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P.O.V. Eléh

Mich hatte zum ersten Mal seit langem die Stille geweckt. Ich hatte aus dem Fenster geschaut und Joshua auf der Wiese stehen sehen, als die Abenddämmerung gerade in die Nachtschwärze überglitt. Dunkelheit und Kälte verschluckten den jungen Mann im weißen Hemd.

Ich hatte mein Kleid glattgestrichen und war in die alten, zerlaufenen Stiefel geschlüpft, um Joshua zu folgen. Er stand noch immer regungslos auf der Wiese und starrte vor sich hin ins Nichts, die Augen über jedes Detail, jede Blume, jeden Baum, jeden Berg wandern lassend.

Als ich ihn an der Schulter berührte, fuhr er zusammen, hatte mich mit wenigen, blitzschnellen Handgriffen im Schwitzkasten.

"Stopp, ich bin's", flüsterte ich erschrocken. Sofort ließ er mich los, senkte betreten den Blick.

"Entschuldige. Reflex."

"Schon gut. Was machst du hier draußen?"

Er hob den Blick, schien die Dunkelheit nach etwas abzusuchen. "Nachdenken. Mehr nicht."

Ich nickte skeptisch. Wer's glaubt. Dennoch akzeptierte ich die Antwort. "Komm wieder rein, es wird kalt."

"Ich muss morgen weiter. Ist das in Ordnung? Sonst erreiche ich das Lager nicht pünktlich."

"Natürlich", entgegnete ich nickend, "kann ich dich denn noch begleiten? Danach habe ich vor, zu den Elben zu gehen."

Er wandte sich um, lief ruhig auf das Haus zu. Nur in einem einzigen Fenster flimmerte Kerzenlicht.

"Selbstverständlich, aber ich weiß nicht, ob wir uns bald wiedersehen werden. Und pass auf dich auf bei den Elben. Kein Mensch weiß, wie sie zu den Halben stehen."

Ich verzog das Gesicht. "Du redest schon so...- hast du das von der Weltenwandlerin? Ich bin kein Mensch."

"Du bist beides. Soll ich sagen: kein Halbelbe weiß, wie sie zu den Halben stehen? Oder Elben? Das macht doch keinen Sinn. Mensch. Elb. Warum wird so ein Spalt zwischen sie getrieben?" Er ballte die Fäuste.

Die Mensch-Elben-Sache also. Das erklärte, warum er wieder nachdachte. Dieses hin und her zwischen den Wesen hatte ihm nie gut getan. Und das in seiner gesamten Familie. Vater ein Mensch, Mutter eine Elbengenträgerin.

Ich machte das bestimmt nicht besser. Darum würde ich gehen. Diese Entscheidung war nicht schwer. Ich durfte dem, was sich in meinem Herzen zu regen begann, keine einzige Chance geben. Da gab es kein Richtig und kein Falsch. Ich hatte meine Pläne, meine Entscheidungen, meinen Willen. Und ich hatte mich schon lange zu den Rationalen gekehrt, dem Elbischen in mir. Mein Verstand sagte nein, also hieß es und blieb es bei nein.

Joshua betrat vor mir den Raum. "Tut mir leid", murmelte er ein weiteres Mal. Aber es schien, als wolle er so viel mehr sagen.

P.O.V. Joshua

Ich betrat vor Eléh den Raum mit der Kerze. Die Flamme begann durch den Lufthauch zu zucken.

Ich wollte in Ruhe nachdenken. Und gleichzeitig auch jemanden danach fragen, nach dieser undefinierten Angst, aber genauso wie die Angst in mir saß, war da auch etwas, das mir sagte, es wäre keine gute Entscheidung, Eléh in meine Zweifel einzuweihen.

Früher hatte ich sie immer um Rat bitten können. Aber die Zeiten sind vorbei. Ich glaubte nicht, dass sie mich verstehen würde. Sie war die Rationalere. Das war ich auch oft, jedoch nicht konsequent. Und diese Konsequenz war es, die mich abhielt.

Eléh und ich hatten die Betten getauscht, sie waren beide zu klein, aber nun passten sie wenigstens etwas besser. Jetzt hieß es für mich auf die Inßomnia-Rückstände zu hoffen und einfach durchzuschlafen, ohne schlechte Gedanken. Ohne dieses namenlose Grauen.

Golden FairytaleWhere stories live. Discover now