kapitel vier' stellt euch mich als spielerfrau vor

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—VIER
STELLT EUCH MICH ALS SPIELERFRAU VOR

»Ich glaube langsam wirklich, dass Aïssata bald mit ihren zehn Katzen zusammenwohnen wird und total alleine alt wird!«, lachte meine Freundin am Tisch und brachte alle Anwesenden dazu, ebenfalls über ihren Witz zu Lachen. Obwohl ich ihre Worte mehr verletzend als total witzig empfand, schloss ich mich dem Gelächter an und versuchte meine Unzufriedenheit wegen ihrer blöden Aussage zu überspielen. »Nein, echt! Wann haben wir Aïssata einmal alleine mit einem Jungen gesehen, die hinterher auch etwas miteinander haben? Du hast Aïssata nie zusammen mit einem Jungen gesehen, der nicht zu unserem Freundeskreis gehört!«, fuhr sie fort und steckte ihre Nase in eine Sache, die sie kaum zu interessieren hatte.

Ich kannte all meine Freundinnen, die zusammen mit mir am Tisch saßen, schon seit der fünften Klasse. Ein Teil von ihnen kannte ich sogar noch aus dem Sandkasten und so sehr ich sie mochte und ihnen auch vertraute, hielt ich solche Dinge lieber für mich oder erzählte sie meinen engsten Freunden. In dem Fall meiner besten Freundin Katinka, die neben mir saß und mich mit einem kleinen Lächeln anschaute, während sie mir ein paar Mal auf den Oberschenkel klopfte – Selbst sie, die wirklich alles über mich wusste, hörte noch nicht von der kleinen Veränderung in meinem Liebesleben und wenn ich ehrlich bleiben durfte, hatte ich damit auch kein Problem.

In erster Linie wollte ich viel mehr die Privatsphäre von Florian respektieren und ihm keine Probleme machen, die er momentan kaum gebrauchen konnte. Ich wollte hinterher nicht erfahren müssen, dass einer meiner Freundinnen nicht die Klappe halten konnte und es X erzählte, der es hinterher Y weitersagte und hinterher das komplette Alphabet durchgenommen wurde – In zweiter Linie wusste ich nicht ganz, was wirklich zwischen uns war. Bis jetzt schrieben wir regelmäßig miteinander und trafen uns in letzter Zeit auch nur auf meiner Arbeit, bei der er kurz auftauchen konnte. Ich wollte nichts in die Sache hineininterpretieren bis ich komplette Klarheit über die Situation hatte.

»Ich habe nicht wirklich Interesse an einem Jungen.«, erklärte ich ihnen in einem Satz und zuckte anschließend mit meinen Schultern, wobei ich zum Teil gelog. Ich interessierte mich nicht wirklich für die Jungs in meiner Stadt, sondern glasklar für Florian. Allein das ständige miteinander schreiben und die zwei Treffen machten mir deutlich, dass ich nicht ganz unangetan von ihm bin und mir sehr gerne etwas mehr in unsere platonische Beziehung vorstellen konnte.

»Bist du lesbisch oder sowas? Falls ja, ist jetzt der Moment zum Outen!«, rief meine andere Freundin  Magdalene in die Runde und ließ sich deutlich anmerken, dass ihre letzten Drinks eine Wirkung auf sie hatten. »Ich habe mich schon immer gefragt, ob du nicht lesbisch bist! Ich hab dich wirklich nie sagen hören, dass du einen Jungen kennengelernt hast und ihr momentan in einer Phase steckt.«, begründete sie ihre Vermutung und ließ mich daraufhin innerlich nur die Augen verdrehen.

Obwohl ich sie schon seit der fünften Klasse kannte und sie in manchen Momenten wirklich liebte, fühlte ich mich seit der Pubertät nicht wirklich der Gruppe zugehörig. Natürlich kam ich, wenn sie mich zu irgendwelchen Verabredungen einluden oder zusammen Silvester mit dem kompletten Freundeskreis feiern wollten – Trotzdem spürte ich zwischen ihnen und mir eine unsichtbare Barriere, die mich einen Großteil unserer gemeinsamen Schulzeit einer enormen Identitätskrise aussetzte.

Ich war nicht vom Blut her eine Deutsche, unterschied mich sehr von ihnen anhand meiner Hautfarbe und Nationalität, musste mich in meinem Elternhaus nach den damals noch strengen Regeln meiner Eltern richten und musste mich schon sehr früh mit dem Ernst im Leben beschäftigen. In einem Alter von nur acht Jahren erfuhr ich das erste Mal von Rassismus und wurde selbst zum Opfer. In keinem einzigen Moment hatte ich das Gefühl gehabt, ihnen einen genaueren Einblick in mein Leben zu gewähren.

𝐩𝐫𝐢𝐯𝐚𝐭𝐞 𝐛𝐮𝐭 𝐧𝐨𝐭 𝐚 𝐬𝐞𝐜𝐫𝐞𝐭 ⌁ florian wirtz Where stories live. Discover now