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Als hätte ihn ein Blitz getroffen, blieb der Mann am anderen Ende des Raumes schlagartig stehen, wagte es aber erst nach einem kurzen Moment, sich zu mir umzudrehen. „Warum nennst du mich so?" Es war nicht leicht, die Fassung zu bewahren, während sein scheinbar unschuldiger Blick mich zu fesseln begann. „Das Tattoo." Ich brauchte nicht einmal darauf zu deuten, damit er verstand, wovon ich sprach. Er hob automatisch sein Handgelenk und warf einen Blick darauf. Es war nicht mehr detailliert sichtbar, die Farbe war verwischt worden. Allein durch die kurze Berührung im Badezimmer, als ich nach seinem Handgelenk gegriffen hatte. Mit purer Absicht.

„Es ist nicht echt." Meine zuvor noch sanfte Stimme, war nun kalt und unnahbar. „Du hast mich angelogen." „Das ist nicht wahr, Elodie. Ich habe.." begann er seine Taten erklären zu wollen und trat dabei langsam ein paar Schritte auf mich zu. Selten hatte ich seine Emotionen so deutlich aus seinem Gesichtsausdruck ablesen können. Er war unsicher, machte sich Sorgen. Vielleicht spielte er aber auch mit dem Gedanken, mir etwas Schweres an den Kopf zu werfen, damit ich meine Entdeckung schnellstmöglich wieder vergaß. „Wage es bloß nicht, noch einen Schritt näher zu kommen."

Lucifer blieb auf der Stelle stehen und ich spürte, wie mir bei diesem Anblick erneut Tränen in die Augen traten. Wenn der Mann vor mir nun doch wirklich Lucifer war. Was war dann mit Raphael und all den anderen, die mir in dieser Zeit ans Herz gewachsen waren? „Warum hast du mir vorgespielt, jemand anderes zu sein?" Er zögerte bei seiner Antwort auffallend lange, was mir bereits genügte. Er würde nicht überlegen müssen, wenn er tatsächlich einfach nur Luc war. Es war also leibhaftig Lucifer. „Warum kann ich mich an Momente mit dir erinnern, die laut meines Wissens niemals stattgefunden haben? Was hast du mir angetan?"

Es gelang mir nicht, meine Tränen weiterhin unter Kontrolle zu halten. Der nächste Tag würde mir sicherlich Kopfschmerzen bescheren. „Das ist nicht so einfach zu erklären, Elodie." Obwohl ich zutiefst verletzt davon war, dass hier etwas vor sich ging, was er mir verschwiegen hatte, brachte ich ein zynisches Lachen zustande. Unter meinen Tränen musste dies sicherlich ein wenig verrückt aussehen. „Denkst du etwa, ich vertrage die gesamte Wahrheit nicht? Wenn das was ich in diesen Momenten gesehen habe, wirklich die Realität ist, dann.." Ich verstummte, als mir ein Gedanke in den Kopf schoss.

Das war der Grund, weshalb ich mich in meinem derzeitigen Zuhause nicht mehr heimisch gefühlt hatte. Weil es schon seit einer ganzen Weile, nicht mehr mein Zuhause gewesen war. In dieser damaligen Realität, die er mich auf irgendeine Traum wahrnehmen lassen hatte, war ich umgezogen. „Was ist mit Amanda und Tiago geschehen? Hast du ebenfalls dafür gesorgt, dass sie verschwinden?" Ich redete mich in Rage, obwohl ich wusste, dass nicht Lucifer, sondern Hades etwas mit deren Verschwinden zu tun haben musste. „Ich würde ihnen niemals etwas antun, das weißt du." Versuchte er mich zu beruhigen, wobei ihm die Verzweiflung geradewegs ins Gesicht geschrieben stand. Er schien nicht zu wissen, was er nun tun sollte.

Das Schluchzen zu unterdrücken versuchend, setzte ich mich langsam in Bewegung, um auf ihn zuzugehen. „Ohne Amanda und Tiago habe ich nichts mehr aus meinem alten Leben. Meinem Leben vor dir. Du hast alles zunichte gemacht, was mir von damals geblieben ist. DU hast mein Leben zerstört und.." ich atmete einmal tief durch, um die erneut heranrollende Welle an Tränen zurückzuhalten. „.. und jetzt muss ich auch noch feststellen, dass all die vergangenen Monate lediglich eine Scheinwelt waren und alles, was ich als Traum wahrgenommen hatte, real gewesen ist. Ich hasse dich, Lucifer. ICH HASSE DICH."

Meine Worte schienen für ihn wie ein Schlag ins Gesicht zu sein, denn er passte sich meinen Schritten an und trat langsam vor mir zurück. „Du musst mir glauben, Elodie. Wir wollten nie, dass all dies passiert." „Wir?" Ich hob fragend eine Augenbraue, bis mir ein Licht aufging. „Oh ja, richtig. Du und Raphael, mein ehrenwerter Schutzengel. Dein angeblicher bester Freund, von dem du mich glauben ließest, dass er tot sei!" Mit einer kurzen Handbewegung deutete ich auf das Tattoo an seinem Handgelenk. Nichts davon war je real gewesen. Sie hatten mir beide nur etwas vorgespielt, denn ich wusste, dass Raphael involviert war. Jophiel sicherlich auch. Wer wusste ebenfalls noch davon?

Des Teufels VermächtnisWhere stories live. Discover now