~22~ (p.o.v.'s)

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P.O.V. Mayra

Ich hörte Joshua in der Dunkelheit leise atmen. Er hatte es mir versprochen. Er würde mich in dieser Welt beschützen.

"Danke für einfach alles", antwortete ich überwältigt. "Aber wie kann ich das wiedergutmachen? Wie kann ich dir helfen die Prinzessin wiederzufinden?"

"Vielleicht solltest du mich einfach zu den Drachenreitern begleiten... ohne dich hätte ich keine Chance dort, aber mit dir schon. Der Rest wird sich ergeben."

"Hmm", seufzte ich nachdenklich. Wir befanden uns in einer miserablen Lage.

P.O.V Joshua

Mayra seufzte.

Erschöpft lehnte ich mich zurück.

Zum zweiten Mal, zum verdammten, zweiten Mal hätte ich sie fast verloren. Ich bangte um ihr Leben, in jeder Sekunde. Warum? Was löste das in mir aus? Noch nie war mir jemand so wichtig. Und wie konnte ich als Leibgarde dermaßen versagen? Mayra war doch nur seltsam, sie trug Hosen, ihre Fingernägel schienen aus Perlmutt zu bestehen, und in ihre Ohren wurden kleine silberne und funkelnde Steine gestochen.

Aber nicht einmal meine Familie, meine Schwester, Maren... niemand von ihnen hatte mich je so beschäftigt. Ich wollte mich einfach abwenden, rübergehen und schlafen, doch ich konnte nicht. Irgendetwas zog mich zu Mayra. Sie war eine Fremde, eine Weltenwandlerin, aber das konnte nicht der einzige Grund sein. Sie war der Beweis meines Glaubens und eine Aussicht auf die Erfüllung all meiner Hoffnungen. Heiligte der Zweck nicht die Mittel? Für meine Gefühle war keine Erklärung des gesunden Menschenverstandes vorhanden.

Na und, Joshua? Es muss nicht menschlich sein. Es ruht mehr im Verborgenen, in dir, als du denkst. Du weißt es, aber willst du es wahr haben? Hör auf dich zu verstecken - finde es heraus.

"Mayra?", fragte ich leise in die Finsternis. Sie antwortete.

"Erzähl mir von dir", forderte ich sie auf.

"Von mir? Was gibt es von mir zu erzählen?"

Ich rückte näher zu ihr. "Von deinem alten Leben, deiner Welt! Von allem!" Begeisterung schlich sich in meine Stimme.

"Ähm... das ist viel... ich... ich bin jeden Morgen um viertel vor acht in der Schule gewesen... mit dem Bus. Bei uns gibt es Autos und Flugzeuge, Bus, Bahn, alles... zig Mal schneller als jede Kutsche, mit zig Pferdestärken mehr. Ja! In meinem alten Leben bin ich schon geflogen. Vier Mal, um genau zu sein. Aber von oben erkennt man kaum was... der Ozean macht einem etwas Angst, er ist so weit... und die Wolken sehen so weich aus, dass man am liebsten darauf laufen würde. Es ist unglaublich. Und mit dem Auto... 230 Kilometer pro Stunde auf der Autobahn, rasend schnell, sodass man die Gefahr in den Fingerspitzen kribbeln spürt. Oder Kino! Medien! Ich habe es geliebt... Medien waren überall. Bilder und Werbeplakate, Musik, Fernseher, in denen Filme, Musicals, Theaterstücke, Serien, Nachrichten, Dokumentationen, Shows... einfach alles lief. Das Internet. Bei uns läuft nichts mehr ohne das Internet. Ich kann in Echtzeit, von Angesicht zu Angesicht, mit jemandem sprechen, der auf der anderen Seite der Welt ist. Oder außerhalb der Welt. Wir sind da oben gewesen, wir Menschen, auf dem Mond. Haben Roboter und Sonden auf fremden Planeten und im gesamten Sonnensystem. Technologie überschreitet alles. Und Geld regiert die Welt. Hast du kein Geld, hast du nichts. Hast du Geld, kannst du sogar für einen 'Spottpreis' von einer halben Million in den Weltraum fliegen. Es ist... einfach faszinierend. Und grauenhaft. Es gibt Momente, in denen ich die Menschheit nahezu anhimmele. Wir können Klonen. Lebewesen erschaffen, die es gar nicht mehr gibt. Aber das ist nicht nur die Sonnenseite. Auf jeden positiven Aspekt kommen mindestens zwei negative. Und wenn wir mit dem, was den Menschen ausmacht, dem Weiter, Schneller, Höher, Besser, Neuer, Stärker, dem ständigen Selbstübertreffen nicht aufhören - dann stürzen wir unsere Welt in den Abgrund. Wir stehen einen Schritt davor - und es wird bald zu spät sein. Aber... jetzt erzähle ich dir nur von meiner Welt und den Problemen, Hunger, Krieg, Armut, Krankheit, Ungerechtigkeit, Tod... aber von meinem Leben? Ich... ich habe Glück, in einem reichen Land geboren worden zu sein. Damit habe ich direkt die besten Chancen. Aber trotzdem habe ich Angst davor, das alles zu verlieren... es ist ein gewaltiger, sozialgesellschaftlicher Druck. Schule. Die Noten müssen gut sein, nein, immer besser, aber gleichzeitig soll und will man dazugehören, zu einer Gesellschaft, die... einfach nur bis zum Letzten verkorkst ist, was das Zeug hält. Ich habe es an meiner Schule gehasst, die schiefen Blicke. Diese Verblendung, dass ein Statussymbol jede soziale Inkompetenz wettmacht... widerlich. Bin ich froh, die mal los zu sei - was sage ich da? Ich war ja auch glücklich in meinem Leben! Ich habe tolle Freunde! Hobbies! Ich... will nach Hause." Sie atmete tief durch. Die Sekunden verstrichen in Stille, während ich versuchte, ihre Worte zu begreifen.

Golden FairytaleWhere stories live. Discover now