Kapitel 5

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Cody

„Wohin gehen wir?", schnieft das schöne Mädchen an meiner Hand. „In den Garten. Ich denke du könntest frische Luft gebrauchen." Ich führe sie durch das Wohnzimmer hinaus in den Garten. Jedes Mal, wenn ich ihn betrete, realisiere ich wieder, was für ein Glück ich habe, hier leben zu können. Mir fehlt es hier an nichts, zumindest an nichts, was man sich kaufen kann. „Geht es wieder?", frage ich und drücke ihre Hand sanft, während ich sie neben mich in den Hängesessel ziehe. Sie nickt, sagt aber nichts. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie sie sich fühlen muss, so ganz allein, umgeben von Männern, die sie nicht kennt und mit dem Wissen, dass sie nirgendwo willkommen ist. „Ich weiß, du kennst mich kaum, aber du kannst mit mir reden, okay? Ich glaube ich verstehe, wie du dich fühlst, zumindest ein bisschen, aber wenn du nicht mit mir reden willst, die anderen...." „Du hast Recht." Hat sie mich gerade unterbrochen? „Du hast Recht. Der einzige, den ich kenne bist du, also sollte ich am ehesten mit dir reden." Sie holt tief Luft und fängt wieder an zu reden, bevor ich überhaupt auf irgendwas antworten kann. „Ich weiß weder wer mir das gestern angetan hat, noch weiß ich, warum es mich getroffen hat aber ich weiß, dass ich verdammt große Angst habe. Ich habe keine Angst um mich, nein, das könnte mir nicht egaler sein, aber ich habe Angst um meine Freunde, meinen Freund und meine Schwester. Andererseits sind sie mir gerade auch scheißegal, weil nicht einer von ihnen sich Sorgen um mich macht. Scheinbar bin ich jedem von ihnen egal geworden. Ich weiß nicht weiter Cody, ich weiß nicht, wo ich hin soll. Nach Hause kann ich nicht, da wird man mich und meine Liebsten vermutlich umbringen, wieso auch immer. Eine eigene Wohnung irgendwo weit weg kommt aber auch nicht infrage. Ich habe kein Geld, gerade erst meinen Abschluss gemacht und nicht mal mein scheiß Handy funktioniert vernünftig!" Zusammen mit dem letzten Satz wirft sie ihr Handy mit voller Kraft gegen die Holzwand der gegenüberliegenden Gartenlaube. Der Aufprall ist laut, aber es war ohnehin schon kaputt und ohne Ladekabel hätte es sowieso spätestens heute Abend den Geist aufgegeben. „Hey, alles wird gut, beruhig dich wieder." Beruhigend streichen meine Fingerspitzen über ihre Oberarme und lösen eine Gänsehaut auf ihrer blassen weichen Haut aus. Ihre Atmung entspannt sich tatsächlich und ein leichtes Lächeln zeichnet sich auf ihren schönen Lippen ab. „Tut mir leid für den Gefühlsausbruch, es ist grade alles ein bisschen viel." Erschöpft lehnt sie ihren Kopf an meine Schulter und schließt die Augen, ich tue es ihr gleich. Für einen kurzen Moment fühlt es sich an, als wäre es das normalste der Welt hier zu sitzen und uns die Sonne ins Gesicht strahlen zu lassen.
Ein kühler Windzug öffnet mir wortwörtlich die Augen. Maddie schläft tief und fest neben mir, die Sonne beginnt schon unterzugehen. Trotz der Erschöpfung, die man ihr deutlich ansehen kann, ist sie umwerfend schön. Unter ihren geschwollenen Augen haben sich schon leichte Schatten gebildet und ein paar Kratzer zieren immer noch ihre Porzellanähnliche Haut. Die Brünetten Haare hängen ihr zerzaust ins Gesicht und selbst im Schlaf lächelt sie leicht. Vorsichtig stehe ich auf, um ihr eine Decke zu holen, lege ihren Kopf kurz darauf auf das Kissen rechts von ihr und breite die große Wolldecke über ihrem Körper aus. Ich will gerade wieder ins Haus gehen, da öffnet sie langsam ihre Augen und kuschelt sich noch weiter in die Decke ein. „Wolltest du mich etwa hier allein lassen?", fragt sie gespielt beleidigt. „Ich? Quatsch, niemals.", gebe ich zurück. Sie rutscht ein Stück nach vorne, an die Kante des Hängesessels und klopft mit ihrer linken Hand hinter sich.
„Komm her, oder willst du da stehen bleiben?" Ohne zu zögern, lege ich mich hinter sie und schließe automatisch meinen Arm um ihre Taille, damit sie nicht vorne aus dem Sessel rutscht. Maddie liegt still in meinem Arm. Die einzige Bewegung, die sie macht, kommt von ihrer Hand. Sie spielt mit dem Anhänger ihrer Halskette. Ein J. Steht wahrscheinlich für Jacob. „Vermisst du ihn sehr?" Sie schaut mich fragend an, woraufhin ich nur auf die Stelle an ihrem Hals deute, wo die Kette liegt. „Ach so, ja. Ein bisschen vielleicht." „Ein bisschen? Er hat sich nicht mal bei dir gemeldet." Sie seufzt laut. „Ich weiß, aber ich kann es verstehen. Gestern kurz bevor es passiert ist, wollte ich mit ihm Schluss machen..."
„Oh, das wusste ich nicht." Natürlich wusste ich das. „Woher auch? Es hat eigentlich niemand mitbekommen. Wir waren auf der Toilette und..." Ihre Augen werden glasig, bestimmt schon das siebte Mal heute. „Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst." Sie wischt sich die einzelnen Tränen weg und atmet durch. „Alles gut. Wir waren beide betrunken und er wollte Sex." Ich schlucke. Wenn Maddie mir jetzt erzählt, dass er sie vergewaltigt hat, gehe ich als erstes kotzen und direkt danach gehe ich ihm den Schwanz abschneiden.
„Ich wollte aber nicht. Er hat irgendwas davon geredet, dass das meine Pflicht als seine Freundin wäre und ich ihm das schulde. Daraufhin habe ich ihm dann gegen den Kopf geknallt, dass ich Schluss mache und bin weggerannt. Kurz darauf ist es passiert..."
Ich bin sprachlos, habe nicht den geringsten Schimmer, was ich darauf antworten soll. „Ich wollte nicht nur deswegen Schluss machen, ich denke schon lange darüber nach. Wir streiten uns nur und..." Sie hält inne. „Naja, jetzt ist es zu spät, die Entscheidung wurde mir ja bereits abgenommen. Zurück nach Hause kann ich eh nicht mehr. Ein Hoch auf die mysteriöse Person, die mich tot sehen will." Sie versucht ihren Schmerz zu überspielen, doch ich kann ihn deutlich in ihren Augen sehen und in ihrer Stimme hören. „Ich weiß, sowas hörst du bestimmt oft, aber er hat dich nicht verdient, du bist viel zu gut für ihn. Du brauchst jemanden, der dich schätzt. Jemanden, dem bewusst ist, wie gut er es hat, dich zu haben." Maddie dreht sich so zu mir um, dass ich ihr Lächeln und ihre roten Wangen jetzt deutlich erkennen kann. „Du musst jetzt nicht irgendwelche Sachen sagen, damit es mir besser geht. Du weißt doch gar nicht, wie ich bin."
„Das, was ich heute von dir kennengelernt habe reicht aus, um sagen zu können, dass du was Besseres verdient hast als ihn." Es ist ihr sichtlich unangenehm und sie weiß nicht, was sie sagen soll, aber gerade das finde ich süß an ihr. Sie ist bescheiden, weiß gar nicht, was sie an sich selbst hat und läuft rot an wie eine überreife Tomate, sobald ihr jemand ein Kompliment macht. „Hör jetzt auf so nette Sachen zu sagen, sonst heule ich gleich.", lacht sie. Ihr Lachen ist ansteckend und wunderschön, so wie alles an ihr. „Glaub mir Maddie, es gibt Dinge, die würde ich viel lieber tun, als dir nette Sachen zu sagen." Ihre hellen Härchen an den Armen stellen sich zu einer Gänsehaut auf, ihr Atem beschleunigt sich. „Ach ja? Was denn?" Sie weiß ganz genau, was ich meine. Ich weiß nicht, wie sie reagieren wird, ob es nicht noch zu früh dafür ist, aber mir würde kein passenderer Moment einfallen, außerdem: je schneller sie uns vertraut, desto besser. Jaja, red es dir nur ein. Wie von allein legt sich meine Hand in ihren Nacken und zieht ihr Gesicht ein Stück näher an meins. Ich kann nicht mal deuten, wer von uns den letzten Schritt wagt aber plötzlich liegen unsere Lippen aufeinander und bewegen sich, als hätten sie nur auf diesen Moment gewartet. Sie küsst gut, sehr gut sogar. Ich habe in meinem Leben schon viele Frauen geküsst, die meisten waren älter als ich, so wie Maddie. Aber noch nie hatte ein Kuss so eine Wirkung auf mich. Ihre kleinen Hände verschwinden unter meinem Shirt, erkunden gierig meinen Oberkörper und es fühlt sich alles einfach nur verdammt gut an. Sie sollte damit aufhören, wenn sie nicht will, dass ich sie genau hier und jetzt auf diesem fucking unbequemen Sessel flachlege. Zu ihrem Glück, oder meinem, wie man ́s nehmen will, löst sie ihre Lippen von meinen und schaut mir in die Augen. Ihre Hände verweilen immer noch auf meinem Oberkörper, meine in ihrem Nacken. Niemand bewegt sich, wir sehen uns einfach nur an und genau in dem Moment als das Funkeln in ihren grünen Augen zurückkehrt weiß ich, dass ich meine Aufgabe des Plans definitiv nicht bestehen werde.

Our Girl - wir brauchen dichTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang