26- Mit dem Wald verbunden

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Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus, doch der Mann winkte mit seinem Gehstock den Bäumen, die sie gefangen hielten, zu.

"Kurumi, Tresko, lasst sie gehen." Sobald die rauen Worte, diesmal nicht auf Elbisch, seinen Mund verlassen hatten, spürte Thara Bewegung in die Wurzeln um ihre Gelenke kommen. Sie blickte hinab und tatsächlich zogen sich die Ranken behutsam zurück und setzten sie sanft auf dem Boden ab. Sie rieb sich über ihre tauben Arme, welche, ebenso wie ihre Beine, mit roten Striemen übersäht waren und unangenehm kribbelten. Auch das Geäst um die Pferde herum lichtete sich und sobald es frei genug war, sprang Akira heraus und kam mit ein paar Bocksprüngen auf Thara zu gerannt. Sie streichelte dem Kelpie über die Nase, doch Akiras Aufmerksamkeit lag bei dem Mann, sie legte die Ohren flach an und zeigte ihre scharfen Zähne. Der alte Mann machte jedoch keine Anstalten, zurückzuweichen. Thara ignorierte den Mann vorerst, ließ ihn mit Akira stehen, die ihm immer noch drohte, und eilte zu ihren Gefährten. Anori trat mit dem linken Bein nicht auf und massierte, gegen den Baumstamm gelehnt, seinen Knöchel.

"Ist schon gut, nur kein Gefühl", murrte er, als Thara ihn erreichte. Er musterte sie mit gerunzelter Stirn.

"Geht es Euch gut? "

Thara nickte und streckte ihm ihre roten Arme entgegen. Einige Stellen, dort wo die Dornen sie erwischt hatten, begannen zu bluten.

"Wenn er den Opal hat, war es mir das wert."

Sie wandte sich um, um nach Naira zu sehen. Die Elbe stand bei ihrem Pony und zog gerade ein weißes Tuch aus ihrer Satteltasche. Ihre Kleider hatten ihre Schultern, Oberarme und Beine weitestgehend geschützt, jedoch waren ihre Unterarme bläulich angelaufen und die Ranken hatten ihre Haut aufgeschnitten. Während Thara die Distanz zu ihr überbrückte, lehnte Naira sich gegen ihr Pony, zerriss das Tuch in Streifen und wickelte sie ganz locker um ihre Unterarme.

"Hey, komm ich helfe dir." Thara steckte die Enden unter den Verband. Naira klappte ihre Satteltasche erneut auf und zog ein weiteres Leinentuch heraus.

"Hier, ich hab auch noch mehr." Thara nahm das Tuch entgegen und umwickelte ebenfalls vorsichtig und nicht zu fest ihre noch etwas tauben Arme. Ein Blick zu dem Mann verriet ihr, dass er sich schließlich doch von Akira entfernt hatte. Er schlenderte zu dem Baum hinüber, der Thara gefesselt hatte und strich andächtig über die Baumrinde. Anori, der an dem Baum direkt daneben lehnte, beäugte ihn misstrauisch, doch der Mann beachtete ihn gar nicht, er murmelte auf Elbisch vor sich hin. Thara dachte, dass er vielleicht mit dem Baum redete, doch seine Worte konnte sie nicht verstehen. Er schien offensichtlich auf sie zu warten. Was Naira ihm wohl gesagt hatte? Gerade als Thara sie das fragen wollte, wandte der Mann sich ihnen zu, viel schneller, als Thara es ihm zugetraut hätte. Er hatte mit seinem Gehstock jedoch nicht sie im Visier, sondern Naira. Sie sprang erschrocken mit erhobenen Händen zurück und das Messer, welches sie im Begriff gewesen war, aufzuheben, wurde von der Erde verschluckt, die sich auf einmal vor ihr aufgetan hatte. Thara keuchte ebenfalls auf, doch so schnell sich der schwarze Spalt im Erdboden geöffnet hatte, so schnell schloss er sich auch wieder. Der Mann zog eine Augenbraue in die Höhe und sagte etwas in kühlem Ton.

"Er sagt, wir sollen ihm folgen und keinen Mist machen", übersetzte Naira murrend und verzog ihr hübsches Gesicht zu einer ärgerlichen Grimasse.

"Was hast du ihm gesagt?", murmelte Thara, während sie hinter dem Mann herliefen, der sie tief durch das Unterholz führte. Dort wo er lang ging, lichtete sich der Wald jedoch, um ihnen Platz zu machen. Sobald sie hindurch waren, verschloss sich das Dickicht hinter ihnen wieder.

"Nicht viel, nur dass wir friedliche Absichten haben und dringend mit ihm reden müssen", erwiderte Naira.

Glühwürmchen tanzten wie kleine Sterne an den Fassaden des Baumhauses, welches sich über sieben prächtige Bäume erstreckte. Grimm graste am Fuß des breiten Stammes und Akira war in den Wald davongetrabt, sobald Thara sie von ihrem Gepäck befreit hatte. Sie vermutete, dass das Kelpie den nahen Bach aufsuchte. Als Thara die Sprossen der schwankenden Leiter erklomm, stieg ihr ein köstlicher Duft in die Nase. Bevor sie über die hölzerne Kante der Veranda schauen konnte, vernahm sie die Stimme des Mannes erneut auf Elbisch, ihm antwortete eine Frau. Der Duft kam aus dem größten Haus, zu welchem auch die Leiter führte. Die Tür stand offen und der Raum war von ein paar Laternen in den Ecken erleuchtet. Der Mann saß an einem Tisch mit zwei selbstgeschnitzten Stühlen daran. In der Ecke, über einen über dem Feuer hängenden Topf gebeugt, stand eine Frau. Ihre Haut war ebenso zerfurcht, doch im Gegensatz zu denen ihres Mannes, leuchteten ihre braunen Augen ihnen freundlich entgegen.

Des Königs letzter SchatzWhere stories live. Discover now