The Motel Pub

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Die Musik dröhnte in vielschichtigen Tönen so in den Ohren, dass man kaum seine eigenen Gedanken hören konnte. Nahezu lautlos fiel die schwere rote Eingangstür hinter Audrey ins Schloss und ließ sie komplett in das erfüllte Leben des Pubs eintauchen. Das rote Licht der Lampen vermischte sich mit dem Rauch verschiedener Zigaretten und verlieh dem Raum einen schummrigen Schimmer. An einigen Tischen wurden Würfel- und Kartenspiele in größeren und kleineren Gruppen gespielt, Pärchen saßen auf schmaleren Sitzgelegenheiten an den Rändern des fast quadratischen Raumes nahe beisammen. Die unterschiedlichsten Gesprächsfetzen vermischten sich mit den abgespielten Klängen zu einem breiten, eindringlichen Geräuschkonzert. Audrey blickte zur Bar und sah Menschen verschiedenster Hintergründe als auch Altersklassen aufgeweckte Diskussionen miteinander führen oder im Takt des gerade spielenden Liedes wippen. Den Besitzer des Schallplattenladens, welchen sie am Morgen kennengelernt hatte, konnte sie jedoch noch nicht ausmachen. Ihr Blick fiel nun auf eine Treppe, die zu einer Art Galerie hinaufführte, vielleicht war Martin ja dort oben zu finden. Am Fuße ebendieser befand sich eine kleine Bühne auf welcher gerade ein unauffällig wirkender, junger Mann seine Gitarre stimmte. Er musste ungefähr in Audreys Alter sein, außerdem wirkte er ziemlich nervös... wenn auch dabei zugleich konzentriert. Das musste wohl der Freund sein, von welchem Martin ihr erzählt hatte. Sie blickte sich weiter um. An der Decke hing eine silberne Diskokugel, welche sich gemütlich zum Rhythmus der aufgeweckten und seltsam vertrauten, fast schon südländisch klingenden Musik drehte. Die junge Frau erkannte die Tonabfolgen, das Metrum auf Anhieb und ein verträumtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Sie schloss die Augen und mit einem Mal fühlte sie sich in ihre Heimat zurückversetzt. Oh, wie sie Minoria doch vermisste. Das unbesorgte Herumtollen mit Oliver, das frühere, gemeinsame Kochen mit den Großeltern, die abenteuerlichen Ausflüge in den Dschungel mit Pai, die vorgelesenen Geschichten von Mãe und natürlich das stetig sonnige Tropenwetter. Audrey liebte Bossa Nova wie er hier gerade gespielt wurde, er war schon immer ihre bevorzugte Musikrichtung gewesen. Alles erschien ihr beim Hören dieser vertrauten Klänge so viel einfacher vorzukommen, ließ sie in eine andere Welt eintauchen und für einen Moment alle Sorgen, Zweifel und Schwierigkeiten mit der neuen, ungewohnten Umgebung vergessen.
Sie bemerkte gar nicht, wie die lateinamerikanische Musik immer leiser wurde und schließlich komplett abebbte. Viel zu sehr war sie in ihre eigene kleine Gedankenwelt versunken, wünschte sich heimlich ihre unbeschwerte, vergnügte Kindheit zurück. Die Streitereien und Konflikte der letzten Jahre hatten sie mehr ausgelaugt, als sie zugeben wollte. Auch, dass Oliver seitens der Großmutter mittlerweile zum Außenstehenden degradiert worden war, zeichnete sie innerlich, ließ sie nicht los. Wenn die Entscheidung ihres großen Bruders schon auf so viel Widerstand gestoßen war, wie würde die Familie erst reagieren, falls sie jemals ihre Zweifel als auch Wünsche aufrichtig äußerte. Die Gemeinschaft von Minoria war alles für Audrey, obgleich sie gerade den Abstand in der europäischen Ferne suchte und den Kontakt so gering wie möglich hielt. Sie zog die Augenbrauen zusammen. Lief sie eventuell nur vor ihren Problemen davon? War es vielleicht gar nicht aufzuhalten, früher oder später einen neuen Konflikt herbeiführen zu müssen? Unwillkürlich biss sie sich auf die Unterlippe. Ihre unbeschwerte, nostalgische Stimmung war mit einem Mal verflogen und zurück blieb nur die Erkenntnis, dass sie so zu keinem Entschluss kommen konnte. Um sie herum war es dunkler geworden. Die Lampen spendeten nun ein gedimmtes orangenes Licht und die Diskokugel warf noch immer ihren silbernen Glanz.

Audrey hatte jegliches Zeitgefühl verloren. So war ihr gar nicht aufgefallen, dass sie mittlerweile alleine an einem kleinen, runden Tisch saß. Direkt vor ihr stand eine geöffnete, jedoch noch komplett gefüllte Flasche Pale Ale. Hatte sie diese selbst bestellt? Sie fuhr sich durch die wilden dunklen Locken und atmete tief durch. War sie wirklich so sehr ihren Gedanken nachgehangen und hatte dabei das gesamte Geschehen um sich herum nicht mehr wahrgenommen? Solch ein Phänomen kannte sie normaler Weise nur von ihren unsagbar langen Lerneinheiten in der gigantischen Bibliothek von Hogwarts. Dass ihr dies nun einfach so in einem fremden Muggel-Pub geschah, war doch nahezu peinlich. Sie schob die Flasche auf die andere Seite des Tisches, rieb sich dann leicht über ihre Schläfen. Langsam sollte sie sich wohl auf die Suche nach Martin machen, nicht dass dieser noch dachte, sie hätte ihn einfach versetzt. Mit einer neuen Entschlossenheit stand sie auf und bahnte sich vorsichtig ihren Weg durch die kleine Menschenansammlung, welche augenscheinlich gebannt dem Musiker lauschte. Audrey hielt inne. Dieses langsame Gitarrenspiel löste in ihr ein seltsames Gefühl der Vertrautheit aus.

The Sound Of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt