9- Verdächtigt und Verhaftet

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"Durchsucht das ganze Zimmer!", befahl der Zwerg ganz vorne mit eiserner Stimme. Anori erkannte ihn an seinem ungepflegten Bart und dem fiesen Grinsen. Er war es auch gewesen, der ihnen am Tor so selbstgefällig die Waffen abgenommen hatte.

"Es tut mir leid, aber ich fürchte, ich kann Euch nicht ganz folgen." Drasere bemühte sich um einen höflichen Ton und hatte ein ungezwungenes Lächeln aufgesetzt. Anori warf Leanord einen warnenden Blick zu, der die Fäuste geballt hatte, doch dieser sah ihn gar nicht.

"Wir haben Befehl, das Zimmer zu durchsuchen. Der König wurde tot aufgefunden und es gibt ein paar eindeutige Hinweise."

"Ihr glaubt, wir hätten etwas mit dem Tod des Königs zu tun?", fragte Jaromir ungläubig und gab einem der Zwerge widerwillig seine Ledertasche, um sie zu durchsuchen.

"Mit der Ermordung", korrigierte der Zwerg. "Und wir haben Grund zu der Annahme, dass er der Mörder ist." Er zeigte mit anklagender Miene auf Leanord.

"Ich?" Leanord starrte ihn ungläubig an und presste die Lippen aufeinander.

"Aber das ist vollkommen unmöglich, Leanord war-", setzte Jaromir an, wurde allerdings von einem der Zwerge des Durchsuchungskommandos unterbrochen, der sich plötzlich neben einer Schublade erhob, die er gerade durchsucht hatte.

"Ginar, das hier habe ich in der Schublade gefunden!" Der Zwerg hielt triumphierend ein säbelartiges Messer in die Höhe. Seine Klinge blitzte im Licht der Mittagssonne, welche durch das geschlossene Fenster schien. Anori war sofort klar, dass es das Messer war, welches Drasere so erfolgreich in die Stadt geschmuggelt hatte. Wie zur Bestätigung hörte er den Zentauren neben sich laut ausatmen.

"Oh, das ist ein Brotmesser. Manchmal benutze ich es auch, um Käse zu schneiden oder Baumrinde zu sammeln. Ich dachte nicht, dass dieses schnuckelige Messer ein Problem darstellen würde", sagte Drasere mit Engelsgesicht. Doch es konnte Ginar nicht aufhalten.

"Sieh an, ein Brotmesser, huh?", spottete er und strich sich über seinen langen Bart. "Führt den jungen Zentauren ab! Das dürfte mit den anderen Beweisen genug für eine Verurteilung mit Hinrichtung sein." Selbstgefällig wandte er sich zum Gehen. Vier der Zwerge kamen auf Leanord zu.

"Ich bitte Euch, seid nicht albern, ein einfaches Brotmesser kann nicht genug sein, um-"

"Ich glaube nicht, dass es in Eurer Hand liegt, zu entscheiden, was genug für eine Festnahme ist und was nicht, Zentaur." Ginar wandte sich ihnen erneut zu. Anori sah, wie ein Zwerg Leanord klirrend ein schweres Paar Handschellen anlegte.

"Das Brotmesser ist einzig der Beweis dafür, dass ich nicht sicher sein kann, welche Waffen Ihr sonst noch unbehelligt in die Stadt gebracht habt."

"Keine einzige, Ihr habt doch alles durchsucht!" Jaromir stieß sich ärgerlich vom Schrank ab, an den er sich gelehnt hatte.

"Ich schwöre Euch, wenn es sein muss, dass keiner von uns etwas mit dem Mord an Eurem König zu tun hat." Ginar blieb von seinem Ausbruch unbeeindruckt.

"Welche angeblichen Beweise liegen Euch denn vor?" Doch der Zwerg ignorierte sowohl Anoris Frage sowie auch Jaromirs geballte Fäuste. Er gab seinen untergebenen Wachen ein Handzeichen, ihm zu folgen und Leanord wurde vor ihren Augen abgeführt. Sein Kampfgeist war erloschen und er ließ sich mit hängenden Schultern widerstandslos von ihnen mitschleifen. Sie konnten durch das Fenster noch sehen, wie die Truppe, ihre Schwerter immer noch gezückt, geführt von Ginar die Straße entlangliefen, Leanord mutlos in ihrer Mitte.

Thara

"Zu spät", hauchte Thara und griff nach Tinnuviels weitem Ärmel. Sie zog sie in eine dunkle Seitennische und presste sich flach an die kalte Felswand. Der Krater war eindeutig nicht weit, durch das dünne Licht konnte sie die gegenüberliegende Felswand des Tunnels ausmachen. Thara wagte nicht mehr zu atmen, als sie die schweren dumpfen Schritte hörte. Jedoch waren es nicht die Schritte eines Drachen, sie waren zu zweit, so wie der Mondstein es ihr gezeigt hatte. Röchelnde und zugleich zischende Laute waren zu hören. Etwas, das klang wie ein raues Gurren. Doch die Drachen schienen nicht weiterzugehen. Thara konnte schwache Schatten ausmachen, wenn sie sich bewegten und plötzlich ertönte ein markerschütterndes Brüllen. Auch als der Drache schon längst wieder still war, hallte es noch in den verzweigten Gängen wieder. Wie ein verzögertes Echo und umso mehr es verhallte, desto unheimlicher klang es. Wie ein drohendes Flüstern bahnte es sich seinen Weg durch das Höhlensystem und wurde von den Wänden zurückgeworfen. Es dauerte einen Moment, bis sie verstand, doch dann brauchte sie gar nicht zu hören, was Tinnuviel im Schatten neben ihr sagte.

Des Königs letzter SchatzDove le storie prendono vita. Scoprilo ora