Hogwarts

24 7 2
                                    

Professor Snapes Charakter war Audrey gänzlich zuwider. Zwar respektierte sie seine außergewöhnlichen Fähigkeiten der Kunst des Zaubertrank Brauens, jedoch konnte sie sein Verhalten gegenüber den Mitschülern vor allem aus dem Haus Gryffindor nicht ausstehen, geschweige denn nachvollziehen. Manchmal erwischte sie sich bei dem Gedanken, ob es vielleicht nicht doch ein Fehler gewesen war ohne großes Überlegen am Austauschprogramm teilzunehmen.  Zum größten Teil hatte sie vieles an Lehrstoff bezüglich verschiedener Fächer nachzuholen, immerhin stimmten die Lehrpläne von Hogwarts und Castelobruxo nicht komplett überein. Während ihre ehemalige Schule einen besonders großen Wert auf den Kräuterkundeunterricht lag, rühmte sich das Internat im schottischen Gebirge mit einer ausgezeichneten Ausbildung in Verteidigung gegen die dunklen Künste und - mitunter Dank Professor Snape - Zaubertränke. Außerdem unterschieden sich die übrigen Fächer, insbesondere die verschiedenen Wahlkurse, doch sehr vom Inhalt derer des brasilianischen Lehrplans und bereiteten Audrey vor allem in den ersten Wochen so einiges Kopfzerbrechen. Dies lag mitunter auch an der komplexen, englischen Sprache. Zwar hatte Ernest Brixford darauf bestanden, Oliver und Audrey bilingual großzuziehen, jedoch hielt sich das sprachliche Talent der jungen Hexe in Grenzen, was sich in Form eines markanten portugiesischen Akzents und Schwierigkeiten mit mehrschichtigen, langen Sätzen äußerte. Zum Glück konnte sie zumindest bei diesen Problem auf die Hilfe von Samuel und Charmaine bauen. Die beiden Gleichaltrigen wurden schnell zu ihren engsten Bezugspersonen und entpuppten sich als wahre Freunde - etwas, das sie leider nicht von vielen anderen Schulkameraden - insbesondere einer jungen, sehr schusseligen Hexe namens Iggy Northwood - behaupten konnte. Diese hatte es seit der ersten Schulwoche auf Audrey abgesehen und folgte ihr in jeder freien Sekunde durch die weiten, alten Gänge des Schlosses, während sie ihr unendliche Fragen zu verschiedenen Zaubertränken um die Ohren warf.

Wie ein Lauffeuer hatte sich Audreys Titel als wahre Zaubertranks-Koryphäe in der gesamten Schule verbreitet, nachdem ihr Professor Snape bereits in der ersten Unterrichtswoche - wenn auch äußerst Widerwillig - ein großes Lob für einen perfekt hergestellten Alterungs-Trank aussprechen musste. Mit unzufrieden, nach unten gezogenen Mundwinkeln hatte er ihr sogar fünf Punkte für Hufflepuff zugesprochen und nach der Lehreinheit zwei Schüler seines Hauses zurückbehalten - wohl um mit ihnen ein wichtiges Gespräch über ihre Leistungen zu führen. Audrey hätte dieser kleine Verdienst nicht egaler sein können, das Prinzip vom konkurrierenden Haussystem dieser Art war ihr ohnehin suspekt. Wieso sollte man sich auch außerhalb der Sportmannschaften in den Kräften messen? Das schürte doch nur eine negative Auffassung der Schüler gegenüber anderer Studierender, welche nicht Teil ihres eigenen Hauses waren. Das ergab doch keinen Sinn. Charmaine und Samuel hatten ihr versucht weiß zu machen, dass dieses System sehr wohl seine volle Berechtigung besaß zu existieren, immerhin brachte man so die Schüler doch zu den besten Leistungen und verlieh ihnen einen gesunden Ehrgeiz. Audrey zog als Reaktion darauf jedoch nur ungläubig die Augenbraue hoch, wünschte sich dabei heimlich das - ihrer Meinung nach - überlegene Individualsystem Castelobruxos zurück. Zwar gab es dort aufgrund der hohen Anzahl an Schülern sechs Häuser und dementsprechende Hauslehrer, diese dienten aber lediglich der organisierten Unterbringung der Lehrlinge und besseren Beratung bei eventuellen Problemen des Einzelnen. Unabhängig davon existierten fünf verschiedene Quidditch-Mannschaften, welche unterschiedliche Werte vertraten und am schulinternen Wettbewerb teilnahmen. Außerdem waren aufgrund der steigenden Beliebtheit bei der südamerikanischen Zaubergemeinschaft vor einigen Jahren zwei Fußballmannschaften gegründet worden, die bei den Schülern einen sehr großen Anklang fanden. Manchmal erfanden die Muggel wohl doch interessante Dinge, auch wenn es sich hierbei nur um eine witzige, triviale Sportart handelte. Samuel hielt sein Vorhaben aus dem Hogwarts Express ein und so gelang es Hufflepuff nach zehn endlos wirkenden Jahren der Zweitplatzierungen endlich wieder an der Spitze der Tabelle zu stehen. Dies wurde mit einer riesigen Fete im Gemeinschaftsraum gefeiert. Dazu gab es etliche Köstlichkeiten aus der schlosseigenen Küche, darunter Butterbier, Kürbispasteten, Zischende Wissbies und andere Leckereien. Die Hauselfen hatten all dies den Schülern freudenstrahlend überreicht - immerhin war es nichts Neues, dass die Hufflepuffs des Öfteren auch Kleinigkeiten aus den Vorräten plünderten. Es gab eindeutig seine Vorzüge, die Gemeinschaftsräume in direkter Nähe zu einer der besten Küchen ganz Großbritanniens zu haben.

Im kommenden Sommer wurden Audreys ausgezeichneten ZAG-Ergebnisse von einem gigantischen Familienstreit in den Schatten gestellt. Die Großmutter war völlig außer sich, als sie erfuhr Oliver hätte einen Brief des brasilianischen Zaubereiministeriums erhalten. Es schien sich wohl um die Bestätigung für eine Ausbildungsstelle als Auror zu handeln. Ganz Minoria war im hellen Aufruhr und wochenlang schien es kein anderes Thema für die gesamte Gemeinschaft zu geben als den vielversprechenden Sprössling der Familie, welcher diese nun einfach im Stich ließ. Oliver wusste nicht, wie er mit der lauten Empörung umgehen sollte, immerhin wäre für ihn doch klar gewesen, dass definitiv Audrey das hochangesehene Geschäft der Familie fortführen würde, also könne er doch wohl ohne schlechtes Gewissen den Weg des Vaters gehen. Dies sah die Großmutter jedoch erheblich anders. Sie hatte sich schon voller Vorfreude ausgemalt, wie die Geschwister zusammen den Laden übernahmen und dem großen Familienerbe neuen Glanz als auch Ruhm verschafften. Ernest Brixford war nach dieser Aussage definitiv der Kragen geplatzt, seine Kinder besaßen doch wohl die Freiheit selbst zu entscheiden, was sie mit ihren Abschlüssen anstellen würden, da hätte die Großmutter noch am wenigsten zu melden. Seine Frau Rialda war die Streitereien über verdächtig still geblieben, schien sich - wie Audrey ebenfalls - auf keine der beiden Seiten zu stellen. Dem Zorn des Familienoberhaupts war man mit Sicherheit nicht gewachsen und so wollte diesen auch niemand freiwillig auf sich ziehen. Ihr Mann musste im Dschungel verrückt geworden sein, da war sich Rialda sicher, und so hielt sie ihn bestimmt zurück der Großmutter noch mehr Dreistigkeiten an den Kopf zu werfen. Ende August verließ Oliver schließlich das kleine Küstendorf, ohne Verabschiedung an die Großmutter. Wenigstens hatte er noch ein paar nette Worte an seine kleine Schwester übrig und so wünschte er ihr für das neue Schuljahr viel Erfolg und versprach ihr, eine Eule nach Hogwarts zu schicken.

Audrey war froh, nach Großbritannien zurückzukehren. Zwar ließen sie immer weniger Mitschüler während ihrer Aufenthalte in den Gängen oder der Bibliothek in Ruhe, aber wenigstens hatte sie Abstand zu der strengen Hand der erwartungsvollen Großmutter. Außerdem hatte Iggy, welche ihr im vorherigen Schuljahr noch in jeder freien Minute aufgelauert hatte, ihre UTZs bestanden und war ihr somit nicht noch länger eine zusätzliche Last. Charmaine und Samuel waren sichtlich erstaunt, als ihre Freundin ihnen von den Streitereien im Sommer erzählte. Sie verstanden nicht unbedingt, wie eine einzelne Person eine ganze Familie so im Griff haben konnte, aber vielleicht lag das auch einfach nur an den kulturellen Unterschieden. Audreys Englisch wurde flüssiger und vor allem anspruchsvoller. Ihr portugiesischer Akzent gab ihr nun eine gewisse temperamentvolle Würze und wirkte weniger markant. Charmaine war der Meinung, sämtliche Schüler müssten ihrer Freundin nun zu Füßen liegen - bis auf Samuel natürlich, mit welchem sie über die Ferien endlich nach endlosen Schwärmereien zusammengekommen war. Audrey entschied sich ihre UTZs in den Fächern Astronomie, Verteidigung gegen die Dunklen Künste, Muggelkunde, Kräuterkunde, Zauberkunst und selbstverständlich Zaubertränke - oder wie es nun in der Oberklasse als Alchemie bezeichnet wurde - abzulegen und so verbrachte sie den Großteil ihrer Freizeit lernend in der Bibliothek. Hin und wieder tauschte sie mit Oliver, welcher äußerst erfolgreich in seiner Ausbildung glänzte, Briefe aus, während sie die Schreiben der Großmutter größtenteils versuchte zu ignorieren und so flogen die Tage, Wochen und Monate bis zu ihrem finalen Abschlussjahr in einem nahezu rasanten Sauseschritt vorüber.

Charmaine wurde schließlich zusammen mit einem Jungen aus Gryffindor zur Schulsprecherin ernannt und konnte sich kaum zurückhalten, sich vor ihren Freunden damit zu brüsten. Außerdem hatte sie sich mittlerweile fest in den Kopf gesetzt nun doch die Auroren-Karriere einzuschlagen, weshalb sie fast genauso oft wie Audrey ihre Freizeit in der Bibliothek verbrachte und fleißig büffelte. Samuel trat sein zweites Jahr als Kapitän der Quidditch-Mannschaft von Hufflepuff an und ärgerte sich grün und blau, als sie das erste Spiel des Schuljahres gegen Gryffindor knapp verloren. Der gegnerische Sucher, ein kleiner, flinker Rotschopf namens Charlie Weasley, hatte sich binnen einer halben Stunde den Schnatz geschnappt und ließ Samuels Sucher peinlich berührt dreinschauen. Es war ein dunkler Tag für das gesamte Haus Hufflepuff gewesen, immerhin hatten sie vorgehabt den Quidditch-Pokal ein drittes Mal in Folge ohne Niederlage einzuheimsen. Von seiner Freundin konnte Samuel diesbezüglich auch keinen großen Trost erwarten, die freute sich nämlich mehr darüber, dass ein so großes Sucher-Talent zu ihrer Zeit die Schule besuchte als dass sie Mitleid gegenüber ihres festen Freundes empfand. Audrey konnte das alles nicht egaler sein. Sie hatte sich noch nie sonderlich für Quidditch interessiert und Oliver hatte in Castelobruxo sowieso eine Position als Stürmer im Fußball innegehabt, weshalb sie höchstens einige seiner Spiele besucht hatte. Als Charmaine, Samuel und sie jedoch von einem Vertrauensschüler Gryffindors - Charmaine schwärmte des Öfteren von dessen erstaunlicher Begabung und Disziplin - höchstpersönlich gegen Jahresende nach dem finalen Turnierspiel zur großen Siegesfeier eingeladen wurden, konnten sich die drei Freunde dieses Spektakel wohl kaum entgehen lassen.

The Sound Of MagicWhere stories live. Discover now