Kapitel 43

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"Unfruchtbar??", wiederholt Harry geschockt. Mit fest zusammengebissenen Zähnen nicke ich, während er mich fassungslos anstarrt. Weiter sagt er nichts dazu. Auch ich drehe mich schweigend um und steige aus dem Wasser zurück ans Ufer. Fröstelnd schlinge ich meine Arme um meinen Körper. Ein letzter Blick zu Harry verrät mir, dass er noch immer auf die Stelle starrt, an der ich zuletzt vor ihm stand. Seufzend drehe ich mich um und laufe zurück zum Rudel. Ich vermute, dass er nun Zeit zum Nachdenken braucht. Immerhin habe ich ihm gerade erklärt, dass das mit einer Familie nichts wird. Und Harry sah nicht so aus, als wolle er gerade, dass ich ihm weiterhin irgendetwas erkläre. Zumindest jetzt noch nicht. Er weiß, dass er sich nun entscheiden muss, nicht ich.

Entweder lässt er sich auf ein Leben mit mir ein, ohne eine eigene Familie und mit vielen Problemen.

Oder er entscheidet sich gegen mich und hat die Möglichkeit, einen Omega zu finden, der ihm eine Familie schenken kann. Unsere Bindung würde bestehen bleiben, bis seine Suche erfolgreich war. Erst dann würde ich sie auflösen und wieder in meine Rolle als Einzelgänger zurückkehren. Zumindest so lange, bis ich am nächsten Vollmond meinen letzten Atemzug nehmen würde.

"Hallo Louis! Geht es dir gut? Du siehst ein wenig mitgenommen aus." Ich sehe auf und entdecke Anne, die mit ausgebreiteten Armen auf mich zukommt. "Mir geht es gut, danke", murmle ich und erwidere kurz die Umarmung. "Ich.. ich gehe dann mal nach drinnen", füge ich hinzu und lasse sie stehen. Ich spüre ihren Blick in meinem Rücken, bis ich die Tür hinter mir geschlossen habe und tief durchatme. Unauffällig sehe ich zum Fenster hinaus und entdecke Harry, der mit hängenden Schultern zu seiner Mum trottet. Sie reden kurz miteinander, doch er scheint sie schnell abzuwimmeln. Für den Bruchteil einer Sekunde treffen sich unsere Blicke durch das Fenster. Dann wendet er sich jedoch wieder ab und kommt auf die Hütte zu.

Mit einem Klacken schließt sich die Tür. Harry steht nun direkt hinter mir. "Ich muss nachdenken", sagt er leise. Für eine Sekunde schließe ich meine Augen, dann drehe ich mich zu ihm und nicke langsam. "Das ist okay. Lass dir Zeit", versichere ich. Ohne überhaupt auf meine Worte zu reagieren, zieht er mich einfach in eine feste Umarmung. Nicht wissend, was ich davon halten soll, erwidere ich sie. "Ich will dich nicht verlieren", gesteht er. In seinen Augen schimmern kleine Tränen. "Du wirst mich doch nicht verlieren, Haz. Ich bleibe so lange bei dir, wie du möchtest. Aber du musst mit dir selbst ausmachen, ob du wirklich auf eine eigene Familie verzichten kannst. Weißt du noch, als du mir mal erzähltest, dass dies dein größter Wunsch sei? Deine eigenen Welpen großziehen, ihnen das Leben zu zeigen... Überleg dir gut, ob du all das wirklich aufgeben willst, ja?" Mit meinen Daumen wische ich sanft die Tränen von seinen Wangen und gebe ihm einen liebevollen Kuss auf die Lippen. "Ich... ich wollte immer einen Partner, den ich liebe", haucht er. - "Ich weiß... aber ich kann dir deinen Wunsch nicht erfüllen." Harry tritt einen kleinen Schritt zurück und nickt langsam. Mein Herz klopft schnell, als ich seine bedauernde Miene sehe. "Meine Mum, sie... vielleicht kann sie mir einen Rat geben", erklärt er leise. Ich unterdrücke den erleichterten Seufzer, als ich realisiere, dass er sich nicht gegen mich entschieden hat. Noch nicht.
"Sie weiß sicher schon, dass etwas nicht stimmt", sage ich verstehend. "Ja, sie.. sie spürt so etwas schnell", meint Harry und geht zur Tür, "Bis dann." Auf dem Weg zu Anne bleibt er noch einmal stehen, lächelt mir kurz zu und läuft erst weiter, nachdem ich ihm gewunken habe.

Als er aus meinem Sichtfeld verschwunden ist, gehe ich in die Küche und werfe einen Blick in den Kühlschrank. Viel gibt dieser nicht her, doch ich werde es vielleicht schaffen, ein paar Pancakes für Harry zu machen. Mir ist der Appetit vergangen, doch ich bin mir sicher, dass der Alpha trotz allem bald Hunger hat. Später steht noch das Training mit den Betas an, da braucht er Kraft. Ich hoffe nicht, dass seine Gedanken ihn dabei allzu sehr ablenken werden. Wobei das sehr warscheinlich ist. Harry ist nun einmal niemand, der alles im Leben so hinnimmt, wie es kommt. Er sorgt sich, er macht sich Gedanken, er überlegt und denkt viel nach. Es ist mehr als richtig, dass er sich nun bei seiner Mum Rat holt. Auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass er sich ohnehin ausgiebig mit der Situation befasst hätte.

Secret white lies - L.S.Where stories live. Discover now