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"Los, los, los, du wolltest schnell zum Lager, jetzt kannst du schnell zum Lager!"

Ich blinzelte in das diesige Morgengrauen. "Warum der Sinneswandel?", murmelte ich müde. "Gestern war es unwichtig. Sag schon."

Joshua schwieg.

"Bitte."

Er verzog abschätzend den Mund. Dann erstrahlte ein Lächeln in seinen Augen. "Erst, wenn wir beim Lager sind. Und jetzt los, komm schon!"

Die Elfe vernichtete ihn mit Blicken, als er sie mit zwei Fingern von einem hohen Ast, auf dem sie geschlafen hatte, pflückte. Der Baum war riesig und wunderschön, er stand nur wenige Meter neben dem alten Haus.

Langsam folgte ich Joshua auf die Wiese und warf einen letzten Blick auf das Holzhaus, in dem ich gerade gnädige fünf Stunden geschlafen hatte. Aber ich hatte ein wenig Zeit genutzt und mich genauer umgesehen. Es lag viel zersplittertes Glas herum, gebrochene Flaschenhälse und Holzspäne. An manchen Türen waren Einkerbungen in den Rahmen geritzt worden, immer höher. An der einen Seite waren zwei Reihen Nebeneinander, mit 1 und 2 beschriftet, in Klammern mit J und A ergänzt. Gegenüber, etwas kleiner, E. Wahrscheinlich die wachsenden Größen der Zwillinge und Eléh. Aber Joshua? Den Namen hatte ich an keiner Tür gefunden. Allerdings redete er auch nicht mit mir darüber, und fragen traute ich mich nicht.

"Ich will zu Mayra! Nein, ich will auf den Baum!", quengelte die Elfe mit verschränkten Armen vor sich hin. Aber wer konnte sie schon ernst nehmen? Joshua grinste sie nur halb entschuldigend an und pflanzte sie dann auf seine Schulter. Ohne zu zögern drückte sie ihre Handfläche an seinen Hals. Er verzog das Gesicht. "Bah, das ist eiskalt!"

Ich lief zu den beiden herüber und zupfte die Elfe von seinem Hemd. Dankbar lächelnd fuhr er sich über die Haut, die erschreckend blass geworden war. Die Elfe bestand quasi aus Eis. Ich konnte sie kaum länger als fünf Sekunden auf meiner Hand halten. Darum hangelte sie sich kurzerhand an meinem Shirt hinab, um zwischen den Klamotten in meiner Tasche weiterzuschlafen.

"Warum ist sie so kalt?", wandte ich mich an Joshua, der wieder den Brief vom gestrigen Abend in den Händen hielt.

"Elfen werden ausschließlich von ihrer Umgebung und vom Sonnenlicht erwärmt. Die Nacht bedeutet für sie Kälte, aber sie sind gefühllos wie ihr geliebtes Gold, es kümmert sie gar nicht." Joshua zog den Brief aus dem Umschlag. "Hier, ließ die Vorderseite. Darum müssen wir schnell los." Er reichte mir das dicke Pergament.

Dankend nahm ich neugierig das Blatt entgegen.

Joshua,       11.08.2019

lautete der Briefkopf, und ein Datum. Das Jahr 2019? Ich war zumindest nicht in der Vergangenheit. Aber dass diese Welt hier anders tickte, stand sowieso fest. Konzentriert laß ich weiter, während ich einige Schritte hinter Joshua zurückfiel.

11.08.2019

Joshua,

ich habe es geschafft, aus Lille zu entkommen. Die Adligen sind hinter mir her, die Stealin'Angels und wahrscheinlich auch SillyDan - die Brüder wollen mich sprechen. Vater hat das Haus verlassen, er lässt mich suchen. Ich habe vor, zu den Elben zu gehen, in der Hoffnung, an den Wurzeln eine Lösung zu finden. Aber bevor ich gehe muss ich dich treffen, ich habe einige Informationen über das Königshaus, deine Mutter, und ich will dich wiedersehen. Es geht mir gut, die Flucht ist früh genug vor der Hochzeit gelungen und ich habe wieder Hoffnung.

Das war die erste Seite. Verstehen tat ich noch nicht viel. Und... die Rückseite? Ich drehte den Brief um.

Falls du das hier liest - ich befinde mich auf dem Weg zu Maren, um von dir zu hören. Sollte ich dich in nächster Zeit nicht antreffen, muss ich meinen Weg dennoch fortsetzen. Ich hoffe, ich kann dich in der Zwischenzeit finden. Es ist Einiges geschehen.

Golden FairytaleWhere stories live. Discover now