Kapitel 6

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Unterdessen saß Loki in New York auf einem der bequemen Sofas, die das private Wohnzimmer von ihm und Eleya schmückten. Er besah das Handy, das ihm Tony überlassen hatte, als klar wurde, dass Eleya nun für eine Weile fort sein würde. Wahrscheinlich war es aus einem Anflug von plötzlichem Mitleid geschehen, doch das kümmerte ihn gerade herzlich wenig. Stattdessen sah er auf die knappe Nachricht, die das Mädchen ihm geschickt hatte. Er lächelte.

Obwohl sie keine wirkliche Zeit gehabt haben dürfte, hatte sie sich dennoch darum gekümmert, ihn persönlich wissen zu lassen, dass sie gelandet war. Bei ihm war bereits abends, bei ihr jedoch noch früher Morgen, wie er sich erinnerte.

Foolish mortals and their messed up time zones. (Dumme Menschen und ihre bescheuerten Zeitzonen.), kicherte er in sich hinein, und nahm sich fest vor, wach zu bleiben, um sie anzurufen, sobald sie Zeit hatte.

Zu Abend hatten sie bereits gegessen, also blieben ihm nur noch er und seine Gedanken. Es gefiel ihm nicht - es war so still. Natürlich war es das zu einem großen Teil auch, wenn Eleya da war, doch da war er nicht auch noch zusätzlich allein.

Ein leichtes Schauern lief Loki über den Rücken. Er mochte es nicht, allein zu sein. Es weckte zu viele Erinnerungen, die er lieber vergessen ließ, die er vor einiger Zeit schon begraben hatte. Die Entfernung zu Eleya ließ ihn Unbehagen empfinden, als wäre ein Teil seiner Selbst verschwunden.

Der Gott schloss seine Augen, dachte an den Moment zurück, an dem er sie zum ersten Mal sah.

Der Tesserakt hatte ihn in eine der vielen versteckten Hydra-Basen geführt, mitten in der Kälte Russlands. Seine Haut hatte der kühlen Verlockung nicht nachgegeben, und er hatte durch ein Portal hindurch Eintritt gefunden. Mehrere bewaffnete Menschen hatten ihm plötzlich entgegengestanden, jeder mit einer Pistole. Einzig und allein ein junges Mädchen, vielleicht 14 Jahre alt, war mit Pfeil und Bogen bewaffnet hinter ihnen, bereit, ihn mit dem Lösen der Bogensehne den Tod zu servieren. Loki verspürte unter dem dämpfenden Einfluss des lilanen Titans lediglich leichte Verwirrung, Überraschen und Anspannung. Ihre blauen Augen schienen hart, wenn auch auf irgendeine Weise wie eine Erleuchtung für ihn, als hätte er sie all die Zeit, die er nun schon unterwegs war, gesucht. Blonde Haare umrahmten das junge Gesicht, dessen Züge wie in Stein gemeißelt schienen.

Nein, eher wie in Eis., korrigierten sich seine Gedanken von selbst. Beinahe wie ich...

Er konnte schon vom puren Ansehen ablesen, dass man an ihr Experimente durchgeführt hatte. Sie stand sicher, dennoch aber irgendwie vorsichtig, als erwarte sie, dass all diese Männer plötzlich auf sie umspringen würden. Kaum ein Gefühl war in ihren Augen zu lesen, es schien nichts als Leere in ihnen versteckt.

Loki's Züge wurden von einem Grinsen verzogen.

Einer der Männer sagte etwas auf russisch, dann auf Englisch. "Who are you?" („Wer sind Sie?")

Das Grinsen vertiefte sich, als der Gott mit einer Stimme wie Samt antwortete, beinahe schnurrte. "I am Loki of Asgard. And I am burdened... with glorious purpose." („Ich bin Loki von Asgard. Und ich bin mit glorreichen Zielen gebürdet.")

Kurzes Raunen, leichter Schock. Unter dem Einfluss von Thanos sonnte sich der Gott förmlich in der Angst der Menschen. Wieder war die Blondine eine Ausnahme; sie war die Einzige, die nicht vor Schauer zitterte. Ihr Bogen blieb gespannt, und schon bald verstand er warum; sie war schlimmeres gewohnt. Der Tod jagte ihr keine Angst ein, er schien eher wie eine Erlösung für sie.

"What do you want?" („Was willst du?"), fragte der Mann wieder, doch Loki antwortete nicht. Stattdessen schritt er auf das Mädchen zu, dass seinen Blick nun fesselte, und er kam nicht umhin zu bemerken, dass sie hübsch war für eine Sterbliche.

"Well, well... What is a little girl like you doing here, around all these grown men that seem to crave domination?" („Nun, nun... Was macht ein kleines Mädchen wie du hier, unter all diesen Männern, die sich nach Dominanz zu sehnen scheinen?"), fragte er sie, ohne die Augen von ihr zu lassen.

"I am no little girl." („Ich bin kein kleines Mädchen."), antwortete sie ruhig, ihre Stimme weicher als alles, was er je gehört hatte. Sie schien so erwachsen, dass er sich fragte, ob sie nicht recht haben könnte, wenn auch nur, was ihren Geist betraf.

"How about you put that little bow and arrow down? You don't want to shoot me, as far as I can tell." („Wie wäre es, wenn du den kleinen Bogen und den Pfeil niederlegst? Du willst mich nicht erschießen, soweit ich sagen kann."), sprach er, doch sie legte den Kopf schief.

"You may be right, but that doesn't change what I'm going to do. If I don't shoot you, others will. And afterwards I'll be paying a high price that I am not willing to pay. Not for a total stranger." („Du magst Recht haben, doch das ändert nichts an dem, was ich dennoch tun werde. Wenn ich dich nicht erschieße, werden es andere tun. Und im Nachhinein werde ich einen Preis zahlen, den ich nicht bereit bin zu zahlen. Nicht für einen Fremden, den ich nicht einmal im Ansatz kenne."), gab sie zurück. Er verstand was sie meinte, und blendete die Männer um sie herum aus. 

Er schwieg, wog in seinem Kopf die Möglichkeiten ab. Etwas in ihm wollte sie unbedingt auf seiner Seite haben, und als er das Zeichen auf ihrem Handgelenk sah, wuchs ein ihm eher unbekanntes Gefühl in ihm heran. „107", fest und unwiderruflich in ihre Haut geschrieben, mit schwarzer Tinte. Eingebrannt, mit brennendem Eisen. Sein Beschützerinstinkt wurde geweckt. Tief in ihm gefiel ihm nicht, wie diese Männer sie offenbar behandelten. Es hätte ihm egal sein sollen - sie war nur eine Sterbliche, von Midgard -, doch das was es nicht. Vielleicht war es genau das, was ihn dazu verleitete, die nächsten Worte zu sagen;

"What if I took you with me? No more experiments, no more pain. All you'd have to do would be obey me, as long as I need you." („Was wäre, wenn ich dich mit mir mitnähme? Keine Experimente mehr, kein Schmerz mehr. Alles, was du tun müsstest, wäre mir gehorchen, solange ich es brauche.")

"And after that?" („Und danach?")

Er lächelte."You'd be free." („Du wärst frei.")

Ihre Lippen zitterten. "I will never be free." („Ich werde niemals frei sein.")

Seine Brauen verzogen sich, und er verstand. Sie würden sie jagen. Seine Augen wurden weicher.

"Then I'll make you free. And protect you as long as you want me to, no matter what." („Dann werde ich dich befreien. Und beschützen, solange, wie du es willst, egal was kommt.")

Sie zögerte. Loki sah es an ihren Augen. Sie wog alles genau ab. Die Chancen, doch noch gefangen zu werden. Dann nickte sie. Sein Lächeln vertiefte sich.

"Lovely. Now, take my hand, my dear, and I'll free you from these humiliating organisation. They're not worth any of your time." („Wundervoll. Nun, nimm meine Hand, meine Liebe, und ich befreie dich von dieser erniedrigenden Organisation. Sie sind deine Zeit nicht wert.")

Ein Lächeln legte sich auch auf ihre Lippen.

Damals hatte alles angefangen. Sie war seine Rettung gewesen, und er die ihre. Es war der Beginn einer Verbindung, wie es keine weitere in der Galaxie gab, und sollte sie ihn fragen, würde er ihr ohne Zögern die Sterne bringen.

Loki lächelte, und ohne, dass er es wollte, fielen ihm langsam, aber sicher die Augen zu. Das Handy fest in seiner Hand, schlief er ein, in Gedanken bei Eleya. 

Eleya Barton - Killing the Monster | Avengers/Assassination Classroom CrossoverWhere stories live. Discover now