14- Eine Stadt in Aufruhr

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Sie fühlte sich entfernt an einen Ameisenhaufen erinnert, bei dem geschäftigen Treiben, welches nun auf der Wiese vor ihnen begann. Die Pilze waren fast alle erwacht und setzten ihren Weg über die Wiese und über Baumstämme hinweg so zielsicher fort, als wäre nie etwas gewesen. Manche trugen Moos, Eicheln oder kleine Stücken Baumrinde, manche hatten sich, ganz wie Ameisen, zusammengetan, um den ein oder anderen Stein zu transportieren. Sie hatten winzige schwarze Augen und sogar einen Mund unterhalb ihres Hutes. Diese Münder und Augen waren in ihrem erstarrten Zustand nicht wahrnehmbar gewesen, da sie sie geschlossen hatten. Thara konnte pummelige Arme und Beine erkennen, die die gleiche Farben und Musterungen hatten wie ihre Stiele. Auch die leisen Stimmchen, die sie bei ihrer Ankunft gehört hatte, waren wieder laut geworden und sprachen ein unverständliches Gebrabbel. Obwohl das der Moment war, auf den sie gewartet hatten und die Sonne immer tiefer sank, rührten sich weder Thara noch Tinnuviel. Sie lagen nur da und Thara sah dem Treiben dort vor ihren Augen fasziniert zu. Die Pilzwichte schienen sie gar nicht zu bemerken. Während sie noch da lagen und den kleinen Wesen bei ihrer Arbeit zusahen, wurde Thara klar, dass sie sich hier nur so sehr vermehren konnten, da sie aufgrund des Sturms keine natürlichen Feinde mehr hatten. Die Pilzwichten trotzten den widrigen Bedingungen durch ihre Größe, doch alle Tiere, auf deren Speiseliste sie standen, hatte der Sturm aus diesem Teil des Waldes vertrieben. Thara war ganz versunken in den Anblick der kleinen Kobolde, dass sie erschrocken zusammenfuhr, als Tinnuviel kaum hörbar zu flüstern begann.

"Also, wie Firion es uns erzählt hat. Die Rangfolge richtet sich nach ihrer Größe."

"Wir müssen also einfach nur warten bis wir einen sehr großen von ihnen sehen und ihn dann schnappen", ergänzte Thara. Sie konnte Tinnuviel aus dem Augenwinkel leicht nicken sehen. Sie wagte es jedoch nicht, den Kopf zu drehen, um sie anzusehen, aus Angst, die Pilzwichte würden sie dann bemerken. Tinnuviels nächste Worte wurden vom Wind so stark verweht, dass Thara nur annehmen konnte, dass es etwas war wie Genau und dann wird er uns hoffentlich verraten, wo der Rubin versteckt ist. Es dauerte einige quälend lange Minuten, in denen Tharas Zähne anfingen, laut zu klappern und sie alle Muskeln anspannte, um nicht zu zittern vor Kälte. Der Wind konnte, trotz dem sie flach auf dem Boden lag, in ihre Kleidung fahren und ihr ins Gesicht pusten. Endlich sahen sie ihn. Er war eindeutig ihr Anführer, fast doppelt so groß wie die größten Pilzwichte, die sie bisher gesehen hatten und er schrie mit seinem hellen Stimmchen auch mindestens dreimal so laut herum wie der Rest. Allerdings sprachen sie alle eine Sprache, die Thara nicht verstand.

"Das ist er", sagte sie. Tinnuviel sprang unvermittelt auf und Thara tat es ihr einen Augenblick später gleich. Erschrocken von der plötzlichen Bewegung schreckten die Pferde aus ihrem Dösen und richteten sich ruckartig auf. Glücklicherweise liefen sie nicht weg, sondern blickten sich nur verwirrt um. Thara folgte Tinnuviel, die im Begriff war, die paar Meter bis hinüber zu dem großen Pilzwicht zu überwinden. Die anderen Kobolde watschelten mit ihren kurzen Beinchen chaotisch umher. Nichts lief nun mehr geordnet, wie noch wenige Minuten zuvor. Die, die etwas getragen hatten, ließen es sofort fallen und piepsten hysterisch durcheinander, während sie sich über den Haufen rannten. Thara starrte konzentriert auf den Boden, um auf keinen von ihnen zu treten und gleichzeitig wegen des Sturms nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Tinnuviel hatte den Dicken als erste erreicht und pflückte ihn entschlossen vom Boden. Er kreischte nicht weniger hysterisch als die anderen und mühte sich mit seinen stummeligen Ärmchen verzweifelt, sich aus ihrer Faust zu befreien. Doch Tinnuviel hielt ihn fest. Er versuchte in seiner Verzweiflung sogar, in ihren Zeigefinger zu beißen, doch als er den Mund aufsperrte, konnte Thara erkennen, dass er überhaupt keine Zähne besaß. Das hysterische Gebrabbel und Herumrennen auf der Lichtung hatte ein Ende gefunden. Als Thara sich kurz umblickte, sah sie, dass die Pilzwichte wieder in ihren Tarnmodus übergegangen waren und sich nicht mehr rührten. Bis auf ihren Anführer, der sich unermüdlich immer noch aus Tinnuviels Griff zu winden versuchte. Tinnuviel schüttelte ihn einmal auf und ab, was ihn zum Verstummen brachte.

Des Königs letzter SchatzWhere stories live. Discover now