5- Warnias Versammlung

22 6 33
                                    

Tatsächlich weckte Ronda sie früh am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne ganz über dem Horizont stand. Energisch schlug sie nun wieder gegen das Tor. Der gleiche Wärter wie in der Nacht öffnete die Metalltüren, als er sie erkannte.

"Ich wünsche, Euren König zu sprechen", sagte Ronda zu ihm. Der Wärter führt sie zu einem prächtigen Palast. Er hatte ein paar zierliche Türme mit bauchigen, aber spitz zulaufenden Dächern und viele Glasfronten, die allerdings nur Licht durchließen und keine Blicke. Der Wärter verschwand im Inneren, um sie dem König anzukündigen. Nach ein paar Minuten kam er wieder heraus.

"Der König ist nun bereit für Euch." Er verbeugte sich und ging davon.

"Überlasst besser erstmal mir das Reden", sagte Ronda bevor sie eintraten. Der Palast hatte eine hohe Kuppel und erinnerte Thara ein bisschen an eine Kirche.

Seit ihrer Kindheit war sie oft in die Kirche gegangen. Nicht weil sie so streng an die vielen verschiedenen Gottheiten glaubte, die sie im Mittraum hatten, sondern, weil es sich so gehörte. Fast alle ihre Freunde waren damals mit ihren Eltern in die Kirche gegangen. Als sie älter wurden, kamen manche nicht mehr, viele fanden Arbeit und hatten dann keine Zeit mehr. Auch Jaromir war ein guter Freund seit ihrer Kindheit, er schaffte es, Leibwächter am Hofe zu werden. Das war etwas, das nur sehr wenigen gelang. So hatte er sie weiterhin jede Woche in die Kirche begleitet und Thara hatte sich darüber gefreut, dass sie nicht alleine mit Artha und ihrem Vater dort sein musste. Ihre Mutter war bei Arthas Geburt verstorben, da war Thara gerade mal drei Jahre alt. Sie konnte sich noch vage an diese Zeit erinnern, ihrem Vater ging es nicht sehr gut, er zog sich eine Zeit lang etwas aus der Öffentlichkeit zurück, doch das war nicht lange möglich. Er war gezwungen den Schmerz zu verstecken und seinem Volk weiterhin ein guter König zu sein. Doch an manchen Abenden, wenn Thara nicht schlafen konnte, ging sie zu den Gemächern ihres Vaters. Dort fand sie ihn dann einmal, fast zwei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter, er saß mit dem Rücken zu ihr an einem kleinen Tischchen, ein gerahmtes Foto stand auf dem runden Tischtuch, davor eine schon weit heruntergebrannte weiße Kerze und der Körper ihres Vaters wurde von Schluchzern geschüttelt. Damals als Kind hatte es sie sehr bedrückt, ihren Vater so aufgelöst zu sehen. Sie hatte es gehasst, Erwachsene weinen zu sehen. Kinder weinten regelmäßig aus den willkürlichsten Gründen, doch Erwachsene? Es bedeutete immer, dass etwas Schlimmes passierte und es beschlich sie dann ein Gefühl der Hilfslosigkeit.

König Celduin war eine beindruckende Erscheinung. Er war groß, noch einen halben Kopf größer als Jaromir, seine langen glatten Haare fielen wie ein blond-grau schimmernder Vorhang seinen Rücken hinab und Thara wusste nicht, ob sie seinen überlegenen Blick einschüchternd oder wissend deuten sollte. Sie verbeugten sich tief vor dem König von Warnia, der dort, eine Stufe erhöht, auf seinem marmornen Thron saß und abwartend schwieg.

"Eure Hoheit, König Celduin", begann Ronda respektvoll mit den Worten, die sie sich bestimmt schon seit letzter Nacht genau bereitgelegt hatte. Ihr Blick war dabei auf den König fixiert. Obwohl sie eine fast unterwürfige Miene aufgesetzt hatte, konnte Thara noch die Wut der letzten Nacht erkennen, die Ronda zurückdrängte. Sie trug dem König alles vor, obwohl er das meiste davon mittlerweile gehört haben musste. Ronda erzählte als erstes von dem Angriff der Untoten unter dem Wappen Droodias, von der Zerstörung ihrer Stadt, von dem Thronwechsel in Droodia und schließlich von ihrer Vermutung, es könnte alles mit der Prophezeiung und den dreizehn Edelsteinen zusammenhängen.

Der König ließ sie zu Ende sprechen ohne sie zu unterbrechen und als sie ihre Worte vorgetragen hatte, schwieg er. Die Stille lastete schwer und Thara konnte eine tiefe Furche in Rondas Gesicht erkennen. Wenn ihre Worte Celduin nicht überzeugt hatten, hätten sie niemanden, an den sie sich für einen Rat zu der Prophezeiung wenden könnten. Einige Minuten verharrte der König auf seinem Thron, seine Miene war schwer zu deuten. Endlich stand er auf.

Des Königs letzter SchatzDonde viven las historias. Descúbrelo ahora