19- Geräusche in der Finsternis

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"Ist schon gut, es ist Akira", beruhigte sie Jaromir. Mit der rechten Hand tastete sie nach der Säge, die sie irgendwo im Schnee liegen gelassen hatte, während sie mit der linken das dünnere Eis aus dem Wasserloch hob. Der Kopf des Kelpies tauchte dort auf, kaum hatte sie die letzte große Scholle zur Seite geworfen.

"Schnell, hilf mir, das Loch zu vergrößern, damit sie raus kann!"

"Sie ist tatsächlich gekommen. Unglaublich", konnte sie Jaromir murmeln hören, als er mit seiner Säge ins Eis stach.

Als sie das alte Loch noch etwas größer geschnitten hatten, konnte Akira herausspringen und Thara gab ihr etwas von dem Fisch, den sie noch übrig hatten. Sie trug immer noch Ehrwalds Trense, mit der Thara sie damals gezähmt hatte. Es kam ihr ewig lang her vor. Sie ritten eine Weile weiter, Thara auf Akira und Jaromir auf Lana, bis sie schließlich gar nichts mehr sehen konnte. Die Luft wurde auf seltsame Weise dünn und verschluckte das Licht ihrer Laternen nahezu vollständig. Außerdem wurde es immer kälter, sodass sie Lana bald ihre zweite Decke auflegten. Wegen der Dunkelheit schlug Jaromir vor, dass sie jeder das Ende eines Seils nehmen sollten, um sich nicht zu verlieren. Tharas Mantel, der sie im Kaldseengebiet noch wohlig warm gehalten hatte, verhinderte jetzt nicht mehr, dass sie zitterte und ihre Füße spürte sie trotz den dick gefütterten Stiefeln nicht mehr. Sie vergewisserte sich gerade mit der rechten Hand, ob sie das Seil mit der linken überhaupt noch hielt, denn ihre Finger waren wie ihre Füße vollkommen taub. Sie hatte wie schon zuvor ihr Zeitgefühl verloren, die Dunkelheit ließ sie nicht einschätzen, ob es früh oder spät war, ob sie nun Stunden oder erst zwanzig Minuten unterwegs waren, doch irgendwann blieb Akira unvermittelt stehen und senkte die Nase auf den Schnee.

"Warte mal, ich glaube Akira hat etwas gefunden", warnte Thara Jaromir, damit er in der Schwärze nicht davon ritt. Das Kelpie scharrte mit dem Vorderhuf den tiefen Schnee zur Seite und Thara konnte ihren Huf auf Eis klirren hören.

"Offensichtlich hat sie etwas gefunden. Den verdammten See, wir müssten da sein." Jaromirs Stimme hallte laut zu ihr hinüber. Unnatürlich laut durch die Stille, die auf dem See lastete.

"Gut gemacht, beruhigend, dass wenigstens eine ihren Orientierungssinn nicht verloren hat", lobte Thara das Kelpie und streichelte ihren Hals. Akira schnaubte. Vorsichtig schwang Thara sich von ihrem Rücken herunter. Ihre Füße durchfuhr ein klirrender Schmerz, als sie auf den Boden trafen. Dann tastete sie sich, behutsam auf jeden Schritt bedacht, bis auf die andere Seite von Akira, um an ihre Säge zu kommen.

"Okay, folgender Plan", sprach sie währenddessen zu Jaromir. "Wir sägen ein Loch, vielleicht können wir versuchen, mit dem Bernstein eines zu schmelzen, und dann-" Sie stockte. Ja, was dann? Sie konnten schlecht hinab tauchen in der Hoffnung, den Saphir in dem pechschwarzen Wasser zu finden, bevor sie erfroren oder ertranken.

"Ich liebe unsere Pläne", stöhnte er bitter. Sie fühlte ein leichtes Ziehen am Seil und konnte seine knirschenden Schritte langsam auf sich zukommen hören.

"Schön, dann mach einen besseren Vorschlag", erwiderte sie ärgerlich. Darauf erwiderte er eine Weile nichts. Schließlich hatten er und Lana sie erreicht und sie hörte, wie er sich nur ein paar Meter entfernt in den Schnee fallen ließ.

"Na gut", antwortete er schließlich.

"Was na gut?" Langsam wurde sie ungeduldig. Ihr Magen zog sich zusammen, wenn sie daran dachte, wie sie an den Edelstein kommen sollten, wenn er wirklich in dem See war. Und wie würden sie überhaupt merken, wenn er es nicht war? Wo sollten suchen? Er könnte theoretisch nur ein paar Meter entfernt mitten auf dem Schnee liegen und sie würden ihn dank der unglaublichen Dunkelheit nicht bemerken.

"Na gut, lass uns ein Loch sägen. Unsere Wasservorräte sind sowieso aufgebraucht, also meine jedenfalls, ich weiß nicht wie es bei dir ist."

"Aufgebraucht oder Eingefroren", gab sie zurück. "Dann lass uns ein Loch sägen. Meine Güte, ich hoffe das Eis ist nicht zu dick." Sie machten sich an die Arbeit. Ihre Sägen waren zwar stabil und noch ziemlich scharf, allerdings war die Aufgabe, auch nur ein kleines Loch zu sägen, schon sehr viel gefordert. Sie sahen schließlich nicht, was sie taten. Nach einer Ewigkeit schließlich glitt Tharas Säge abrupt und schnell ein Stück in die Richtung, in die sie gesägt hatte und der Widerstand war verschwunden. Sie konnte hören, wie Jaromir die Scholle mit der Hand nach unten drückte. Er zog scharf die Luft ein und es machte ein Geräusch, als sei er in den Schnee daneben gefallen.

Des Königs letzter SchatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt