1- Die neue Königin

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Der Sarg brannte nun lichterloh. Das kleine Feuer im Inneren hatte seine Arbeit getan und nach langen Augenblicken des Wartens und Schweigens, begann Idhril nun die Bestattungszeremonie.

"Wir bedauern den Tod unseres allseits geliebten Königs Aldon. Viel zu früh musste er von uns gehen." Aus hinteren Reihen war lautes Naseschnäuzen zu hören, ob echt oder nur gespielt wusste Thara nicht, ihr Kopf war leer, ihr Geist immer noch betäubt von dem plötzlichen Tod ihres Vaters.

"...vor einer Vergiftung ist niemand sicher, nicht einmal der König selbst. Unser besonderes Mitgefühl richtet sich vor allem an Prinzessin Thamara und Prinzessin Arthalia, die nun auch noch ihren Vater auf tragische Weise an das Jenseits verloren haben, aber auch an sein ganzes Volk, für dessen Wohlergehen er vor nichts zurückschreckte. Seine Seele steigt nun mit dem Rauch zum Himmel auf, wo sie warten wird, bis sie im Friedwald wieder einen Platz findet."

Tharas Augen wurden glasig, ihr Blick verlor sich im Feuer, durch dessen Knistern Idhrils Worte plötzlich nur noch gedämpft bis an ihre Ohren drangen.

"...nun ihm ihre Gaben, Gedanken und Hoffnungen mitgeben." Ihre Schwester Artha nahm ihren Arm, ihre Augen waren voller Tränen. Sie zog Thara mit sich nach vorne zu dem brennenden Sarg und sie legten jede andächtig eine weiße Rose und die goldene Krone des Königs in die Flammen. Das Gold glühte im Feuer auf. Die restlichen Menschen, Elben und anderen Wesen taten es den Schwestern gleich und warfen Blumen, Pergamentrollen und verschiedene andere Gaben ins Feuer, von denen sie glaubten, dass der Geist des Königs sie noch brauchen könnte. Manche schwiegen währenddessen nur andächtig, andere weinten und schluchzten und wieder andere, vor allem diejenigen, die sich wichtigmachen wollten, trugen ihre teilweise ein Meter langen Briefe vor, bevor sie sie in die Flammen legten.

Die Prozedur dauerte eine Ewigkeit und immer mehr Leute kamen hervor, die man zuvor aufgrund der großen Menge gar nicht gesehen hatte. Thara gab sich alle Mühe mit den Gedanken beisammen zu bleiben und blinzelte öfter, um nicht ständig abzudriften in längst vergangene Erinnerungen mit ihrem Vater, und in die Reue, die Zeit nicht besser genutzt zu haben.

Wenn sie eine Sache am Hofe gelernt hatte, dann, dass es wichtig war, nun gut aufzupassen. Denn als baldige Königin war es von ungemeinem Vorteil zu wissen, wer eigentlich nicht sehr gut zum König stand und nun aber heuchlerisch zu seinem Todesfest erschien, oder aber auch, wer eine scheinbar gute Beziehung zum König pflegte, sich nun aber zu schade war um ihm auch tatsächlich die letzte Ehre zu erweisen.

Wer seine Gaben mit dem Rauch hatte aufsteigen lassen, machte sich bereit, nahm sein Gepäck und, falls man reich genug war, sein Pferd und seinen Wagen und machte sich bereit, den Verstorbenen bei seiner letzten Reise, in Form seiner Asche, zu begleiten. Idhril stieg in die edle Kutsche, die den Trauerzug anführen würde. Sie war von einem tiefen Nachthimmelblau mit goldenen Rädern, auf ihrem Dach thronte die mit Gold verzierte Urne. Auf der glatten weißen Oberfläche der Urne prangte das Wappen des Königreichs Alonias, ebenso wie auf den Türen der Kutsche. Der mächtige Hirsch wirkte so majestätisch wie eh und je und strahlte heller als all die goldenen Ornamente um ihn herum. Thara und Artha setzten sich ebenfalls in die Kutsche. Sie wurde von zwei Schimmeln und zwei Rappen gezogen, alle mit wallender Mähne und schimmernden Schweifen, in die weiße und rote Rosen geflochten waren.

Artha nahm die Hand ihrer älteren Schwester und lehnte sich an ihre Schulter, als sich die Kutsche in Bewegung setzte. Jeder Schluchzer ließ ihren Körper erbeben. Thara legte einen Arm um sie und streichelte ihren Rücken, während sie mit leerem Blick die frühlingshafte Landschaft durch das goldgerahmte Fenster vorbeiziehen sah.

Es wurde langsam dunkel, die Vögel stiller, die Landschaft unschärfer, während sie immer weiter in die Nacht hineinfuhren. Schließlich stoppte der ganze Zug, die Menge versammelte sich und Idhril hielt ihre letzte Ansprache für diesen Tag.

Des Königs letzter SchatzWhere stories live. Discover now