~41~

137 25 13
                                    

"Warum sagst du nichts mehr?"

Joshua sah mich von der Seite an. Ich hatte mich an den Baumstamm gelehnt, der den Durchmesser eines gewaltigen Kirchturms zu haben schien. Es war eine Art Mammutbaum, der in den Himmel ragte. Die Blätter und Blüten waren mal noch Knospen, mal verwelkt, mal überfroren. Alle Jahreszeiten, gezeigt und vereint in einem Baum.

"Wie kann es sein, dass es weg ist? Hast du vielleicht noch eine schöne Marenia-Geschichte aus der Vergangenheit auf Lager?" Ich verschränkte die Arme. "Ich komme mir ganz schön dumm vor, ich will weiter."

"He, ich weiß, das klingt nicht aufbauend, aber... sieh es als Möglichkeit an. Ein bisschen mehr Zeit, um die ganzen schönen Ecken dieser Welt zu erkunden. Eine lange Reise. In Ordnung?" Er sah mich eindringlich an, begann zu lächeln und zupfte eine kleine Rose aus dem Gras. Ja, hier wuchsen Rosen im Rasen wie Gänseblümchen oder Klee. So viele wie die Halme selbst.

Sie war blass rosa, aber mit einer vollen, duftenden Blüte. Sie war so hübsch, dass ich das Bedürfnis hatte, sie beschützen zu müssen, als Joshua sie mir reichte. Ich lächelte, ohne es zu wollen. "Danke."

Über uns klirrte das Gold in den Ästen, als eine Windböe durch sie fuhr. Ketten, Ringe, jeglicher Schmuck baumelte hinab, und in den Asthölen lagen Münzen. Glitzernd, gold. Ich fühlte mich auf dieser, bis auf Elfen komplett einsamen Insel, als hätte ich ein zweites Mal die Welt gewechselt.

"Ich war selbst noch nie zuvor hier", begann Joshua nach einigen Sekunden wieder zu sprechen. "Ich wusste gar nicht, dass es so ruhige, schöne Orte in meiner Welt gibt. Zwar am Ende der Welt, aber... hier ist niemand. Das ist unheimlich, aber... friedlich." Träumerisch gestikulierend sah er sich um, ließ den Blick über die Blumenfelder schweifen. Der Himmel über ihm war genauso blau wie seine Augen, die ich noch nie so hatte strahlen sehen.

"Es ist wirklich besonders hier", stimmte ich ihm zu. Rosenblüten regneten abermals herab. Es war so still. Ich setzte mich auf das weiche, warme Gras, lehnte mich wieder zurück an die Rinde.

"Es stimmt doch nicht, was Marenia gesagt hat, oder?" Die Gedanken ließen mir keine Ruhe.

"Nein. Nein... ganz bestimmt nicht." Joshua ließ sich neben mir nieder. "Es war zu der Zeit, als ich im Schloss angefangen hatte, sie hätten mich beinahe rausgeworfen. Ich habe mich fast zu Tode gesoffen auf den Gelagen der Gardemänner, sie waren doch so viel älter als ich. Ich bereue es wirklich. Es ist allzu einfach, in soetwas hineinzugeraten. Aber ich habe keine Erinnerungen mehr, alles was ich weiß, könnte genauso gut ein Traum gewesen sein. Marenia kommt darin vor, ich weiß nur nicht, in welcher Art und Weise. Aber irgendwie stehen wir noch in Verbindung. Die Garde braucht ihre Kontakte." Er zog die Beine in den Schneidersitz, legte die Hände ruhig in den Schoß. Dann bewegte er sich nicht mehr.

"Hatte... hatte es mit deiner Familie zutun?" Ich traute mich kaum nachzufragen, doch es war wichtig. Ich wollte mehr wissen. Über ihn.

"Ja, zum Teil. Ich musste von Maren weg, hatte Eléh gerade verloren - vor ungefähr drei Jahren - und dann kam der Stress der Garde dazu. Es war brutal." Er hatte die Augen geschlossen, den Kopf zurück an den Baum gelehnt. "Aber dann war es vorbei..." Nur ein Flüstern. Er blinzelte wieder in das Licht, fixierte einen Punkt am Horizont, wo die Rosen auf das Wasser trafen. "Der Vertrag war abgeschlossen worden."

Ich nickte langsam. Ich drehte mich zu ihm, sah ihn lange an. Ein Rosenblütenblatt hatte sich in seinem schimmernden Haar verfangen, einzelne Strähnen fielen ihm in die Stirn.

"Ich konnte doch nicht ahnen, dass das Amulett nicht hier sein würde." Joshua fuhr sich über die Narben an der Schläfe.

Sein Hemd war fast getrocknet, genauso wie meine Kleidung. Es war nicht mehr drückend heiß, sondern angenehm warm.

Golden Fairytaleजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें