Kapitel 27

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Seufzend warte ich ab, bis Harry meine Wunde am Hinterkopf versorgt hat. Er hat darauf bestanden, dass dies Vorrang hat. Okay, vielleicht ist dieser Gedanke auch gar nicht so dumm.
Als das Pflaster schließlich klebt, geht er an einen Schrank und nimmt einen Satz Kleidung heraus. "Hier, das müsste dir passen... Zumindest reicht es für den Moment." Dankend nehme ich sie entgegen und warte, bis Harry mir den Rücken zudreht, bevor ich mir die Sachen schnell überstreife. "Fertig", sage ich und stelle mich vor Harry. Er lässt kurz seinen Blick über mich schweifen, muss dann jedoch lachen, als er die langen Ärmel und Hosenbeine sieht. "Warte kurz", bittet er und beginnt damit, mir beides zurückzukrempeln. Ich beobachte, wie er die Augenbrauen konzentriert zusammenzieht und mir mit seinem Gesicht etwas näher kommt. Automatisch halte ich die Luft an. Seine rosigen, vollen Lippen sind nun direkt auf meiner Augenhöhe. Schluckend wende ich schnell meinen Blick ab.

"Schon besser", stellt er zufrieden fest. Eilig betrachte ich sein Werk. "Danke", krächze ich und räuspere mich schnell. Harry tritt einen Schritt zurück und lässt sich wieder neben mir aufs Bett fallen. "Bereit?", fragt er leise. Ich atme tief durch und nicke langsam. "Ich denke ja. Also es... es begann vor vier Jahren. Ich spielte gerade mit meiner Schwester Lottie, als es an der Tür klopfte. Meine Mum öffnete sie. Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, wer es war, doch es war deutlich, dass die beiden sich stritten. Jedenfalls-"

"Hey, ihr beiden! Habt ihr Hunger? Anne hat gekocht und lässt fragen, ob ihr auch etwas essen wollt?" Niall blickt fragend zwischen uns hin und her. Harry seufzt laut und verdreht die Augen. "Möchtest du etwas?", wendet er sich an mich, doch ich schüttle nur mit dem Kopf. "Wir nehmen nichts, Niall." Der Ire nickt, grinst einmal und verschwindet wieder.

"Entschuldige, dass er dich unterbrochen hat. Erzähl bitte weiter." Harry lächelt sanft und blickt mich aufmerksam wieder an.

Ich hole tief Luft und sortiere die Worte, die in meinem Kopf herumschwirren. Es fällt mir schwer, sie richtig zu sortieren. Zum Einen weil so viel Zeit vergangen ist und zum Anderen weil ich noch nie jemandem davon erzählte.
"Also nachdem der Mann wieder gegangen ist, fand ich meine Mum-"

"Anne schickt mich, ich soll euch etwas zu Essen bringen, wenn ihr schon nicht rüberkommt." Liam steht in der Tür und balanciert zwei Teller vor sich her. Aufgebracht steht Harry auf und schnappt sich zwei Jacken und Schuhe. "Es reicht mir jetzt! Erst kann niemand von euch anklopfen und dann platzt ihr ständig in Louis' Worte! Komm mit, Lou, wir verschwinden!" Liam sieht uns verblüfft zu, wie Harry mir die Kleidung überstreift, seinen Arm um meine Hüfte legt und mit mit die Hütte verlässt. "Das nervt mich so! Bloß weil ich netter zu ihnen bin als mein Rang es vorsieht, heißt das nicht, dass sie einfach so jederzeit in mein Zuhause platzen können!" Er setzt eilig einen Schritt vor den anderen, während ich mehr oder weniger neben ihm herstolpere. "Warum können sie nicht-"
"Harry, warte!" Verwundert bleibt er stehen und bemerkt erst jetzt, wie atemlos ich bin. Schnaufend stütze ich meine Hände auf den Oberschenkeln ab und senke meinen Kopf. "Oh, ich.. es tut mir leid, ich war so sauer und-"

"Ist okay", unterbreche ich ihn und richte mich nach einem tiefen Atemzug wieder auf. Langsam gehe ich weiter, während Harry vorsichtig seinen Arm um meine Taille legt und mich stützt. "Gehts?", fragt er besorgt. Lächelnd sehe ich zu ihm auf und nicke. "Du bist nur zu schnell gelaufen. Ansonsten geht es mir gut", versichere ich.
"Wollen wir zum See?", fragt Harry nach einer Weile, in der wir nur planlos umherliefen. "Gern." Wenige Augenblicke später liegt die kleine Weggabelung vor uns, in die wir einbiegen. Kichernd beobachte ich, wie Harry geduckt laufen muss, um nicht mit seinen Haaren im Geäst hängen zu bleiben. "Es hat seine Vorteile, klein zu sein", stelle ich fest und bringe Harry damit zum Lachen. "Da hast du Recht. Aber groß zu sein ist auch nicht schlecht." Nach einigen Metern liegt der klare, blaue See vor uns. Wir setzen uns ans Ufer und ziehen die Schuhe aus. Zufrieden seufzend lasse ich meine Füße in das kühle Wasser ab. "Es ist so schön hier. Vor allem so ruhig", murmle ich und lasse meinen Blick schweifen. Harry nickt langsam und strampelt mit seinen Beinen ein wenig umher, wodurch ich einige Wasserspritzer abbekomme. "Hey, lass das!" Unzufrieden wische ich sie mir aus dem Gesicht. "Stell dich nicht so an, du bist doch nicht aus Zucker." - "Aber ich bin süßer als du", grinse ich. Harry schnaubt empört und streicht sich seine Locken hinter die Ohren. "Du bist ganz schön sassy, Louis", stellt er fest.

Secret white lies - L.S.حيث تعيش القصص. اكتشف الآن