kapitel 2 - dominic

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DOMINIC

„Ist das dein Ernst?"

Chase verschränkt die Arme und verdreht zum dritten Mal die Augen, während ich in unserem dunklen Proberaum auf und ab gehe und ihm einen tödlichen Blick zuwerfe.

„Sorry, ich wollte es ja auch nicht. Aber meine Tante hat mich gefragt und sie hat mir so viel geholfen, mit meiner Mom und nachdem ich aus der Uni geworfen wurde, wie konnte ich da nein sagen?" Verteidigt er sich und hebt die Hände.

„Ganz einfach, ich mache es dir vor." Blaffe ich. „Nein."

Dabei darf ich nicht mal wütend sein. Nur, weil ich keine Familie habe und mir niemand außer diesen Jungs irgendetwas bedeutet, heißt das nicht, dass sie für mich dasselbe tun. Wäre ich in seiner Position hätte ich vermutlich genauso gehandelt.

„Vielleicht wird es gar nicht so schlimm." Wirft Jackson in den Raum, der auf dem Boden sitzt und an seinem Bass herumschraubt und nicht halb so angepisst wirkt wie ich.

„Darf ich dich an den Talentwettbewerb erinnern?" entgegnet Chase jedoch und reibt sich müde über das Gesicht. „Das Mädchen wurde zur Furie."

Jackson lacht und schüttelt den Kopf. „Wir haben sie auch ordentlich provoziert, muss man dazusagen."

Ein Grinsen zupft an meinen Mundwinkeln. Oh ja. Wenn es eins gibt, was wir können, dann ist es das. Provozieren.

„Wahrscheinlich hält sie es eh keine zwei Stunden mit uns aus." Sage ich und stoße spöttisch die Luft aus, während ich eine Zigarette aus meiner Hosentasche krame und sie mir zwischen die Lippen klemme.

„Draußen wird geraucht." Sagt Chase mürrisch und ich zeige ihm den Mittelfinger, ehe ich die Zigarette anzünde und das Fenster kippe. Seine Augen sind gerötet und ich weiß genau, dass er völlig zugedröhnt ist. Das können auch die Gläser seiner Brille nicht verstecken. Nur so bleibt er entspannt genug, um sich auf sein Fernstudium zu konzentrieren, sagt er zumindest.

„Stimmt. Sie passt nicht zu uns. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie überhaupt will. Sie hasst uns genauso sehr wie du sie, schon vergessen?" sagt Jackson unbekümmert und stopft sich ein paar Chips in den Mund. Er krümelt den ganzen Boden voll, aber ich sage nichts, denn das ist gerade mein kleinstes Problem. Er hat Recht. Nachdem wir gewonnen haben, sind wir nicht im Guten auseinandergegangen. Ich weiß auch wirklich nicht, was ihr Problem ist. Es war ein Talentwettbewerb, nicht die Olympischen Spiele. Aber sie hat das ganze so ernst genommen, dass ich wirklich dachte, sie heult, als unsere Namen aufgerufen wurden.

„Lass uns wetten." Schlage ich plötzlich vor. Meine Wut ist allmählich verraucht. Ich habe eine Idee, die mich beinahe zum Grinsen bringt. Bei dem Wort „Wette" lehnt Jackson sich neugierig vor und blickt mich an, Chase zieht die Augenbrauen hoch und seufzt müde.

„Was hast du jetzt schon wieder vor, Dom? Werden wir sterben?"

Ich gehe nicht auf seine Anspielung ein, während ich einen Zug nehme und den Rauch langsam aus meinem Mund entweichen lasse. Das war einmal gewesen. Ich gebe zu, zu wetten, wer am meisten K.O Tropfen nehmen kann, ohne das Bewusstsein zu verlieren, war nicht meine beste Idee.

„Sie wird eh nicht lange durchhalten, aber vielleicht können wir das Ganze ein wenig beschleunigen." Fahre ich fort.

Jackson kann sich nicht entscheiden, ob er die Stirn runzeln oder grinsen soll und spielt mit seinem Nasenpiercing.

„Lasst mich erklären. Wir wollen sie alle nicht dabei haben. Wir brauchen einen richtigen Sänger, stimmts? Keine halbstarke Chorsängerin. Wir tun ihr nur einen Gefallen, damit sie nicht ihre Zeit verschwendet." Führe ich meinen Gedanken aus.

„Ich gebe ihr fünf Tage." Sage ich.

„Sechs." Schaltet Chase sich ein.

„Sieben." Jackson grinst.

„Die Wette gilt."

Wir schlagen ein und plötzlich macht sich so etwas wie perfide Vorfreude in mir breit. Ich schulde ihr nichts. Sie kann froh sein, wenn sie so schnell von uns wegkommt, wie möglich.

Wir sind nicht gut für sie. Sie ist nicht gut für uns. Punkt.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie wahnsinnig sie mich gemacht hat, als wir gegeneinander angetreten sind. Es war lächerlich. All meine Gedanken waren bei ihr, bei ihren blonden Haaren, diesen unschuldigen hellblauen Augen. Wie konnte ich sie aus der Reserve locken?

Es hatte viel zu viel Spaß gemacht, sie wütend zu machen. Denn es war eine echte Herausforderung gewesen.

Leah Kingsteen ist die freundlichste, höflichste und zurückhaltendste Person, die ich kenne. Sie war es nicht, die nach Problemen gesucht hat. Es ist bloß irgendwie dazu gekommen. Und als ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören.

So sehr ich sie und ihre Familie auch verabscheue, mit ihren glänzenden silbernen SUV und ihrem Geld, das sie nicht verdient haben- sie hat mich süchtig gemacht. Ich habe kein Ende gefunden.

Ich habe es beinahe genossen, als sie endlich zurückgeschlagen und unsere Kabel zerschnitten hatte. Darauf hatte ich gewartet. Sie kann also auch anders.

Aber unsere Fehde beruht auf Gegenseitigkeit.

Ich nehme einen weiteren Zug meiner Zigarette und mein Körper entspannt sich langsam. Das Nikotin ist nie genug, um mich lange ruhig zu halten, aber für jetzt reicht es aus.

Ein kleiner Teil von mir freut sich fast darauf, sie wiederzusehen. Und wer weiß, vielleicht kann sie meine neue Droge sein, nur für einen kleinen Moment.

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