Kapitel 8

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Nach meiner anstrengenden Schicht, wo ich die ganze Zeit nur an Demir dachte, konnte ich nun endlich nach Hause. Ich verstaute schnell das Putzzeug und schloss die Tür.

"Komm gehen wir nach oben, bevor meine Mutter dich sieht. Die würde wie immer ausrasten!", sagte eine mir allzubekannte Stimme.
"Ehm, holst du mir schnell was zum Trinken? Ich gehen in der Zwischenzeit schon in dein Zimmer."
"Klar, ich komme gleich nach."

Plötzlich sah ich, wie ER die Treppen rauf rannte und Ausschau nach jemanden hielt. Sein Blick blieb bei mir hängen und er steuerte direkt auf mich zu.
"Versteck dich, Emir kommt gleich und wenn er dich sieht, dann weiß es bald die ganze Schule."
"E..mir?"
"Ihm gehört das Haus!"

Oh shit, das wusste ich gar nicht. Aber was meinte er mit 'dann weiß es bald die ganze Schule'? Würde er es am Montag nicht jeden erzählen?

"Er wird mich bald sowieso sehen. Da spielt es keine Rolle, wenn ich mich verstecke." Ich wollte gerade an ihm vorbei kommen, als wir plötzlich Schritte hörten. Demir machte daraufhin die Tür der Putzkammer auf und drückte uns rein. Danach schloss er die Tür und wir waren uns ziemlich nahe.

"Du sollst hier nicht mehr arbeiten!"
"Das hat dich nichts zu interessieren!", gab ich bissig zurück. "Und jetzt, lass mich in Ruhe! Ich danke dir wegen gestern, aber das wars auch schon!"
Ich drückte ihn von mir weg und stürmte aus dem engen Raum. Mein Herz pochte wild, aber das versuchte ich zu ignorieren. Ich rannte die Treppen runter und begegnete meiner Chefin, Emir's Mutter und sagte: "Entschuldigung, aber ich bin jetzt fertig. Dürfte ich bitte jetzt gehen?"
Sie schaute mich einmal kurz an und antwortete mir: "Natürlich. Komm am besten wieder am Montag. Am Wochenende gibt es eigentlich nicht viel zu tun."

Ich bedankte mich bei ihr und ging aus dem riesen Haus. Ich hatte in dieser Stadt nur Pech. Wirklich. War mir etwas gutes passiert? Nein. Und meinen Vater vermisste ich auch. Schluchzend ging ich nach Hause und versuchte das Krankenhaus zu erreichen. Nach dem dritten Klingeln hob jemand ab.

"Hallo, ich bin Zahra Yilmaz."
"Zahra, liebes. Wie geht es dir?", fragte die andere Stimme. Ich wusste sofort wer das war. Es war eine Krankenschwester die mich damals versuchte so gut es ging aufzuheitern.
"Nun ja, wie soll es mir gehen?", fragte ich niedergeschlagen.
"Es tut mir leid. War eine blöde Frage."
"Macht doch nichts. Wie geht es ihm?"
"Nun ja, er liegt immer noch im Koma und..--"
"Wie bitte? Koma? Was? Wovon sprichst du?"
"Wir haben euch angerufen, deine Stiefmutter hatte abgehoben. Ich dachte, sie würde es dir erzählen."
"Das hat sie nicht..", sagte ich brüchig und legte auf. Wie nicht anders zu erwarten, fing ich auf der Stelle an zu weinen. Mein Vater, er lag im Koma und ich wusste nichts davon. Ich bin die schlechteste Tocher überhaupt.

Ich stand von meinem Bett auf und wollte jetzt einfach zu ihm. Zwei Monate hatte ich ihn nicht gesehen. Ich konnte den Anblick nicht ertragen, wie er schwach da liegt und mich anlächelt. Ich würde zusammen brechen. Ich packte mir schnell was zum Anziehen ein und sprintete nach draußen. Mir war im Moment alles egal. Die Schule, die Arbeit und Demir. Warum ich in dieser Situation an ihn dachte? Ich hatte keine Ahnung.

Ich stieg in den Zug und nahm Platz. Ich saß nah am Fenster, denn das würde mich während der Fahrt ein wenig ablenken. Ich würde nach draußen schauen und nachdenken. Über alles und jeden.

...

Ich fuhr eine ganze Weile und merkte nicht, dass meine Station aufgerufen worden ist. Erst als mich die alte Frau anstupste und liebevoll sagte: "Du wolltest doch hier aussteigen nicht?"
Ich riss meine Augen weit auf und bedankte mich schnell. Ich stieg aus dem Zug aus und rief mir ein Taxi. Während der Fahrt sah ich bekannte Leute. Leute, die mich ausgelacht hatten. Leute, die alles glaubten was Emira ihnen erzählt hatte. Leute, denen man nicht vertrauen konnte.

"Miss? Wir sind da!", sagte der Taxifahrer. Ich gab ihm sein Geld und stieg aus. Tränen stiegen mir ins Gesicht, als ich das Krankenhaus erblickte. Papa, wieso willst du mich alleine lassen? Mit wackeligen Beinen betrat ich es und ging gleich zum Informationsstand. Zufälligerweise kam mir der behandelnde Arzt von meinen Vater entgegen.

"Frau Yilmaz, wie haben Sie hier lange nicht mehr gesehen."
"Wir sind umgezogen!", sagte ich kleinlaut dazu.
"Na jedenfalls, ich müsste mit Ihnen kurz sprechen. Sie sind doch 18 nicht?"
Ich nickte, obwohl ich erst in zwei Monaten 18 werde. Aber das sollte er nicht wissen.
Ich folgte dem Arzt und betrat sein Büro. Er bat mich platz zu nehmen und als ich es tat, fing er an zu sprechen.

"Nun, Frau Yilmaz. Ihrem Vater geht es von Tag zu Tag schlechter. Wir wissen nicht, ob er seine Krankheit überlebt."
Unbewusst fing ich an zu weinen.
"Wir haben keine Chance mehr hier. Am besten wäre es, wenn wir in nach England schicken würden. Dort gibt es spezialisiertere Ärzte und da hätte er eine Chance. Das einzige Problem ist, dass dort keine Krankenkasse dafür aufkommt. Es ist aus privater Sicht zu zahlen."
"Wie viel..?"
"Pro Nacht die er dort verbringt muss er 889$ zahlen. Und die Behandlungen sind nicht inbegriffen. Die müssen Sie extra zahlen."

Ich sprang auf: "Woher soll ich das Geld nehmen? Mich etwa selbst verkaufen?"

Ich rannte aus dem Krankenhaus und wusste einfach nicht was ich machen sollte. Die Idee mich selbst zu verkaufen, schien mir in diesem Augenblick die einzige Lösung zu sein.

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