später bloßzustellen, weil ich nicht das nötige Talent hatte. Um genau zu sein begann ich erst mit dem Kochen, als ich auf mich alleine gestellt war. Es ist schon eine ganze Weile her und ich denke, dass ich mich an kaum noch was erinnern konnte. Aber dass ich Len besucht hatte, das brachte mich dazu mich wieder zu erinnern, wie sie mal waren.

Vielleicht war es bloß eine Manifestation meiner unglaublich einsamen Phantasie, aber ich konnte mich wirklich an sie erinnern. Ich konnte ihre Gesichter sehen und ihre Stimmen hören, selbst wie fürsorglich sie waren, nachdem etwas in der Schule passiert war - als ein Freundin mich betrug oder ein Kätzchen von einem Auto überfahren worden war. Meine Schritte wurden mit jeder Erinnerung langsamer, bis ich schließlich in der leeren Straße stehen blieb. Selbst mein Herzschlag blieb kontinuierlich ruhig und hallte wie durch meinen ganzen Körper.

ChangedHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin