Quidditch-Party

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Nie hatte Audrey Charmaine ausgelassener als an diesem Tag erlebt. Seit dem Triumph Gryffindors gegen Slytherin - sie hatten das gegnerische Team haushoch mit 300 zu 120 Punkten besiegt - kannte die Ravenclaw kaum ein anderes Thema als die bevorstehende Siegesfeier im siebten Stockwerk, was Samuel sichtlich zu missfallen schien. Er hatte eine ernste Miene aufgesetzt, offensichtlich mit dem zweiten Platz seiner Mannschaft unzufrieden. Audrey konnte seinen Ärger nachvollziehen, immerhin war es seine letzte Chance gewesen, das Team von Hufflepuff zum Gesamtsieg zu führen. Im kommenden Jahr würde es einen neuen Kapitän geben und obwohl Samuel doch zweimal in Folge den heißbegehrten Pokal für sich entscheiden konnte, eine Siegesreihe von drei wäre natürlich noch eindrucksvoller gewesen. Sie spürte förmlich, wie die Spannung zwischen ihren beiden Freunden anstieg und je näher sie den Gemeinschaftsräumen der Gryffindors kamen, desto weniger freute sie sich auf die groß angekündigte Feier. Audrey war sich sicher, dass Charmaine nicht einmal bemerkte, wie sehr ihr Verhalten ihrem Partner aufstieß und genauso gut wusste sie, dass Samuel den gesamten Abend lang nicht ein einziges Wort über seine Sicht der Dinge verlieren würde. Gefühle und das Gespräch über ebendiese zählten nicht unbedingt zu seinen besonderen Stärken.
   Nach einem endlos wirkenden Fußmarsch erreichten sie schließlich das siebte Stockwerk und folgten einem langen, mit Gemälden geschmückten Gang, bis sie vor dem Porträt der Fetten Dame zum Stehen kamen. Ein schlaksiger Junge mit halblangem, fettigen Haar lungerte neben dem Eingang an der Wand. In der linken Hand hielt er ein Klemmbrett und Federkiel, die rechte hatte er mit der Absicht besonders lässig zu wirken in die Hosentasche gesteckt. Er machte einen nicht sonderlich gepflegten Eindruck und Audrey konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, ihn jemals im Schloss wahrgenommen zu haben. Vielleicht lag das aber auch nur daran, dass sie sich sowieso die meiste Zeit über in den hintersten Ecken der Bibliothek versteckte und somit nur wenige ihrer Mitschüler kannte. Der junge Gryffindor sah nun zu den drei Neuankömmlingen auf und musterte sie argwöhnisch. Offensichtlich übernahm er diesen Job nicht freiwillig, hatte entweder eine Wette verloren oder war von einem älteren Schüler zum Schmiere stehen verdonnert worden.
"Namen?"
Krächzte er schließlich mit einer kratzend kehligen Stimme, welche ihm zum Ende hin sogar zu versagen schien. Charmaine ergriff das Wort und schenkte ihm eines ihrer typisch breiten Lächeln.
"Charmaine, Audrey und Samuel. Bill Weasley hat uns eingeladen."
Audrey spürte förmlich, wie Samuel neben ihr die Augen verdrehte und dabei abwehrend die Arme vorm Brustkorb verschränkte. Sie wünschte sich in diesem Moment überall im Schloss zu sein, nur nicht zwischen ihren beiden Freunden. Mit einem lautlosen Seufzen überflog der Gryffindor nun den Inhalt auf dem Klemmbrett und nickte schließlich.
"Ja, ihr könnt rein."
Er stellte sich dann vor das Porträt und sagte.
"Kürbisbrause."
Die Fette Dame schwenkte mit einem genervten Augenrollen zur Seite, gab so den Eingang zum Gemeinschaftsraum frei.
"Wenn du das heute noch öfter machst Bürschchen, ist mit mir nicht mehr gut Kirschen essen, verstanden?"
Charmaine konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen, als der Angesprochene sichtlich in sich zusammenschrumpfte, dabei versuchte eine unverständliche Entschuldigung zu stammeln, und stieg zuerst durch das Portal hindurch. Audrey und Samuel folgten ihr kommentarlos.

Wie angewurzelt blieb Audrey stehen, sobald sie den gesamten Raum vor ihren Füßen in sich aufnehmen konnte. Staunend betrachtete sie die Szenerie, welche sich ihr bot. Sämtliche ihrer Vorstellungen des Gryffindor-Gemeinschaftsraums wurden mühelos übertroffen und ließen Audrey jedes noch so kleine Detail gierig in sich aufsaugen. Die steinernen Wände waren von unzähligen Gemälden, Teppichen und Schautafeln übersäht. Dicke, schwere purpurne Vorhänge schmückten die hohen, alten Fenster und verliehen den mit Kissen und Decken ausgestatteten Erkern eine noch verlockendere Gemütlichkeit. Ein großer, weiter Kamin dominierte den Raum. Aufgrund der frühsommerlichen Hitze war dieser jedoch durch ein kühlendes saphirfarbenes Feuer erleuchtet worden. Jemand hatte es sich wohl nicht nehmen lassen, mit seinen begnadeten Zauberkünsten zu prahlen. Audrey hatte diesbezüglich sogleich einen gewissen Vertrauensschüler mit flammend rotem Haar im Verdacht. Bei Gelegenheit würde sie diesem auf den Zahn fühlen. Um eine große Tanzfläche auf dem von Teppichen übersäten Boden zu schaffen, hatte man die etlichen Tische, Stühle, Sessel und Sofas auf die Seiten des runden Saals geschafft. Erstere dienten als Bar und Buffet, welche freudig bei der feiernden Menge auf Anklang stießen. Aus einem Grammophon, welches auf der Galerie zu den Schlafsälen thronte, klang die rhythmische Musik eines aktuellen Songs der 'Verwegenen Vagabunden'. Charmaine war eine große Liebhaberin der Band und hatte ihre Freundin gleich noch an ihrem ersten Schultag vor über zwei Jahren mit sämtlichen - ihrer Meinung nach - wichtigen Informationen bezüglich der Gruppe und Lieder vollgetextet. Audrey würde lügen, sollte sie behaupten sich all diese Fakten gemerkt zu haben. Diese wilde, laute Musik verfehlte aber auch komplett ihren persönlichen Geschmack. Die wohlklingenden, sanften Melodien der lokalen Künstler ihrer Heimat waren ihr da mit beachtlichem Abstand lieber.
   Charmaine hatte sich binnen weniger Sekunden unter die feiernde Masse gemischt, während Samuel nach wie vor neben Audrey verharrte und nicht wirklich mit sich anzufangen wusste. Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu, suchte nach den richtigen Worten. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, fuhr er sich unwirsch durch die kurzen schwarzen Haare, welche er seit dem letzten Sommer in einer stoppeligen Frisur trug.
"Gib dir nicht die Mühe Audrey, ich hol mir was zu trinken."
Schon war er in der Menge verschwunden. Mit frustriert aufgeblasenen Wangen verschränkte sie die Arme vorm Brustkorb und stieß mit einem unüberhörbar genervten Unterton hervor.
"Meu Deus."
Dann verdrehte sie seufzend die Augen und schlängelte sich an den tanzenden Mitschülern vorbei in Richtung Galerie. Die Lust am Feiern war ihr gänzlich vergangen und vielleicht konnte sie sich in der oberen Etage zumindest vor eventuellen Auseinandersetzungen zwischen ihren beiden Freunden verstecken. Sie wollte mit Sicherheit nicht in die Bredouille geraten, sich diesen beiden Fronten entgegenzustellen. Normalerweise waren Samuel und Charmaine wie ein Herz und eine Seele. Seitdem jedoch die ehrgeizige Ravenclaw Bill Weasley als potenziellen Nachfolger als Schülersprecher unter ihre Fittiche genommen hatte, verging kaum eine Woche in der sie und ihr Freund sich nicht mal mehr mal weniger ernsthaft in die Haare bekamen. Audrey ging dieses Verhalten mittlerweile nur noch auf die ohnehin schon lediglich leicht strapazierbaren Nerven, immerhin musste sie bereits in ihrem Heimatdorf mit ständigen Streitereien zurechtkommen. Nun auch noch während des Prüfungsstresses dauerhaft den Konfliktlöser für ihre beiden Freunde spielen zu müssen, zerrte ungemein an ihren Reserven. Seufzend ließ sie sich neben einem hölzernen Beistelltisch auf einem knarzenden Stuhl nieder und schloss für einen Moment die Augen. Es war eindeutig ein Fehler gewesen, diese beiden Streithähne auf die Feier zu begleiten.
   Das Dröhnen des Grammophons und die unzähligen Gesprächsfetzen der feiernden Menge fühlten sich mit einem Mal so weit entfernt von ihr an. Sie glaubte fast, in einen separaten Raum eingetreten zu sein. Verwundert hob sie zögernd die Lider und begriff, dass ihr der eigene Verstand wohl einen fiesen kleinen Streich gespielt haben musste. An ihrer Umgebung hatte sich nichts verändert. Vielmehr schien es, als wäre es noch voller und lauter geworden. Audreys Blick fiel auf den unauffälligen Beistelltisch neben ihr. Auf ihm befand sich ein Apparat, welcher einem Grammophon zwar ähnlich war, jedoch keines sein konnte. Horn und Trichter fehlten dem ulkigen Gerät, dafür drehte sich die viel zu große Platte aber unter einem durchsichtigen Glaskasten. Skeptisch zog Audrey die Augenbraue nach oben, so etwas Skurriles war ihr selbst hier noch nicht untergekommen und sie hatte schon so einige seltsame Dinge in der schottischen Zaubererschule umherschwirren sehen. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich nun auf eine Papphülle, die vor dem Nicht-Grammophon lag. Sie war in verschiedenen rosafarbenen Tönen gehalten. Auf einem breiten Banner im oberen Teil stand in einer äußerst auffälligen Schrift 'SURREALISTIC PILLOW' und darunter zeigte der Rest der Hülle vier Männer und eine Frau, welche verschiedene Instrumente in den Händen hielten und den vermeintlichen Betrachter freundlich entgegenblickten. Auf dem Hohlkörper der Klampfe unten rechts, welche einer Laute seltsam ähnlich sah, stand in schwarz ein wenig schräg 'JEFFERSON AIRPLANE'. Audrey legte den Kopf leicht schief und musterte die mutmaßlichen Musiker eingehend. Sie bewegten sich die gesamte Zeit über keinen Millimeter. Handelte es sich hier etwa um Muggelmusik? Aber wie sollte man diese in Hogwarts abspielen können? Elektronische Geräte sollten doch normalerweise auf dem Gelände versagen.

The Sound Of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt