Kapitel 11

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"Louis! Warte doch bitte!"

Ich schüttle stumm meinen Kopf und rolle mit den Augen. Kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? "Louis, bitte!" Ich bin kaum einen Schritt gegangen, da höre ich schon, dass Harry mir folgt. "Es ist alles gesagt. Ich werde nicht hier bleiben", sage ich knapp. Der Alpha läuft weiterhin neben mir her. "Aber warum? Du kannst doch hier bei uns bleiben. Du bist ein Omega, Louis, du wirst nicht lange überleben, wenn du allein unterwegs bist. Bleib bitte bei uns, ja?" Nun platzt mir jedoch der Kragen. "Man lass es doch einfach mal gut sein! Ich habe mich dafür entschieden, zu gehen! Ich fühle mich einfach nicht wohl in deinem Rudel! Ich fühle mich nicht wohl bei dir!"

Harry schluckt schwer. Ich ebenso. Das war härter formuliert als geplant. "A-aber.. warum denn nicht? Du kennst mich doch gar nicht, Louis". - "Und das möchte ich auch nicht."

Ich beiße meine Zähne fest zusammen und stapfe weiter. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Jetzt bloß nicht weinen, Lewis! Reiß dich zusammen! Diese verdammten Omega-Hormone. Warum muss dieser Rang denn auch so verflucht harmoniebedürftig sein? Wäre ich ein Beta, würde es mir deutlich besser gehen. Denen ist doch gefühlt eh alles egal, was im Rudel abgeht. Hauptsache dem Alpha geht es gut. Wobei- dann müsste ich mich ja auch um Harry kümmern. Nein danke. Das ist nicht meine Aufgabe.
Ich atme erleichtert auf, als endlich meine Hütte vor uns erscheint. "Harry, lass mich bitte endlich in Ruhe", sage ich ein letztes mal. Dann schließe ich die Tür auf und lasse sie direkt vor Harrys Nase wieder zuknallen, nachdem ich eingetreten bin. Ich trete von der Tür weg. Durch das Fenster sehe ich, dass Harry noch immer unverändert dort steht. Schließlich rauft er sich die Haare, dreht um und geht. Zumindest denke ich das. Tatsächlich bleibt er jedoch einige Meter entfernt wieder stehen und lässt sich auf den Boden fallen. Er setzt sich in den Schneidersitz und lehnt sich an den Baum hinter sich. Dann schließt er seine Augen.

Ich öffne genervt ein Fenster. "Was wird das?", rufe ich zickig. - "Wenn du nicht selbst auf dich Acht gibst, mache ich das eben." Ich pruste spöttisch los. "Mit geschlossenen Augen?!" Nun ist Harry derjenige, der sarkastisch auflacht. "Du solltest doch wissen, dass Wölfe besser hören als sehen, oder Louis?" Ich verstumme. Damit hat er ins Schwarze getroffen. Vielleicht sollte ich eher mal darüber nachdenken und dann sprechen. Nicht andersrum. Ich knalle mit Wucht das Fenster wieder zu. Es scheint, als würde Harry schmunzeln. In Gedanken zeige ich ihm den Mittelfinger und drehe mich dann weg. Soll er doch dort sitzen bleiben und sich zu Tode langweilen. Ist ja nicht meine Schuld. Spätestens beim nächsten Vollmond ist es ohnehin vorbei mit mir. Und mit ihm vermutlich auch.

Einige Stunden vergehen.

Ich sitze auf einem Stuhl in der Küche, den Blick aus dem Fenster gerichtet. Man könnte meinen, ich würde Harry beobachten, doch in Wirklichkeit interessiert es mich nur, wie lange er diese Position noch einhält. Ist ihm nicht langweilig? Mir jedenfalls schon. Ein Blick in die Speisekammer verrät, dass ich tatsächlich nichts essbares mehr habe. Ich überlege, einfach hinten zum Fenster hinauszukriechen, doch diese Blöße werde ich mir nicht geben. Stattdessen führt mein Weg mich also wieder zur Haustür hinaus. Sofort steht Harry auf und kommt zu mir. "Wo gehst du hin?", fragt er. Ich verdrehe meine Augen und antworte ihm nicht. "Gehst du einkaufen?", fragt Harry, als ich nach einigen Minuten den Weg in die Stadt einschlage. "Du weißt, dass das gefährlich ist? - "Verhungern ist auch gefährlich ", lautet meine bissige Antwort. - "Das stimmt", sagt Harry. Sein Grinsen ist deutlich zu hören.
"Aber ich meine es ernst. Du kannst nicht ständig in die Stadt gehen. Erstens ist der Weg viel zu weit. Bis du zurück bist, ist es dunkel. Und zweitens sollten wir nicht so oft unter die normalen Menschen gehen. Wenn sie einmal etwas über uns herausfinden, sind alle Werwölfe in Gefahr. Und glaub mir, du willst nicht derjenige sein, der dafür verantwortlich ist."

Secret white lies - L.S.Where stories live. Discover now