30- Die Schlacht beim Shazasee

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Das Wasser des Sees war unter der Oberfläche glasklar und Thara konnte fast das ganze Königreich problemlos überblicken, ohne dass das Wasser ihre Augen reizte. Die Kirche musste einst ein besonders eindrucksvolles Gebäude gewesen sein. Im Gegensatz zu den meisten Häusern in diesem Viertel, die zum Großteil protzige Villen waren, war sie kein bisschen von Schlingpflanzen oder Ranken bewachsen, auch ihre Gemäuer hielten dem Wasser anscheinend unbeeindruckt stand, denn Thara konnte keinen einzigen Riss in dem weißen Mauerwerk erkennen. Jedoch nahm sie sich auch nicht wirklich viel Zeit, um sich die Kirche genauer anzusehen. Es zählte, das Schloss zu finden. Beide Hände um Akiras Hals geschlungen, hielt sie Ausschau. Das Schloss war nicht schwer zu finden: Es war riesig und eines der imposantesten Dinge, die sie je gesehen hatte. Marmorne Statuen, Dachskulpturen aus Gold und, dank der langen Versunkenheit ziemlich verwucherte, weitläufige Gärten in die sich Algen gemischt hatten und zwischen denen sich bunt schillernde Fische tummelten, ließen keinen Zweifel an dem einstigen Reichtum des Königreichs. Bevor sie in Richtung des Schlosses schwimmen konnte, musste sie allerdings auftauchen, um Luft zu holen. Als sie wieder an die Luft kam, vergaß Thara jedoch beinahe das Atmen. Das Ufer des Sees hatte sich in ein Schlachtfeld verwandelt. Die Wiedergänger und Soldaten Ekadias hatten längst die Stelle erreicht, an der sie am Ufer gestanden hatten, doch der Kampf beschränkte sich keines Falls nur auf diesen Ort. Überall am Waldrand standen sich Kämpfende gegenüber. Es gab keine Ordnung, keine Formation, jeder duellierte sich mit jedem. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, woher diese ganzen Leute kamen, dann konzentrierten sich ihre Augen und sie sah ihr eigenes Heer. Soldaten unter dem Wappen des Hirsches, unter dem Wappen Alonias. Dunkelwaldelben zerflügten mit zwei Drachen die Kämpfenden. Genauso wie die Magie der Edelsteine schien auch Drachenfeuer hier nutzlos zu sein, denn Brände konnte sie nicht entdecken. Auch Zwerge und Zentauren waren anwesend, für einen kurzen Moment glaubte Thara, Leanords Vater zu erblicken, den sie damals in Saothrach kurz vor dem Angriff auf die Stadt kennengelernt hatten, das fühlte sich eine Ewigkeit lang her an.

Niemand der Kämpfenden schenkte ihr große Beachtung. Ab und zu flog ein Pfeil in ihre ungefähre Richtung, doch noch schien man nicht zu begreifen, was sie tat.

Solange das noch so war, zwang sie sich, den Blick vom Ufer abzuwenden, und stattdessen auf den See zu konzentrieren. Die friedliche Stille umschloss sie sofort und erstickte alle Kampfgeräusche, wodurch sie sich wieder voll auf ihre Aufgabe konzentrieren konnte. Das Schloss lag in der Mitte des Sees, wohin Akira nur wenige Sekunden brauchte. Der höchste Turm war nicht schwer zu verfehlen. Wie Tinnuviel gesagt hatte, saß eine ziemlich groteske Figur in Form eines Vogels auf der Spitze des roten Ziegeldachs. Die goldene Statue eines sitzenden Tigers thronte auf dem Dachvorsprung über dem kleinen runden Fenster, sie schien es zu bewachen. Das Fenster war verschlossen. Mit aller Kraft drückte sie dagegen, doch es rührte sich nicht, sie konnte einfach nicht genug Druck aufbringen. Ihre Sicht wurde wegen dem Mangel an Sauerstoff schummerig. Beim zweiten Versuch trieb sie Akira direkt auf das Fenster zu. Der Kopf des goldenen Tigers schien bei näherer Betrachtung schon einmal abgetrennt worden zu sein und der Klebstoff, der ihn auf dem Körper hielt, war mit der Zeit durch das Wasser sehr schwach geworden. Thara konnte den Tiger mit beiden Händen leichter als gedacht köpfen, bevor sie seinen Kopf anschließend so fest sie konnte gegen das Glas schlug. Es zerbrach dieses Mal tatsächlich. Ohne auf Tharas Zeichen zu warten, schwamm Akira so an das Fenster heran, dass Thara direkt vom Sims in das Turmzimmer schlüpfen konnte. Die Truhe, die Tinnuviel beschrieben hatte, stand an der gegenüberliegenden Seite auf einer weiteren hölzernen Truhe an der Wand. Sie war zu großer Erleichterung offen und der Schlüssel steckte im sonnenförmigen Schloss. Sie entleerte alle Juwelen aus der Drachensilberschatulle in die kleine Truhe bis auf den Smaragd.

Ohne die Kontrolle über den Edelstein gemeistert zu haben, hallte Tinnuviels Stimme in ihren Kopf wieder. Aber Naira hatte den Smaragd gemeistert, oder?

Des Königs letzter SchatzWhere stories live. Discover now