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Das Gefühl von Tag und Nacht hatte ich mit der Zeit endgültig verloren. Hier gab es weder eine Uhr, noch richtige Fenster, mit denen ich hinaus in die normale Welt sehen konnte. Wenn das hier wirklich die Hölle war, von der Aiden gesprochen hatte, dann fühlte sich diese auch wahrhaftig danach an. Noch immer waren die Gedanken in meinem Kopf so laut, dass ich es nicht schaffte, ihnen allesamt Gehör zu verschaffen. Es war wie ein endloser Kreislauf aus Gedanken, Erinnerungen und der Realität. Aiden war nicht Aiden und aus irgendeinem Grund kannte er Lucifer, der jedoch nur in meiner Erinnerung eine Rolle spielte, von der er absolut nichts wissen konnte. Und warum sollte dieser nicht reale Lucifer nach mir suchen? Das ergab nicht einmal ansatzweise einen Sinn.

Ich strich mir eine noch feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und betrachtete gedankenversunken die Decke des Raume über mir. Ausgestreckt lag ich auf dem Sofa, die Hände auf dem Bauch abgelegt und versuchte zu ergründen, was genau hier vor sich ging. Wenn ich mich nicht irrte, tat ich dies bereits seit einigen Tagen. Denn hin und wieder überkam mich die Müdigkeit und ich legte mich in das angrenzende Schlafzimmer, um mich von meinen Träumen leiten zu lassen. Auch dort hatte sich alles von einem fröhlichen bunten Farbenspiel zu einem tristen, düsteren Morddebakel entwickelt. Die lockere, etwas zu große Jogginghose und das einfache Shirt das ich trug, wirkten ebenso fahl und leblos. Sie spiegelten mein derzeitiges Befinden grandios wider.

Seit dieser Zeit hatte ich Aiden nur gelegentlich zu Gesicht bekommen, wenn er kurzzeitig vorbeikam und mir eine Tüte mit Lebensmitteln oder Kleidung brachte. So wie ich es ihm mitgeteilt hatte, aß ich auch. Zwar nicht viel, aber immerhin so viel, dass es genügte um mich am Leben zu erhalten. Schließlich konnte ich die Menge nun selbst festlegen, da ich die Möglichkeit zum Kochen besaß. Solange Aiden mir das Nötige dafür in die Hand legte. Es war zudem eine Möglichkeit, um mich für einen kurzen Moment von alldem abzulenken. „Wie ich sehe, hast du dich gut eingelebt." Ich schrak zusammen, als Aidens Stimme plötzlich erklang. Schnell setzte ich mich auf und entdeckte ihn nur wenige Meter von dem Sofa entfernt.

Er lehnte rücklings an dem Esstisch, der sich direkt neben der Tür zur Küche befand. Mit den Armen vor der Brust verschränkt, schien er mich auf diese Weise wohl bereits eine Weile beobachtet zu haben. „Bilde dir bloß nichts darauf ein." Brummte ich, was ihn lediglich eine Augenbraue hochziehen ließ. „Ich bin nicht freiwillig hier, schon vergessen? Also ist diese Wohnung nun mein Mittel zum Zweck." Erklärte ich ihm, was allerdings keine weitere emotionale Reaktion bei ihm zustande brachte. Stattdessen löste er seine Arme und deutete an, dass ich zu ihm kommen sollte.

Zögernd kam ich seinem Willen nach und erhob mich von dem Sofa, um mich ihm mit unsicheren Schritten zu nähern. Alleine an diesem Ort zu sein, fühlte sich beinahe schon angenehm an. Doch sobald Aiden hier auftauchte, verschwand dieses Gefühl und ich spürte unentwegt seinen durchdringenden Blick in meinem Rücken. Bei allem was ich tat. Als ich schließlich vor ihm stehen blieb, betrachtete er mich einen Augenblick schweigend. Bis er eine Hand hob, um mir diese eine lästige Strähne aus der Stirn zu streichen. „Ich beobachte dich schon eine ganze Weile, Elodie. Deutlich länger, als dir bewusst ist."

Ich verspürte das Verlangen, mich augenblicklich von ihm entfernen zu wollen. Alles an ihm war mir unangenehm. Seine Stimme, seine Berührung, seine bloße Anwesenheit. Ganz anders als es bei Lucifer der Fall war. Ob er wirklich nur in meinem Traum entstanden war, sei mal so dahingestellt. Aidens Hand wanderte zu meinem Kinn und zwang mich somit dazu, ihn weiterhin anzusehen. „Wenn du wüsstest, was ich alles mit dir anstellen würde, hätte Lucifer dich nicht in seinen Bann gezogen." Mir wurde schlagartig schlecht und ich sehnte mich nach nichts mehr, als dass er endlich verschwand.

Zu meinem Glück löste er seine Hand wieder von mir und ich konnte ihm ein irritiertes Stirnrunzeln entgegenbringen. „Warum bist du hier? Ich sehe keine Mitbringsel." Ich bemühte mich, die Nervosität in meiner Stimme nicht mitschwingen zu lassen. Es genügte bereits, dass ich ihm versichert hatte, mich ihm nicht mehr zu widersetzen. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass ich seine Taten mögen musste. „Du bist also der Annahme, Lucifer sei lediglich ein Konstrukt deiner Fantasie." Das äußerst amüsierte Grinsen was dabei auf seine Lippen trat, war schließlich ausschlaggebend dafür, dass ich einen Schritt von ihm zurücktrat.

Des Teufels VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt