Kapitel 28

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Paranoia

•28•

People will do anything, no matter how absurd, in order to avoid facing their own souls. One does not become enlightened by imagining figures of light, but by making the darkness conscious.

Carl Jung

Azriel

Verlust, ein Wort mit dem wir unsere Federn schmücken könnten, besäßen wir welche. Ich sah es in ihren Augen, in seinen Augen, sie waren am Ende. Und doch mussten sie weiter kämpfen, mussten den Schmerz in ihren Gliedern und Muskeln ertragen, ebenso jenen in ihren Herzen. In dieser Hinsicht waren wir wohl doch mehr Tier als Mensch, denn uns blieb kein Raum zum trauern, nicht heute und auch nicht morgen. Wir würden uns Zeit dafür nehmen, wenn jene gekommen war und so lange machten wir eben weiter, denn aufzugeben wäre niemals eine Option.

Levi's warmer, zierlicher Körper ruhte noch immer an meinem. Er hatte abgenommen und die letzten Tage hatten ihre Spuren hinterlassen. Ich spürte es, jedes Mal, wenn ich meine Arme etwas mehr um ihn legte und es immer länger dauerte, bis ich auf Widerstand traf. Ich hatte es gespürt, als ich letzte Nacht meine Hand zwischen seine Schenkel schob, ich hatte die Härte seiner Knochen deutlich auf meiner Haut spüren können. Er war schon immer zierlich, doch sein Zustand zu dem jetzigen Zeitpunkt grenzte schon an Mager. Ich musste etwas tun, eine Lösung finden und das schnell. Nicht für mich, sondern für mein Rudel, für meinen Mate.
»Ich kenne diesen Ausdruck, Azriel. Lass das.« Ich hatte nicht bemerkt, dass er bereits ebenso schlaflos zu sein schien, wie auch ich es war. Vier Stunden waren vergangen und wenn es hoch kam, hatten wir zwei davon geschlafen.
»Ich weiß nicht wovon du sprichst.« Meine ganze Aufmerksamkeit, mein ganzes Sein richtete sich in jenem Moment wieder auf meinen Mate. Er hatte mich durchschaut, mich gelesen, während andere das Schloss niemals finden würden. Dieser Junge kannte mich besser, als ich mich selbst kannte.
»Doch, das weißt du ganz genau. Du bist nicht alleine mit deinen Sorgen, Azriel. Rede mit mir, bitte.« Er hatte mich tatsächlich durchschaut, wieder einmal.
Seine Stimme war leise, gedämmt, während er seinen Körper wieder mehr gegen meinen zu schmiegen schien.
»Ich kann nicht dabei zusehen, wie du zu Grunde gehst, Levi. Ich sehe es, jedes Mal, wenn ich dich betrachte. Die Spuren auf deinem Körper und schlimmer noch, jene auf deiner Seele.«
Sein weiches, dunkles Haar kitzelte meine Nasenspitze als ich sie erneut in jenem vergrub. Sein Geruch war wie mein persönlicher Himmel und auch unsere tagelange Reise und die schnellen Katzenbäder im Fluss änderten nichts daran. Ich würde ihn unter tausenden wiedererkennen.

Er drehte sich in meinen Armen, sodass seine Brust die meine berührte und er mir in die Augen sehen konnte, um mir zu sagen, was ich womöglich hören musste.
»Azriel... Kriege sind nicht dafür bekannt, eine belebende Wirkung zu haben, oder? Du tust was du kannst, wir sind am leben, Deinetwegen. Ein paar Kilos weniger und ein paar Tage wenig Schlaf, haben noch Niemanden von uns getötet.« Auch jetzt schaffte er es, seine Mundwinkel leicht anzuheben. Seine Hände ruhten auf meinen Wangen, während seine Daumen über meine Wangenknochen führen und ich könnte schwören, das sich auch das vor ein paar Tagen noch anders angefühlt hatte. Dieser Krieg zerrte nicht nur an meinem Omega und den anderen Wölfen, er verlangte auch mir sämtliche Reserven ab und dabei fingen wir grade erst an.
Vielleicht würde der Körper sich irgendwann daran gewöhnen? Irgendwann würde vielleicht ein anderer Zustand eintreten, womöglich einer, der uns weniger Menschlich machte.
»Und außerdem, hast auch du ein paar Kilos verloren. Uns allen geht es so, das wirst du nicht ändern können. Aber was du ändern kannst, ist unsere Einstellung, die Motivation. Du bist unser Alpha und der einzige, den ich kenne, der es schafft alleine mit Worten eine kleine Armee in Bewegung zu setzen, wenn es nötig ist.«
Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren, als er seine Stirn an die meine lehnte und erneut ein sanftes Lächeln auf seine Lippen wandern ließ.
»Nein, Leviathan. Ich kenne noch Jemanden, der mit seinen Worten Berge versetzen kann.« Und dieser Jemand saß mir in jenem Moment genau gegenüber.

His  •BoyxBoy•Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon