• we were alive in the summer sun •

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Juli 2010

Es war schon spät, als Robert die Bibliothek verließ. So spät, dass es bereits dunkel draußen war, obwohl es schon Ende Juni war. Die Luft war merklich abgekühlt, aber noch immer angenehm warm, als er durch die Straßen zurück zu seinem Wohnheim schlenderte.

Wie automatisch glitt sein Blick zu Annalenas Fenster, als er an ihrem Wohnheim, das direkt neben seinem lag, vorbeikam und ein wohliges Gefühl durchströmte ihn, als er sah, dass bei ihr noch Licht brannte.

Er biss sich auf die Lippe, überlegte noch kurz, ehe er sich sich dazu entschied, noch kurz bei ihr vorbeizuschauen. In letzter Zeit sahen sie sich seltener als sonst. Sie hatten beide viel zu tun, mussten Prüfungen schreiben, Hausarbeiten abgeben und Annalena war auch mit der Arbeit als Sprecherin der Grünen Jugend zurzeit ziemlich beschäftigt. Sie war nunmal Perfektionistin und bevor sie bald nach Ende des Semesters nach London gehen würde, wollte sie das alles perfekt war, ehe sie das Amt an ihren Nachfolger übergab.

Er sehnte sich nach ihr: Nicht nur danach mit ihr zu schlafen, sondern danach, mit ihr zu reden, zu kuscheln und einfach mal wieder ihre Nähe zu spüren. Aber es wäre auch eine Lüge gewesen, dass er gerade nicht auch Lust auf Sex gehabt hätte. Der Tag war lang gewesen, jeder Muskel in seinem Körper war durch das lange Sitzen angespannt und er sehnte sich danach, sich mal wieder richtig zu entspannen.

Es dauerte eine ganze Weile und ein zweimaliges Klopfen, bis die Brünette ihm die Tür öffnete. Sie sah fertig, müde und abgekämpft und tiefe Ringe zierten ihre Augen.

„Hey.", sagte er. „Ich...wollte nur mal nach dir sehen."

Annalena lächelte ihn müde an, wirkte aber trotzdem angespannt, als würde sie etwas beschäftigen. „Das ist lieb von dir, Robert. Aber-, aber es passt gerade wirklich nicht.", stammelte sie.

„Okay...", antwortete er verwirrt, denn normalerweise wies sie ihn nie ab. „Ist alles in Ordnung?", fragte er vorsichtig.

Annalena schaute ihn mit vor Entsetzen geweiteten Augen panisch an, wurde plötzlich leichenblass, jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Im nächsten Moment hielt sie sich eine Hand vor den Mund, stürzte zu ihrem Bett und erbrach sich in einen Eimer, der auf ihrem Nachttisch gestanden hatte.

Robert musste sich bei diesem Anblick ziemlich zusammenreißen - Erbrechen war etwas, das er gar nicht gut vertrug - unterdrückte den Impuls sich gleich mit ihr zu übergeben und lief zu ihr. Er musste sich fest auf die Zunge beißen, als er ihr vorsichtig die Haare aus dem völlig verschwitzten Gesicht strich und sie in ihrem Nacken zu einem Zopf festhielt. Beruhigend streichelte er ihr über den Rücken. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er merkte, wie ihr Körper immer wieder förmlich von der Übelkeit geschüttelt wurde und sie heftig zitterte.

Er griff nach der Wolldecke auf ihrem Bett und legte sie ihr behutsam über die Schulter.

„Hey...Was machst du denn für Sachen?", murmelte er besorgt, als das Erbrechen aufgehört hatte und sie völlig erschöpft nach hinten gegen seine Brust fiel. Er stellte den Eimer zur Seite, möglichst so weit weg, dass er den Inhalt nicht mehr sehen musste „Bist du krank?"

Stumm schüttelte sie den Kopf.

„Hast du vielleicht was Falsches gegessen?"

Wieder schüttelte sie den Kopf und drehte sich daraufhin langsam zu ihm um, ihr Gesicht schweißnass und von Tränen überströmt, ihr Gesichtsausdruck spiegelte blanken Horror wieder.

Sie konnte sehen, wie seine Augen zwischen ihrem Gesicht und dem Eimer hin und her sprangen, konnte sehen, wie es in seinem Kopf zu rattern begann und wie es schließlich „Klick" machte. Er verstand, was sie ihm sagen wollte, aber was sie schlicht nicht über die Lippen brachte. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.

golden ageWhere stories live. Discover now