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"Mayra." Ich hörte ein Lächeln in seiner Stimme. Die Bilder vom Abend blitzten vor meinem Inneren Auge auf. Ich hatte nicht viel erkennen können, aber wie dieses Mädchen Joshua angesehen hatte, war schon genug gewesen.

Ich trat einen Schritt auf ihn zu. Meine Innere Stimme hatte mich schon gewarnt, dass ich mich nicht so anstellen solle, und das würde ich auch nicht tun... vor seinen Augen zumindest. Aber konnte ich mich nicht einfach freuen ihn wiederzusehen?

"Wie geht es dir?", hängte Joshua hinterher. In seiner Hand flackerte eine Flamme auf. Ein silbernes Feuerzeug, vielleicht war es sogar meins.

"Gut. Gut, aber..." Ich verstummte. Warum fragte er das? Es war so ein seltsamer Augenblick.

Er löschte die Flamme, hielt mir das Feuerzeug hin. "Ich habe es gefunden, das muss deins sein." Er nahm meine Hand, legte es hinein, schloss meine Finger darum. "Ich dachte schon, ich sehe dich nie wieder." Joshua zog mich zu sich. Ein freudiges Grinsen sprach aus seiner Stimme.

Er drückte mich an sich, hob mich dann hoch. So sehr mich der Gedanke an diese Andere mit dem Blick auf ihn auch folterte, ich musste auflachen, und mein Herz überschlug sich. Überrascht klammerte ich mich an ihm fest.

Als Joshua mich wieder absetzte, sah ich seine hellen Zähne aufblitzen. Er lächelte. "Ich muss dir unbedingt jemanden vorstellen."

Hinter ihm tauchte ein zweiter Schatten auf. So groß wie ich, doch deutlich eleganter und schlanker. Ihre blassen Finger schimmerten wie Elfenbein, als sie sie um Joshuas Arm legte und neben ihm hervortrat. Ihre welligen, hellen Haare schienen sogar in der Dunkelheit. Ich wich einige Zentimeter zurück.

Das war sie. Es war nicht Joana gewesen, die ich mit Joshua gesehen hatte, sondern dieses Mädchen. Das schönste Geschöpf auf Erden. In mir zog sich etwas schmerzhaft zusammen. Leichter Neid war die ehrlichste Form der Anerkennung.

Sie ergriff sein Handgelenk. Das Mädchen schien verstört zu sein, als sie mich ansah, und gleichzeitig neugierig.

"Das ist sie", stellte Joshua die Schöne vor, "meine Halbschwester Eléh. Ich habe dir von ihr erzählt und ich habe sie tatsächlich schnell gefunden."

Ich hielt den Atem an. Dann ging mir ein Licht auf. Es war also nur seine Halbschwester gewesen, mehr nicht, ich hatte mir ganz umsonst den Kopf und das Herz zerbrochen. Joanas und ihre Silhouetten hatten sich in der Dämmerung stark geähnelt. Doch ihr Blick war dennoch sehr... eindeutig gewesen. Ob er es genauso sah? Ich schüttelte die Gedanken ab und lächelte die wunderhübsche Eléh an. Ich kam mir winzig klein und unbedeutend in ihrer Gegenwart vor. Sie hatte eine selbstbewusste Ausstrahlung, so stolz. Eine Halbelbin, die sich zu den Elben bekehrt hatte.

"Du bist also Mayra?", sprach sie mich freundlich an, streckte ihre schmale Hand zu mir aus.

Ich schüttelte sie nickend. "Ja. Hi." Ich war fasziniert und erleichtert. Eine Halbelbin also... dabei unterschied sie sich kaum von anderen, nur ihre Schönheit war bemerkenswert. Auch wenn Joshua und Eléh nur Halbgeschwister waren - atemberaubend schön waren sie beide. Elbin hin oder her, das lag aufjedenfall in der Familie.

"Wann willst du los?", wandte Joshua sich an mich. Eléh und ich ließen voneinander ab, unterbrachen kurz das gegenseitige Anstarren, und schauten zu ihm auf.

Ich wusste nicht, was er meinte. Ich war noch zu überrascht, sowohl von ihm, als auch von Eléh.

"Wann du zurück in deine Welt willst", ergänzte er. Meine Hand fuhr an das Amulett an meinem Hals. Das Gold war warm und die Kette lag rau zwischen meinen Fingern. Die Frage traf mich unvorbereitet.

Golden FairytaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt