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Wir liefen unter den Lampions über den Platz. Becker und sein Kollege waren zurückgegangen, und nun begleitete uns Kirsten durch das winzige New Berdam.

Jedes Haus sah anders aus, von Glas und Metall bis zu Fachwerk und Holz. Es war warm in den Gassen, die Sonne hatte sich einen Weg über den Himmel gebahnt und brannte wieder erbarmungslos auf das Lager hinab.

Unter den Lampions war es angenehm schattig, aber alles in ein wohliges, helles Licht getaucht. Menschen kamen uns auf Spaziergängen entgegen, manche mit einem Apfel in der Hand oder vor ihrem Smartphone auf Bänken sitzend. Es war vollkommen unterschiedlich im Vergleich zu meiner alten Welt, aber dennoch erkannte ich andauernd typische Aspekte und Akzente der Gesellschaft wieder. Zum Beispiel die knallbunten Loombänder, die jeder Zweite trug. Irgendwer musste sie mit hierhergebracht haben.

"Hier leben einige Menschen, die abgeschnitten von allem und für immer hier leben wollen. Wir planen aus New Berdam eine richtige Stadt zu machen, und die Infrastruktur auszubauen. Aber wir dürfen nicht sehr viel größer werden, sonst geht das hier", Kirsten deutete mit reichlich Gestik das Zwischenmenschliche an, "verloren. Das richtige Lager, mit denen, die immer zwischen den Welten pendeln und Technologien und Waren besorgen, liegt weiter im Westen. Gleich sind wir da."

Wir folgten Kirsten aus New Berdam heraus, durch ein weiteres schmales Waldstück, bis wir endlich auf eine große Wiese stießen. Der Rasen war kurz und platt getreten, und in der Mitte der Wiese befand sich ein gepflasterter Kreis auf welchem sich Asche und Kohle häufte. Ein Lagerfeuerplatz, wundervoll.

Darum reihten sich zig Zelte im Kreis, eins hinter dem anderen, etwas kleiner als die vorherigen um New Berdam herum. Zwischen ihnen ab und an immer wieder große, weiße Mehrpersonenzelte, die herausragten.

Um den Feuerplatz herum, gegenüber von uns, lagen einige Menschen in meinem Alter. Ein junger Typ saß im Schneidersitz vor einem schmalen Keyboard, daneben ein etwas Älterer mit einer Akustikgitarre, und vor ihnen ein bildhübsches, brünettes Mädchen, kaum ein Jahr älter als ich. Aufmerksam hielt die kleine Gruppe Inne und schaute zu uns auf. Das Mädchen lächelte uns an, doch als ihre Augen mich trafen, erkannte ich diesen leicht abschätzig-arroganten Zug in ihren Augen. Genau dieser Ich-bin-was-Besseres-Blick den ich so sehr gehasst hatte, der mich so schlecht hatte fühlen lassen. Wie hatte ich erwarten können, hier wären sie anders? Der Blick, weswegen ich es hasste, allein vor die Tür zu gehen.

Ihre Augen blieben auf Joshua haften. Ich schaute kurz zu ihm hoch. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verhärtet, während er zwischen den Menschen hin- und herschaute und irgendetwas am Horizont fixierte, das sich mir nicht erschloss. Allerdings machte ihn diese Konzentration noch hübscher... und dieses verdammt schöne Mädchen starrte ihn an. Immer noch.

Aus meiner Tasche, die Kirsten noch immer in Gewahrsam behielt, schaute verschlafen die Elfe hervor.

"Liona!", quiekte das Mädchen - konnte man sie noch so nennen? Sie schien mir so erwachsen, vielleicht besser junge Frau... ich sollte wohl ihren Namen erfahren - und warf die Haare zurück. Die Elfe hopste zu ihr hinüber. Aha, guten Morgen, Liona.

Ich griff nach meiner Tasche.

"Waaarte, tut mir leid, aber die muss ich noch durchsuchen! Du kannst sie später haben. Und deinen Degen kriegst du auch später wieder - später!" Abwehrend hielt Kirsten die Hände vor Joshua und mich. Meine Stimmung verdüsterte sich.

"Kann ich mir wenigstens Kleidung nehmen?", fragte ich mich geschlagengebend. Kirsten nickte. Ich kramte wahllos in der Tasche herum. Was suchte ich eigentlich? Ich wollte einfach meine Tasche wieder. Ich zog mein Handy hervor, ließ möglichst unauffällig das Amulett in meiner Hosentasche verschwinden und nahm mir ein Shirt heraus. Lächelnd gab ich Kirsten die Tasche zurück, auch wenn mir gerade gar nicht nach Lächeln zumute war. "Wo kann ich hin? Ich meine... wenn ihr Neue dazubekommt, wo bleiben sie?"

Golden FairytaleWhere stories live. Discover now