30. Lernen, lernen, lernen

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Noch am nächsten Tag waren alle Schüler niedergeschlagen. So eine Attacke hat es seit Jahrhunderten nicht mehr auf der Akademie oder hier im Umkreis gegeben. Wir hausten hier in dem Schloss unter ständiger Angst und Unsicherheit seit diesem Vorfall. Vorher fühlten wir uns hier sicher vor allen bösen Mächten, doch ab jetzt...

Für die nächsten Tage wurde der Unterricht verkürzt. So viele konnten sich einfach nicht auf den Unterricht konzentrieren und waren immer noch traumatisiert. Es war einfach unmöglich sich im Unterricht zu konzentrieren. Auch den Lehrern fiel es sichtlich schwer ruhig zu bleiben und sich wir normale Lehrer zu verhalten. Ich konnte sie auch verstehen, denn auch meinen Freunden und mir ging es nicht anders. Wir konnten unsere Gedanken einfach nicht von diesem Ereignis abbringen. Es war wirklich nahe zu unmöglich.

Zusammen saßen wir am nächsten Tag in Noramis und meinem Zimmer auf zwei Betten verteilt. Wir hatten nun zwei freie Betten und bald würden auch wieder neue Vampirschüler auf diese Akademie gelangen. Es war mehr als nur komisch, dass die beiden nun nicht mehr hier waren. Es war so ein komisches Gefühl.

Sebastian saß neben mir auf dem Bett und hatte seine Arme um mich geschlungen. Ich kuschelte mich eng an ihn heran. In seiner Nähe fühlte ich mich sicher und geborgen. Mich beruhigte es, wenn unsere Körper so nah aneinander waren. Sebastian war mein Beschützer schon seit ich ihn kennen gelernt habe. Er war immer für mich da.
Sebastian wischte mir immer wieder Tränen zärtlich aus meinem Gesicht. Immer wieder kamen sie einfach und liefen mir mein Gesicht hinunter. Ich konnte sie einfach nicht kontrollieren. Auch Norami, die neben Percy auf dem anderen Bett saß, erging es so. Teilweise fing sie einfach so an zu weinen ohne dass jemand etwas sagte.

Die meiste Zeit schwiegen wir vier uns an, doch zwischendurch mussten wir einfach mal reden. Wir redeten und redeten immer wieder über unsere Gefühle und Sorgen. Bald hatte ich echt genug davon. Wir konnten nicht einfach so weiter machen! Das Leben musste weiter gehen! Wir konnten nicht jeden Tag Trübsal blasen! Das ging einfach nicht!

So beschloss ich am nächsten Tag wieder zu lernen. Durch den Vorfall wurden die Prüfungen um eine Woche verschobenen. So hatten wir noch genug Zeit um alles, was wir wissen mussten, uns sorgsam einzuprägen. Norami lernte an diesem Tag mit mir. Sie schrieb auch fast in allen Fächern wie ich Prüfungen. Ich war froh, dass wir zusammen lernen konnten. Wir halfen uns gegenseitig und verbesserten uns, wenn die eine mal etwas Falsches sagte. Wir waren das perfekte Team.

Wir lachten viel und hatten Spaß. Dadurch verbesserte sich auch unsere Laune und es ging es schon besser. Der Schmerz saß zwar noch tief, doch wir waren nicht mehr so traurig.

„Wie funktioniert die Fortpflanzung der Vampire?", fragte mich Norami ab.
Wir waren fast am Ende der Nacht angekommen. Bald war es schon wieder Schlafenszeit.
„Ein Vampir beißt einen Menschen und verwandelt ihn", antwortete ich. Das war eines der einfachsten Themen, die wir zu lernen hatten.
Norami nickte und blätterte eine Seite im Buch weiter.
„So...und wie entstehen Babyvampire?", wollte sie dann wissen.
„Die Babys wurden auch von Vampiren gebissen und verwandelt. Die armen kleinen. Sie würden nie erwachsen werden..."
Diese jungen Opfer taten mir am meisten weh. Diese Babys würden ihr Leben lang ein Baby bleiben und sich kein bisschen weiter entwickeln. Jedoch gab es diesen Fall nur selten. Trotzdem hat es schon ein paar solcher Vorfälle gegeben.

Unerwartet klopfte es an der Tür.
„Herein", sagte ich und sah gespannt zur Tür.
Als sie sich öffnete, schreckte mein Freund seinen Kopf durch den Spalt. Er trat ein und schloss die Tür hinter sich. Dann kam er in meine Richtung und beugte sich zu mir runter um mir einen Kuss auf den Mund zu geben.
„Störe ich?", wollte er dann mit einem unsicheren Ton in der Stimme wissen.
Ich schüttelte meinen Kopf und lächelte ihn an. „Nein, wir sind bald fertig."
Sebastian nickte. „Schön. Ich wollte dich nämlich fragen, ob du vielleicht Lust hast noch rüber in mein Zimmer zu kommen? Ich hab da mal etwas vorbereitet..." Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Was hatte er wohl dieses Mal geplant?
Ich sah zu Norami rüber, die ihre Augenbrauen hoch und runter bewegte. Sie dachte schon wieder nur an das eine. Nein, darauf würde ich mich kein zweites Mal einlassen. Ich wollte es mit Sebastian langsam angehen und das letztens auf der Lichtung war eindeutig zu schnell. Ich war einfach noch nicht so weit. Vielleicht fehlte mir auch noch nur noch ein Stück zum Endgültigen Vertrauen zu ihm. Das könnte es auch sein.
„Gerne", sagte ich dann zu Sebastian. „Wenn wir fertig sind, komme ich mit."
Er nickte und ließ sich neben mir auf dem Bett nieder. Dabei nahm er meine Hände und drückte sie ganz feste. Zuletzt gab er mir noch einen Kuss auf die Wange.
„Kann ich weiter machen?", fragte Norami mit einer runzelnden Stirn. Ich nickte.
„Ok...also..." Wieder blätterte sie im Buch herum. „Wann wurde der erste Vampir erschaffen?"
„Der erste Vampir...das war Dracula, oder?", fragte ich unsicher, doch Norami nickte. „Hmm...ich glaube so um 1460...?" Ich war mir überhaupt nicht sicher.
Norami nickte. „Ja, richtig!"
Ich lächelte ausatmend. „Puh...ich konnte mir ja doch noch etwas merken!"
Sebastian fing an zu grinsen und legte einen Arm um mich.
„Gut...die letzte Frage", verkündete Norami mir dann. „Wer ist der bekannteste Vampirjäger auf der ganzen Welt?"
„Van Helsing", haute Sebastian heraus und fing an zu kichern. Auch Norami und ich mussten uns ein Lachen verkneifen. Der Witz war echt alt.
„Das ist so ein alberner Film", ergänzte er immer noch lachend. „Die Menschen haben keine Ahnung von Vampiren und deren Jägern."
Ich nickte bestimmt und antwortete auf Noramis Frage: „Ich glaube, Julias Hislow ist der bekannteste, oder? Es gibt noch andere, aber der ist am schlimmsten."
Wieder nickte Norami. „Richtig! Wow, du hast schon richtig gut gelernt."
Ich grinste. „Na ja...geht so..."
„Nein, wirklich", versuchte Norami mich aufzuheitern. „Wirklich toll! Ich habe immer noch viele Lücken in meinem Gedächnis. Ich kann mir Sachen nicht so schnell merken."
„Das wird schon", sagte ich und lächelte sie an.

Dann stand ich auf und Sebastian auch. Er nahm wieder meine Hand. „Können wir gehen?", fragte ich Norami.
Die Frage war wohl eher: Kann ich dich hier alleine lassen?
Norami sah uns beide glücklich an und nickte. „Klar, geht ruhig!"
Ich gab ihr noch einen Kuss auf die Wange bevor ich mit meinem Freund das Zimmer verließ.
Was er wohl mit mir vor hatte? Was er wohl geplant hat? Ich ließ mich einfach überraschen.

Das dunkle GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt