kapitel 40 - dominic

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DOMINIC

Anspannung sitzt tief in mir und als ich aus der Dusche komme und einen Blick in den Spiegel werfe, spüre ich sie umso mehr. Ich glaube, ich habe noch nie so viel gefühlt wie in den letzten Tagen. Euphorie auf der Bühne, Euphorie wenn ich Leah sehe, und gleichzeitig Panik, weil dieses ungewohnte, zarte Gefühl von Freude und Lebensenergie so fragil ist. Ich weiß nicht, wie lange es anhalten wird, ich weiß nur, dass es nicht lange bleiben kann.

Tut es nie. Das war schon immer so. Sobald ich ein kleines bisschen Glück erlebe, fange ich es ein und stecke es in ein Glas, wie ein Schmetterling. Ich halte den Deckel zu, tue alles, damit er nicht entkommt, aber es dauert nicht lange, bis er erstickt. Oder jemand auf das Glas tritt und es zersplittert. Meistens bin ich es selbst.

Ich ziehe mir eine Jogginghose an und atme tief durch, um ruhig zu bleiben. Mein Hals verengt sich, aber ich konzentriere mich. Leah ist draußen im Bett und ich werde definitiv keine Panikattacke bekommen, wenn sie in der Nähe ist. Außerdem haben wir in zwei Stunden unser letztes Konzert in Clarkton, ich muss mich zusammenreißen. Scham erhitzt meine Wangen und ich presse frustriert den Kiefer zusammen.

Plötzlich vibriert mein Handy und ich verenge irritiert die Augen, als ich nach der Nachricht schaue. Mein Herz stolpert, als ich das „L" auf dem Bildschirm sehe.

Ich habe all ihre Sachen verkauft. Nur, dass du nicht darüber nachdenkst, irgendwas zu kriegen.

Mein Kiefer verspannt sich. Ich will ihn umbringen. Will ich wirklich. Der Drang ist so stark, dass er mich manchmal selbst beunruhigt.

Ich habe es mehr oder weniger gut geschafft, alles zu verdrängen. Lance hat sich nicht mehr gemeldet, seit wir los sind und ich hatte kaum noch Zeit, darüber nachzudenken, dass sich der Tod meiner Mutter beinahe wie Erlösung angefühlt hat. Aber ich kann nicht ewig davor davonlaufen.

Ich sollte ihn einfach blockieren. Aber ich kann nicht. Ich weiß nicht mal, warum. Es gibt nichts, was er sagen oder tun könnte, um irgendetwas zu ändern und trotzdem halte ich an ihm fest. Es ist erbärmlich. Ich bin erbärmlich.

Jetzt wo sie tot ist kannst du ja mal darüber nachdenken endlich zu sterben. Hast ja sonst keinen Grund mehr zu leben.

Eine weitere Nachricht kommt und das Atmen fällt mir schwerer. Es ist zu warm in diesem Raum, zu stickig, dabei habe ich kalt geduscht. Ich brauche einen Joint. Jetzt sofort, wenn ich die Panik noch bewältigen will. Ich verlasse hastig das Bad und durchsuche meine Tasche, woraufhin Leah mich verwirrt betrachtet. Sie liegt auf dem Bett und liest ein Buch, sieht dabei so gnadenlos schön aus wie immer, aber nicht mal ihr Anblick hilft mir gerade, mich zu beruhigen.

„Alles okay?" fragt sie, Besorgnis liegt in ihrer Stimme und ich nicke schnell, hoffe, dass sie mich nicht allzu lange betrachtet und die ganzen Verletzungen und Narben an meinem Körper sieht. Ich kann keine Fragen beantworten, nicht jetzt. Ich muss einfach hier raus.

„Ja. Ich brauche nur was zum Rauchen." Sage ich mit rauer Stimme, während mein Herz anfängt zu rasen. Fuck. Wo sind meine Joints?

„Ähm." Murmelt sie. „Ich glaube, Jackson hat den letzten genommen."

Ich schaue auf und hoffe, dass ich das Entsetzen in meinem Gesicht gut verborgen habe. Das kann nicht sein Ernst sein.

„Wann?"

„Er war vorhin kurz hier als du geduscht hast. Tut mir leid, ich wusste nicht... ich hätte ihn aufhalten sollen..." entschuldigt sie sich sofort und ihre Augen weiten sich, aber ich schüttele schnell den Kopf. Es ist nicht ihre Schuld. Nichts ist ihre Schuld.

ANTITHESISWhere stories live. Discover now