29- Im Herzen des Landes

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Thara

Der Markt war mittlerweile ziemlich leer. Die meisten Stände schlossen oder waren bereits wieder abgebaut, als sie mit den meisten ihrer Messer zu einem Schmied ging, der auf der großen Tafel vor seinem Stand anbot, jegliche Klingen gegen eine nur kleine Gebühr zu schleifen. Während er gerade Nairas Dolch über den massiven Schleifstein zog, nahm Thara aus dem Augenwinkel eine Gestalt wahr, die auf sie zugeeilt kam. Es war Nali.

"Hier seid Ihr ja!" Sie war vollkommen außer Atem. Ich habe schon den ganzen Marktplatz abgesucht. "Hört zu: Ein paar Bauern müssen mitbekommen haben, dass Ihr dem Bürgermeister den Amethyst abgenommen habt. Das habt Ihr doch, oder?" Als Thara perplex nickte, fuhr die Zwergin hastig fort. "Nun, sie haben es irgendwie erfahren und sind nun sehr erbost. Natürlich fürchten sie jetzt um ihre Ernte, wenn der Ernteerfolg ihnen jetzt nicht mehr garantiert ist. Sie sammeln sich oberhalb der Straße und ich habe gehört, dass sie diejenigen, die den Amethyst genommen haben, aufspüren wollen und ihn sich zurückholen wollen. Deshalb wollte ich Euch warnen, aber ich habe so lange gebraucht, um Euch zu finden, ich wusste ja nicht, in welchem Gasthaus Ihr seid." Sie stoppte, um tief Luft zu holen.

Thara nutzte ihre Atempause. "Am oberen Ende der Straße, sagst du?", fragte sie, während ihr Blick die Hauptstraße hinauf wanderte, welche über den Marktplatz durch die ganze Stadt führte, allerdings machte sie einen Knick und verschwand hinter einer Kapelle aus ihrem Sichtfeld. Nali nickte energisch.

"Okay, dann werden wir sofort aufbrechen." Sie legte dem Schmied ein paar Münzen hin und nahm ihre Messer entgegen, auch wenn zwei davon noch nicht geschliffen waren.

"Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll."

Nali schüttelte aufgeregt den Kopf. "Nicht nötig, ich hoffe, Ihr schafft, was auch immer Ihr vorhabt."

"Danke", antwortete Thara erneut, weil sie nicht wusste, was sie sonst hätte sagen sollen, bevor sie schnellen Schrittes zum Gasthaus davon eilte, um die anderen und ihr Gepäck zu holen.

Es dämmerte bereits, als sie auf dem Markt gewesen war und als sie jetzt zurück auf die Straße traten, war die Sonne vollständig unter gegangen. Prüfend schaute sie sich nach links und rechts um, bevor sie den anderen voran aus dem Schatten des Eingangs in das verbleibende Licht auf der Straße trat. Es wäre ärgerlich, wenn sie den wütenden Bauern direkt in die Arme laufen würden, doch noch deutete nichts darauf hin, dass sich ein Aufruhr anbahnte. Und in dem Moment, in dem sie mit Grimm und Akira den Stall verließen, geschah es. Anori war der erste, der es sah.

"Die Sonne", er deutete nach Osten. Verwirrt folgte Thara seiner Geste, was sollte mit der Sonne sein, sie war schließlich bereits untergegangen? Doch genau das war es. Sie hatte selbst gesehen, dass sich der Feuerball erst vor wenigen Minuten hinter den Bergen des Lichtgebirges hinabgesenkt hatte, doch jetzt Jetzt stieg er vor einem wunderschön rot, rosa, blauen Himmel wieder empor. Einen Moment blieben sie alle wie gebannt stehen. Dann schoss es Thara durch den Kopf. Tinnuviel! Tinnuviel, Jaromir und Drasere mussten die Lichtelben gefunden haben.

Ein ohrenbetäubender Lärm holte sie zurück in die Realität. Am Ende der Gasse tauchte eine Menschenmasse auf und wenn Nali von ein paar Bauern gesprochen hatte, war das die Untertreibung des Jahres. Rufe wurden laut und Metall klirrte. Die Menge hielt Fackeln in die Höhe, es musste fast die ganze Stadt auf den Beinen sein, denn der Zug wollte nicht enden. Immer mehr Leute kamen, lauthals irgendwelche unverständlichen Beschimpfungen rufend, näher.

"Das ist das Zeichen, das Tinnuviel meinte!", rief Thara den anderen zu und deutete zur aufgehenden Sonne, bevor sie sich auf Akiras Rücken schwang. "Lasst uns abhauen!"

Als Thara noch klein gewesen war, gehörte der Friedwald immer zu einem beliebten Motiv für Kindermärchen, welche ihr Vater und die Zofen ihr und Artha als Gute Nacht Geschichte erzählten. Sie erzählten von den Geistern und Seelen, die in diesem Wald in einem der Bäume Frieden gefunden hatten. Immer wieder ging es um Wanderer, die sich auf ihrem Weg im Friedwald verliefen und mehrere Tage verwirrt umherirrten. Auch während Bestattungen auf der letzten Reise, wie der Progressionszug der Beerdigungsgesellschaft gerne genannt wurde, achtete man penibel darauf, selbst bei Tag auf keinen Fall die Wege zu verlassen. Bestattungen waren auch der einzige Anlass, aus dem Thara den Friedwald je betreten hatte, es war ein heiliger Ort, an dem die Ruhe der Toten um jeden Preis bewahrt werden sollte.

Des Königs letzter SchatzWhere stories live. Discover now