kapitel 41 - leah

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LEAH

Ich habe das Gefühl, einen halben Meter über dem Boden zu schweben, als wir uns wenig später für das Konzert fertig machen. Dominic und ich sind schon früher da, denn nachdem wir die letzte Stunde mit... anderen Dingen verbracht haben, haben wir uns in der Zeit verschätzt. Doch ich beschwere mich nicht, denn so haben wir noch ein bisschen Zeit miteinander.

Wir können die Hände einfach nicht voneinander lassen.

Ich schaffe es gerade noch in mein Outfit, da zieht er meine Maske kurz hoch und drückt mich gegen die Wand, sodass ich überrascht quietsche. Ich kann sein Gesicht hinter der schwarzen Skelettmaske nicht sehen, aber das muss ich gar nicht. Er ist alles einnehmend. Sein Duft, die Wärme seines Körpers, seine Hände, seine Lippen, sie sind überall. Ich schmelze.

„Dominic, wir haben keine Zeit, Chase und Jackson..." versuche ich mich zu wehren, aber dann vergesse ich meine Worte und Zeit und Raum bleiben stehen.

„Egal." Raunt er und legt seinen großen Arm um meine Taille. Ich bin froh, dass die Maske seinen Mund freilässt. Sonst müssten wir dringend eine neue gestalten. Ich schiebe gerade meine Hände unter sein enges schwarzes Shirt, als die Tür aufgerissen wird.

„So meine Freunde - ahh! Chase!" Jackson erstarrt im Türrahmen, wir springen auseinander und dann taucht Chase auch noch hinter ihm auf. Um Himmels Willen. Meine Wangen werden feuerrot und ziehe schnell meine Maske wieder runter und richte meine Haare.

„Ähm." Mache ich, um die Stille zu durchbrechen, aber dann fängt Jackson an zu lachen und ich spiele nervös mit meinen Händen.

„Ich wusste es. Ich wusste es! Ha! Man nennt mich auch den Visionär! HA!" ruft er und klatscht in die Hände, ehe er Chase ein schwungvolles High Five gibt und ihn beinahe verfehlt.

„Es war ja auch offensichtlich, Son." Sagt dieser und wirft ihm einen vielsagenden Blick zu, während Dominic und ich stumm nebeneinander stehen und uns einen Blick zuwerfen.

„Wie lange macht ihr schon miteinander rum?" fragt Jackson dann geradeheraus und ich ziehe die Augenbrauen hoch.

„Das geht dich nichts an, also halt die Klappe und stimm dein Instrument." Erwidert Dominic mit rauer Stimme und ich bin froh, dass er den Job des Redens übernimmt.

„Nein, nein. Ich muss das wissen. Dringend." Jackson schaut ihn eindringlich an und ich muss Dominics Gesicht gar nicht erst sehen, um zu wissen, dass sich seine Augenbrauen gerade zusammenziehen und er einen seiner tödlichen Blicke abgibt.

„Technisch gesehen seit Dienstag nach Leahs erstem Konzert." Antwortet Dominic schließlich und ich bin überrascht, dass er sich den Tag so genau gemerkt hat. Ich kann mich noch perfekt daran erinnern, aber er? Wärme breitet sich in mir aus.

„Aber wir sind zusammen seit Samstag in Rock River." Ergänzt er und ich bin froh, dass niemand mein Lächeln sieht. „Reicht das an Infos? Oder willst du noch wissen wann wir-"

„Ja, das reicht!" gehe ich dazwischen, mein Gesicht hochrot während Jackson die Augen aufreißt und „Gib mir alle Details!" sagt. Dominic legt grinsend eine Hand um meine Taille, sichtlich amüsiert über meine Panik.

„Keine Sorge, Smarty. Das ist eine Sache nur zwischen uns beiden." Sagt er dann leise zu mir, während Jackson ein Gejodel anstimmt und herumhüpft. Ich habe keine Ahnung warum, hinterfrage ihn aber auch nicht. Schon lange nicht mehr.

„Ich hab gewonnen! Ha! Du schuldest mir zehn Dollar und einen Joint!" ruft er grinsend und boxt Chase, der die Augen verdreht.

„Um genau zu sein haben wir beide gewonnen, wir haben wegen beidem gewettet, wenn ich dich erinnern darf." Entgegnet er und meine Augen weiten sich. Die beiden haben gewettet, wann wir uns küssen und seit wann wir zusammen sind? Wie haben sie überhaupt gemerkt, dass es passiert ist? Sind wir so auffällig? Oh Gott. Himmel. Meine Wangen fangen Feuer.

„Schön, dann können wir jetzt ja so tun, als wäre das nicht das unangenehmste Gespräch aller Zeiten gewesen und einfach so weiter machen, als wäre nichts passiert." Brummt Dominic und nimmt kurzerhand seine Gitarre, während Jackson „Jaja" sagt und anfängt, sein Instrument zu stimmen. Ich schüttele den Kopf und atme tief durch, um die Hitze aus meinem Körper zu vertreiben. Das war so peinlich, ich kann für heute niemandem mehr in die Augen schauen.

Ich habe meine Scham allerdings schnell wieder vergessen, als wir eine Weile später auf der Bühne stehen und unsere Musik die Konzerthalle durchdröhnt. Das Publikum ist gewachsen und mittlerweile wesentlich größer als zu Beginn, aber ich bin zu glücklich, um eingeschüchtert zu sein.

Doch nicht mal die lauten Instrumente schaffen es, Dominics Lachen aus meinen Gedanken zu verdrängen. Ich glaube, ich habe ihn noch nie richtig lachen gehört und es klang so schön, dass ich an nichts anderes mehr denken kann. Ich grinse wie eine Irre und mir ist klar, dass man es hören kann wenn ich singe, aber das ist mir egal. Die Stimmung war noch nie so gut wie heute. Die Zuschauer sind nicht mehr zu halten, die Leute kennen mittlerweile alle Texte und singen begeistert mit. Es ist heiß, die großen Scheinwerfer erhitzen die Bühne noch mehr und ich glühe förmlich.

Euphorie erfüllt mich, die ich noch nie so intensiv erlebt habe. Ich lasse meinen Blick über die hüpfende und tanzende Menschenmasse schweifen, über Chase der auf sein Schlagzeug einschlägt, Jackson der seinen zugewiesenen Platz hinten verlassen hat und eine kleine Show aufführt, bis zu Dominic, an dem meine Augen hängen bleiben.

Er sieht so verdammt gut aus, es ist nicht zu fassen. Das schwarze Shirt liegt eng an seinem Körper, ich sehe die Konturen seiner Muskeln, die ich vorhin noch mit meinen Lippen berührt habe. Seine schwarzen Haare hängen ihm ins Gesicht und ich realisiere, dass seine Hände bluten, so leidenschaftlich spielt er. Er muss sein Plektrum irgendwo verloren haben, aber er lässt sich nicht beirren. Die Adern treten unter seiner tätowierten Haut hervor, seine kraftvolle Stimme erfüllt den Raum und ich kriege Gänsehaut. Er ist perfekt. Und er gehört mir allein. Himmel.

Mein Klavierpart ist vorbei, also stehe ich auf, nehme mein Mikro mit und hüpfe hinüber zu Jackson, um Dominic ein neues Plektrum zu klauen, damit er sich nicht weiter verletzt. Ich verkneife mir ein Lachen, als ich realisiere, dass Jacksons Gesicht auf das Plektrum gedruckt ist. Natürlich. Ich bin nicht mal überrascht. Ich spüre alle Augen auf mir, als ich mich Dominic nähere, seinen Rücken berühre und sofort macht er einen kaum merklichen Schritt zurück, um näher bei mir zu sein.

Ich fühle mich so mächtig, dass es beinahe lustig ist. Er grinst, als ich ihm das Plektrum gebe.

„Danke, Smarty." Sagt er und die Zuschauer kreischen auf. Ich habe die ganzen Videos im Internet vergessen und dann fällt mir auf, dass das hier gefundenes Fressen ist, aber ehrlich gesagt ist es mir egal. Wir singen gemeinsam, sein dunkler Blick brennt sich durch all meine Zellen, aber ich schaue nicht weg. Ich fühle mich vollkommen befreit und mit jedem Tag auf Tour wird das Gefühl intensiver, überwältigender. Ich bewege mich zur Musik, ungehemmt und mit einem breiten Grinsen im Gesicht, genieße es, wie tausende Stimmen in meinen Adern vibrieren. Es ist unbeschreiblich. Das ist es, wofür ich gemacht wurde. Hier gehöre ich hin.

Ich will, dass es niemals aufhört, aber das Konzert endet und die Zuschauer gehen. Ich bin vollkommen erhitzt, erschöpft aber glücklich und ich kann gar nicht anders, als Dominic zu umarmen, der sofort seine Arme um mich legt und mich an sich drückt. Jackson kommt dazu und dann habe ich plötzlich alle drei umarmt. Nicht nur ich habe die Energie heute so stark gespürt wie nie zuvor. Die Jungs sind genauso erhitzt wie ich, grinsen genauso breit.

Und dann sind es nur Sekunden, in denen alles kaputt geht. Sekunden, in der die Seifenblase zerplatzt. In denen mir der Boden unter den Füßen weggerissen wird.

„Leute." Sagt Chase tonlos und als ich mich umdrehe, gefriert mir das Blut in den Adern. Ein silberner SUV steht hinter der Hallenabsperrung. Nein. Das kann nicht sein.

„Dominic." Bringe ich hervor, meine Stimme zittert und er stellt sich automatisch vor mich, um mich mit seinem Körper abzuschirmen, aber es ist zu spät.

Meine Eltern steigen aus dem Wagen und kommen auf uns zu.

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